Ternitz: Phönix aus der Stahl-Asche

Nach dem Ende der verstaatlichten Industrie ist die Stahlstadt Ternitz (Bezirk Neunkirchen) zunächst in Arbeitslosigkeit und Depression geschlittert. Durch das Können und Fachwissen der Arbeiter hat sie aber den Wiederaufschwung geschafft.

Ternitz war in den 1960er- und 1970er-Jahren eines der Zentren der Stahlverarbeitung in Österreich. Die Hochöfen glühten, 4.300 Menschen waren bei den Vereinigten Edelstahlwerken (VEW) beschäftigt, einer 100-prozentigen Tochter der staatlichen VOEST-Alpine AG. Es gab Arbeit, aber auch schwierige Lebensbedingungen für die Einwohner von Ternitz, wie Bürgermeister Rupert Dworak (SPÖ) schildert: „Immer, wenn Stahl gegossen worden ist, ist aus den Kaminen der rote Rauch aufgestiegen. Dann sind die Frauen händeringend in den Garten gelaufen, um ihre Wäsche zu retten.“

Ternitz

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In den 1960ern und 1970ern war Ternitz eines der Zentren der heimischen Stahlindustrie

Stahlindustrie hatte es in Ternitz schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts gegeben. 1862 wurden hier die Schoeller-Stahlwerke gegründet, die 1924 mit den Bleckmann-Stahlwerken zu „Schoeller-Bleckmann“ fusionierten. Nach einem ersten Hoch - nicht zuletzt durch eine unrühmliche Rolle von Philipp Alois Schoeller in der NS-Zeit - folgte das erste Tief, die Zerschlagung nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Aufschwung in der Nachkriegszeit gipfelte in der Hochblüte in den 1960er- und 1970er-Jahren in Zeiten der verstaatlichten Industrie.

Die Industrie bot jahrelang wirtschaftliche Sicherheit. Diese Sicherheit brach jedoch 1988 zusammen. Die verstaatliche Industrie wurde privatisiert und das Unternehmen VEW in mehrere Einzelunternehmen zerschlagen. Dadurch brachen Arbeitslosigkeit und Depression über die 15.000-Einwohner-Stadt Ternitz herein. Die Nachfolge-Unternehmen, in welche die VEW aufgesplittert wurde, konnten jedoch aus einem großen Pool an Facharbeitskräften im Stahlbereich schöpfen und so wurden auch sie wieder erfolgreich.

Aufschwung mit Verzögerung

Vor allem Schoeller-Bleckmann ist heute wieder eine starke Marke in vielen Segmenten und mit Unternehmen in der Größe von jeweils mehreren hundert Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Dazu gehört allen voran auch der Ölfeld-Ausrüster SB Oilfield, der derzeit zwar durch den niedrigen Ölpreis mit Turbulenzen zu kämpfen hat, aber nach wie vor gesund ist. Zum Unternehmen gehört auch Schoeller-Bleckmann Edelstahlrohr und nicht zuletzt Schoeller-Bleckmann Medizintechnik, die ein Teil der Bosch-Gruppe ist. Hier werden Sterilisatoren für die Pharma-Industrie gefertigt.

Eine Abwanderung aus Ternitz steht für Geschäftsführer Alfred Kaliwoda nicht zur Debatte: „Wir sind hier mit unseren Mitarbeitern aus dem unmittelbaren Umfeld groß geworden. Es war zu keiner Zeit und zu keinem der unterschiedlichen Besitzverhältnisse ein Thema, von Ternitz wegzugehen.“

Auch die Japaner schätzen Ternitz

Der Amada-Konzern aus der Nähe von Tokyo erzeugt in Ternitz hochwertige Sägebänder, mit denen Stahl geschnitten wird, ein aufwändiges und hochpräzises Verfahren. Die Japaner kamen vor 25 Jahren wegen der Qualität des österreichischen Stahls nach Ternitz, sagt Geschäftsführer Katsuhiko Kawabata. Auch er schätzt die Erfahrung der Mitarbeiter im Stahl-Bereich: „Das Know-how der technischen Angestellten hier ist - schon über viele Jahre hinweg - ein wichtiges Argument, weiterhin hier in Ternitz zu bleiben. Wir sehen keinen Grund, hier wegzugehen.“

Heute gibt es in Ternitz - inklusive der Einzelunternehmen - 800 Betriebe der unterschiedlichsten Sparten, in denen um 3.800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt sind. Das sind zwar nicht so viele wie zur Zeit der Hochblüte der Stahlindustrie, aber eine Depression ist heute angesichts dieser Struktur nicht mehr zu befürchten.

Robert Salzer, noe.ORF.at

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