Gedenken an jüdische Zwangsarbeiter

In Gerasdorf bei Wien (Bezirk Wien-Umgebung) ist am Freitag der Opfer des NS-Regimes gedacht worden. Mehr als 280 jüdische Zwangsarbeiter aus Ungarn waren im Jahr 1944 in dem Arbeitslager gefangen.

Gerasdorf

ORF / Stefanie Kothbauer

Die Straße, die einst zum Lager geführt hat, ist nach der Mutter eines der letzten Zeitzeugen benannt

Istvan Gabor Benedek, einer der letzten Holocaust-Überlebenden von Gerasdorf, war bei dem Gedenkakt mit dabei. Zuletzt war er vor mehr als 70 Jahren in Gerasdorf. Er lebte gemeinsam mit seiner Familie in dem Zwangsarbeitslager. Die Straße, die einst zum Lager geführt hat, ist heute nach seiner Mutter benannt. „Wir standen mitten in der Nazi-Welt an einem Fleck, wo es für mich einen einzigartigen Frieden gab. Es gab eine Frau, bei der ich als kleines Kind Kakao zum Trinken bekommen habe und Kuchen bekommen habe, Schaumkuchen“, hat Benedek noch viele Bilder von damals im Kopf.

Den Schaumkuchen bekam der damals Siebenjährige von einer Gerasdorferin, bei der seine Mutter als Zwangsarbeiterin beschäftigt war. Ihr gleichaltriger Sohn schenkte ihm einen Wintermantel. In der Zwischenzeit wurden aus den kleinen Buben alte Männer. Bei der Gedenkveranstaltung sahen sie sich zum ersten mal wieder: „Diese Begegnung war für mich überwältigend, ich konnte ihn nicht begrüßen, ohne dass ich am ganzen Körper zittere und ich erwähne Herrn Seidl auch in all meinen Schriften, ich erzähle viel über ihn in meinem Freundeskreis“, so der ehemalige Gefangene.

Gedenkstein erinnert an deportierte Ungarn

An die deportierten Männer, Frauen und Kinder aus Ungarn soll in Gerasdorf ein Gedenkstein erinnern, sagt Justizminister Wolfgang Brandstetter. „Eine gelebte Erinnerungskultur mit Gedenktafeln ermöglicht es der Jugend zu verstehen, warum es zu diesen Katastrophen der Vergangenheit kommen konnte.“

Gerasdorf

ORF / Stefanie Kothbauer

Benedek lebt heute in Budapest als Schriftsteller und Journalist. 1944 ist er mit seiner Familie ins KZ Bergen-Belsen gekommen, dort hat er seinen Vater wieder getroffen. 1945 ist die die Familie ins KZ Theresienstadt gekommen, dort wurde sie befreit.

Der Vizebürgermeister von Gerasdorf und Initiator des Gedenktages, Lukas Mandl (ÖVP), ergänzt: „Wir haben als Kinder auf dem Gelände gespielt, von dem wir heute wissen, dass 1944 dort dieses Lager war. Gemeinsam mit Bügermeister Alexander Vojta habe im Vorjahr den 70. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus zum Anlass genommen, dieses Kapitel aufzuarbeiten, um derer die hier interniert ware, würdig zu gedenken.“ Benedek ist wohl einer der letzten Überlebenden des Lagers. Der Gedenkstein soll das Schicksal der jüdischen Zwangsarbeiter in Gerasdorf niemals vergessen lassen.

Stefanie Kothbauer, noe.ORF.at