Khadem-Missagh: „Ein Gefühl der Freiheit“

Unter dem Motto „Neue Horizonte“ ist das Kammermusikfestival Allegro Vivo in seine 38. Ausgabe gestartet. Es ist die letzte Saison des Festivalleiters Bijan Khadem-Missagh. Für ihn ist es „recht, wenn das Werk den Meister überlebt“.

Vom Stift Göttweig bis zur Stadtpfarrkirche in Waidhofen an der Thaya bespielt Bijan Khadem-Missagh auch heuer wieder 30 verschiedene Plätze im Waldviertel und widmet sich dabei der Musik des amerikanischen Kontinents. Etwa 600 Musikerinnen und Musiker aus aller Welt sind bis 18. September bei Allegro Vivo zu hören.

Veranstaltungshinweis

Allegro Vivo findet vom 5. August bis 18. September statt

Das Eröffnungskonzert fand am Sonntag in der barocken Bibliothek von Stift Altenburg statt. Zum Auftakt ließ Bijan Khadem-Missagh ein Konzertstück des Kolumbianers Alejandro del Valle-Lattanzio für das Saxophon sowie Igor Strawinskis „Concerto in D“ erklingen. Ebenso war Samuel Barbers „Adagio für Streichorchester“ bei der Eröffnung zu hören. Khadem-Missagh wählte das Stück in Gedenken an seine Frau Shirin, die heuer im April verstorben ist.

noe.ORF.at: Heuer lautet das Thema „Neue Horizonte“ - was waren Ihre Überlegungen, die diesjährige Saison unter dieses Motto zu stellen?

Bijan Khadem-Missagh: Ich bin überzeugt, dass die Welt aus dem Gleichgewicht ist, und wenn wir für die Zukunft weiterdenken wollen, müssen wir uns neue Horizonte vorstellen können. Wenn wir mit Methoden der Vergangenheit die Zukunft gestalten, werden wir versagen, daher brauchen wir neue Horizonte.

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„Neue Horizonte“ in Stift Altenburg

Festivalleiter Bijan Khadem-Missagh eröffnete die 38. Ausgabe von Allegro Vivo mit einem Stück von Alejandro del Valle-Lattanzio.

noe.ORF.at: Wo findet man in der Musik die „Neuen Horizonte“?

Khadem-Missagh: Wir haben in diesem Jahr ein neues Thema für uns auserkoren und wollen vom Atlantischen Ozean in den Westen blicken. Nord-, Zentral- und Südamerika haben auch in der Musikwelt eine besondere Bedeutung, weil sie verschiedenste Erneuerungen in der Musik gebracht haben. Wenn man alleine bedenkt, dass zum Beispiel europäische Einflüsse mit amerikanischen Einflüssen oder mit der afrikanischen Musik gemeinsam letztlich zum Jazz und zu neuen Entwicklungen in der Musical-Welt geführt haben.

noe.ORF.at: Gibt es auch neue Horizonte in Ihrem Leben nach Allegro Vivo?

Khadem-Missagh: In meinem Leben hat sich im vergangenen Jahr sehr viel abgespielt und die neuen Horizonte sind auch in meinem Leben vorhanden, vor allem in Bezug auf meine Frau, die auch ganz neue Horizonte eröffnet hat, indem sie diese irdische Welt verlassen hat und in die geistige Welt aufgestiegen ist. Es beflügelt mich daran zu denken, dass dieses Leben nur vorrübergehend ist und dass wir uns auch auf eine nächste, höhere Dimension vorzubereiten haben.

noe.ORF.at: Was waren Ihre Gefühle, als Sie heuer in Ihre letzte Saison gestartet sind?

Khadem-Missagh: Jeder Tag sollte so sein, als ob es unser letzter Tag wäre. Wir sollten uns jeden Tag dafür Rechenschaft abgeben, was wir getan haben. Daher ist eine letzte Saison für mich etwas ganz Außergewöhnliches. Ich hatte auch die gleiche Erfahrung, als ich mit dem Tonkünstler Orchester das letzte Konzert gespielt habe. Es ist ein Gefühl der Erhabenheit und der Freiheit.

Allegro Vivo

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noe.ORF.at: Hat es noch etwas gegeben, das Sie unbedingt in Ihrer letzten Saison den Künstlerinnen und Künstlern oder dem Publikum ermöglichen wollten?

Khadem-Missagh: Das Wichtigste ist mir, dass dieses Fundament von Allegro Vivo als ein weltweit einzigartiges Ereignis der Zukunft geschenkt wird und ich bin dankbar, dass das gelungen ist.

noe.ORF.at: Sie blicken beinahe auf vier Jahrzehnte zurück, welche Bilanz ziehen Sie für sich?

Khadem-Missagh: Wenn ich zurückblicke, war es unvorstellbar, diese Entwicklung miterleben zu dürfen. Das Festival hat ja ganz klein und intim begonnen und heute hat es diese weltweite Dimension angenommen.

noe.ORF.at: Gab es für Sie persönliche Highlights?

Khadem-Missagh: Jedes Festival war ein Highlight. Ich habe das Glück gehabt, dass jedes Jahr etwas Außergewöhnliches passiert ist. Die letzten 25 Jahre waren ja ein programmatischer Zyklus, das ist für mich der große Höhepunkt, weil in 25 Jahren sämtliche Kontinente und Kulturen der Welt bei Allegro Vivo vertreten waren.

Bijan Khadem Missagh

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Bijan Khadem-Missagh

noe.ORF.at: Ist Ihnen die Entscheidung schwer gefallen, die künstlerische Leitung aufzugeben?

Khadem-Missagh: Es ist mir nicht schwer gefallen, weil es ist mir sehr recht, wenn das Werk den Meister überlebt und umgekehrt der Meister sein Werk überlebt.

noe.ORF.at: Ab 2017 übernimmt ihr Sohn Vahid Khadem-Missagh. Was wollen Sie ihm mit auf den Weg geben?

Khadem-Missagh: Er ist eigentlich Allegro Vivo in Person, denn sein Wesen und seine Art, seine große Musikliebe und seine Begabung in der Musik und in der innovativen Welt prädestinieren ihn für die Weiterführung des Festivals. Auch seine bisherigen internationalen Festivals und Projekte sprechen für ihn. Er war auch damals, als das Festival begonnen hat, das erste Kind, das dieses Festival erlebt hat.

Das Gespräch mit Bijan Khadem-Missagh führte Martina Gerlitz, noe.ORF.at.

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