Pröll attestiert SPÖ „Linksruck“

Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) hat sich gegen Spekulationen über Neuwahlen ausgesprochen. Er übte aber auch Kritik an der SPÖ. Diese habe unter Bundeskanzler Christian Kern einen „Linksruck“ vollzogen.

Ob beim Thema Asyl, der Frage nach einer Notverordnung, einer Neuregelung der Mindestsicherung oder der Einführung einer Maschinensteuer, die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP seien zuletzt nur selten einer Meinung gewesen, sagte er im Interview mit ORF-Niederösterreich-Chefredakteur Robert Ziegler. Pröll attestierte der SPÖ einen „Linksruck“, sprach sich allerdings gegen Spekulationen über eine mögliche Neuwahl auf Bundesebene aus. Zur Frage, ob er bei der Landtagswahl 2018 noch einmal antreten werde, sagte Pröll, dass er seine Entscheidung zeitgerecht bekannt geben werde.

Sommerinterview Pröll

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Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) attestierte der SPÖ einen Linksruck, sprach sich aber gegen Neuwahlen auf Bundesebene aus

noe.ORF.at: Die Bundesregierung spricht immer wieder von einem Neustart, gleichzeitig ist aber immer wieder auch von Neuwahlen die Rede. Selbst Vizekanzler Mittlerlehner hat das zuletzt nicht hundertprozentig ausgeschlossen. Rechnen Sie mit Neuwahlen im Bund 2017?

Pröll: Ich denke, dass ist keine Frage eines Rechenbeispiels, sondern das ist in erster Linie eine Frage der Opportunität und der Nützlichkeit. Ich stelle mir selber die Frage, welche Partei mit Ausnahme der Freiheitlichen ein Interesse an Neuwahlen haben sollte? Im Großen und Ganzen muss man ja sehen: Bei kaum einer Partei ist Geld vorhanden, die Umfragewerte sind auch nicht gerade überragend und Neukonstellationen sind weit und breit nicht in Sicht. Daher glaube ich, sollte man hier auch in der theoretischen Überlegung am Boden bleiben und nicht über Neuwahlen spekulieren. In erster Linie geht es darum, dass die Bundesregierung wieder zu einer zugkräftigen Arbeit findet, um auf diese Art und Weise auch in der Bevölkerung punkten zu können.

noe.ORF.at: In der ÖVP heißt es, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis Sebastian Kurz die Partei übernimmt. Wann sind Sie denn der Ansicht, dass Sebastian Kurz das tun sollte?

Pröll: Ich weiß nicht, was Sie mit „es heißt in der ÖVP“ meinen. Ich kann Ihnen nur folgende Fakten sagen, die auch der Vizekanzler heute wieder in einem Interview mit der Austria Presse Agentur (APA) bestätigt hat. Der Vizekanzler hat gesagt, er will bleiben und Außenminister Kurz hat gesagt, er will nicht übernehmen. Das sind zwei Fakten von Aussagen, die ich als bare Münze nehme und daher habe ich überhaupt nicht die Zeit, um mich mit derartigen Spekulationen auseinander zu setzen.

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Neuwahlen statt Neustart?

Landeshauptmann Pröll erteilte Spekulationen über eine mögliche Neuwahl auf Bundesebene eine Absage.

noe.ORF.at: Innerhalb der Bundesregierung gibt es eine Reihe von Konflikten, auch zwischen Bund und Ländern, ein Thema ist zum Beispiel die Mindestsicherung. Da sind Sie der Ansicht, dass es in Niederösterreich eine Grenze von 1.500 Euro pro Familie geben soll. Sozialminister Stöger (SPÖ) sieht das ganz anders. Kann es da einen Kompromiss geben?

Pröll: Ich hoffe, dass es einen vernünftigen Weg gibt, nämlich vernünftig in die Richtung, dass als Ergebnis zurückbleibt, dass diejenigen, die arbeiten gehen, nicht die Dummen sind im Vergleich zu denjenigen, die quasi arbeitsloses Einkommen über die Mindestsicherung bekommen. Denn das ist auch eine Frage der Gerechtigkeit und vor allem auch eine Frage der Arbeitsmoral in der Republik. Ich glaube, wenn ich die Diskussionen und die Verhandlungsführung ein wenig beobachte, kann es einen vernünftigen Weg geben, nämlich, dass diese Deckelung von 1.500 Euro in Rahmen der Mindestsicherung tatsächlich Realtität wird. Im Zusammenhang mit Naturalien bei Wohnbeihilfe kann man noch reden, aber letztendlich: Diese 1.500 Euro sind zumindest für Niederösterreich fix. Sollte es auf Bundesebene zu keiner gemeinsamen Lösung kommen, dann wird Niederösterreich alleine diese Lösung umsetzen.

noe.ORF.at: Ein weiterer Punkt ist die Asylnotverordnung. Hier gibt es innerhalb der Bundesregierung Uneinigkeit, wann die Verordnung in Kraft treten soll, wann Maßnahmen zu treffen sind und wann die Obergrenze von 37.500 erreicht ist. Inzwischen ist die Lage auch in Niederösterreich eine andere als noch vor einem Jahr, es ist ziemlich ruhig, was die Flüchtlinge betrifft. Ist es daher aus Ihrer Sicht notwendig, dass man diese Verordnung vorbereitet?

Pröll: Man sollte sich von der Ruhe der Lage nicht täuschen lassen, denn Sie wissen ganz genau, dass sich wieder einige hunderttausende auf den Weg gemacht haben, um nach Europa zu kommen. Ich will den Teufel nicht an die Wand malen, allerdings: Eine gegebene Situation muss auch realistisch eingeschätzt werden und daher halte ich es für unabdingbar notwendig, die Notverordnung so rasch als möglich umzusetzen, um im Ernstfall, der vielleicht schneller kommen kann, als man heute denkt, gewappnet zu sein. Ich vergleiche das immer mit einem sehr praktischen Beispiel des täglichen Lebens: Es wäre vollkommen verfehlt, eine Feuerwehr erst zu gründen, wenn man ein brennendes Haus vor sich hat.

noe.ORF.at: Aber sind nicht all diese Themen, die wir angesprochen haben, ein Signal dafür, dass die Bundesregierung in der jetzigen Konstellation keine besonders lange Lebensdauer mehr hat, wenn man bei so grundsätzlichen Fragen immer gegensätzlicher Ansichten ist?

Pröll: Ich würde es nicht an Lebensdauer festmachen, sondern ich würde eher sagen: Das ist nicht ein optimaler Zustand, und zwar, weil gemeinsame Arbeit tatsächlich vollkommen anders aussieht. Ich habe generell den Eindruck, dass mit der Übernahme des Bundeskanzleramtes durch den Bundeskanzler Kern so etwas wie ein Linksruck in der SPÖ stattgefunden hat. Sie haben einige Beispiele genannt: In der Asylfrage allgemein, die Notverordnung, die Mindestsicherung, die Maschinensteuer. Mein Eindruck und meine Überzeugung ist: Wenn praktische Alltagsfragen zu intensiv von Ideologie überfrachtet sind, dann verhindert das einen pragmatischen, vernünftigen Weg nach vorne.

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„Linksruck“ bei der SPÖ

Laut Pröll vollzog die SPÖ unter dem neuen Bundeskanzler Christian Kern einen Linksruck. Alltagsfragen würden von Ideologie überfrachtet.

noe.ORF.at: Ein Problem, das ganz Österreich, aber auch Niederösterreich beschäftigt, ist die steigende Arbeitslosigkeit. Gestern sind die aktuellen Zahlen herausgekommen. Plus 3,5 Prozent sind es im Vergleich zum Vorjahr und sehr auffallend: Bei Arbeitssuchenden ohne österreicherischer Staatsbürgerschaft gibt es ein Plus von 15 Prozent. Was kann hier die Landespolitik tun?

Pröll: Was die Arbeitsmarktsituation in Niederösterreich anbelangt, muss man beide Seiten sehen: Auf der einen Seite haben wir den höchsten Beschäftigungsstand, den wir je hatten mit 604.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Das ist ein Hinweis darauf, dass unsere Wirtschaft ganz gut arbeitet - und ich bin im Blick nach vorne überzeugt, dass das noch besser werden wird. Aber: Die Anzahl an Arbeitslosen in Niederösterreich macht uns Sorgen und das ist in zweifacher Richtung ein Signal. Auf der einen Seite: Die Anzahl der Arbeitslosen ist unter den Ausländern überdurchschnittlich hoch, daher ist gerade auch das, was auf Bundesebene angesprochen worden ist, nämlich Notverordnung und Mindestsicherung ein ganz entscheidender Punkt. Und auf der zweiten Seite zeigt sich bei der Analyse, dass diejenigen, die maximal einen einfachen Schulabschluss haben, am Arbeitsmarkt weniger Chancen finden und das ist vor allem für uns in Niederösterreich ein Ansatzpunkt, dass wir danach trachen, möglichst intensiv im Bildungsbereich einen Schritt nach vorne tun zu können, um die Chancen und die Möglichkeiten entsprechend zu erhöhen.

noe.ORF.at: In Niederösterreich laufen derzeit große Gesundheitsprojekte wie die Karl Landsteiner Universität in Krems oder das Krebsforschungszentrum MedAustron in Wiener Neustadt. Auf der anderen Seite erleben wir gerade in Wien einen heftigen Konflikt zwischen Politik und Ärzteschaft, bei dem es sogar um Streik geht. Können Sie ausschließen, dass es einen solchen Konflikt auch in Niederösterreich geben kann und, dass die Gesundheitsthematik dann von einer Auseinandersetzung beherrscht wird?

Pröll: Das ist in Niederösterreich Gott sei Dank keine aktuelle Frage, und zwar deswegen, weil wir in Niederösterreich schon vor dem Sommer mit der Ärzteschaft einen sehr intensiven Dialog geführt haben, um all diese brennenden Fragen zu lösen. Ich persönlich habe mich da einige Male in die Verhandlungen eingemischt und die Verhandlungen geführt. Das ist natürlich in erster Linie eine Frage des vernünftigen Umgangs und des vernünftigen Gesprächstons miteinander und der stimmt in Niederösterreich. Das dürfte offensichtlich in Wien anders sein. Die Felder, die Sie angesprochen haben in Zusammenhang mit der Karl Landsteiner Universität und mit MedAustron sind ein deutlicher Hinweis dafür, dass wir gerade im Wissenschaftsbereich jetzt im kommenden Herbst in eine vollkommen neue Dimension hinein gehen. Das hat natürlich schon jahrelange Vorbereitungen hinter sich, das ist überhaupt keine Frage, aber wir werden sowohl, was die Wissenschaft anlangt, als auch die medizinische Versorgung in Niederösterreich - und zum Teil über das MedAustron-Projekt weit über Niederösterreich hinaus - eine vollkommen neue Ebene erreichen.

noe.ORF.at: Zum Abschluss eine Frage, die Ihre persönliche politische Zukunft betrifft: Sie sind jetzt seit 24 Jahren Landeshauptmann von Niederösterreich. Werden Sie 2018 bei der Landtagswahl noch einmal antreten?

Pröll: 2018 ist es tatsächlich so, dass die nächste Landtagswahl ansteht. Das ist noch etwas mehr als 1,5 Jahre. Wir sind es in Niederösterreich gewohnt, insbesondere in der niederösterreichischen Volkspartei, strategisch weit nach vorne zu denken. Daher wird zur gegebenen Zeit sehr verantwortungsbewusst analysiert und nach einer verantwortungsbewussten Analyse werden wir dann auch miteinander in der Gesinnungsgemeinschaft beraten und wir werden dann auch zeitgerecht das Ergebnis bekannt geben.

noe.ORF.at: Können Sie ein wenig konkretisieren, was zeitgerecht heißt? Wann wird das ungefähr sein?

Pröll: Zeitgerecht heißt, dass auf alle Eventualitäten Rücksicht genommen wird, die auf uns zukommen können. Und Sie wissen ganz genau, dass die politische Arbeit mittlerweile wesentlich raschlebiger geworden ist. Denken Sie zurück, wer hätte vor einem Jahr geglaubt, dass wir im heurigen Jahr drei Präsidentschaftswahlen zu schlagen haben. Kein Mensch kann heute sagen, wann die nächste Nationalratswahl stattfinden wird. Und auf all diese strategischen Fragen und zeitlichen und terminlichen Fragen muss man bei derartigen Überlegungen Rücksicht nehmen.

noe.ORF.at: Aber Sie persönlich wären bereit, abgesehen von den äußeren politischen Umständen?

Pröll: Die äußeren politischen Umstände sind das, was letztendlich den fixen Rahmen gibt.

Das Interview führte ORF-Niederösterreich-Chefredakteur Robert Ziegler.