Staatsanwaltschaft ermittelt in Pflegeskandal

Nachdem bekanntgeworden ist, dass in einem Pflegeheim bettlägerige Bewohner gequält und erniedrigt wurden, ermittelt nun die Staatsanwaltschaft St. Pölten. Heimleitung und Pflegeanwaltschaft wollen „lückenlose Aufklärung“.

Die Staatsanwaltschaft St. Pölten habe gegen „mehrere ehemalige Pflegekräfte“ eines privaten Pflegeheimes im Bezirk St. Pölten ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, wurde am Mittwoch bestätigt. Es geht laut Behördensprecherin Michaela Obenaus um den Verdacht des Quälens oder Vernachlässigens wehrloser Personen. Die Ermittlungen des Landeskriminalamts stünden aber erst am Anfang.

Dienstagabend wurde bekannt, dass vier Pfleger des privaten Pflegeheimes in Kirchstetten (Bezirk St. Pölten) hilfslose Bewohner grausam gequält und erniedrigt haben sollen. Wie die ZIB2 berichtete, sei etwa einer Frau mit den Worten, dass sie stinke, Haarspray ins Gesicht und in den Mund gesprüht worden. Einer Bewohnerin soll mit den Worten, man müsse Restmüll einsparen, Kot in den Mund gestopft worden sein. Unter „Aromapflege“ hätten die bereits fristlos entlassenen Pfleger das Verreiben von scharfem, ätherischem Alkohol in Augen und Genitalien verstanden.

Hilflose Menschen gequält

Wie die Zeit im Bild 2 berichtete, sollen besonders hilflose, bettlägrige Personen grausam gequält und erniedrigt worden sein.

Patientenanwalt fordert „lückenlose Aufklärung“

Patienten- und Pflegeanwalt Gerald Bachinger forderte nach Bekanntwerden der Vorfälle ein „lückenlose Aufklärung“. Er wurde nach seinen Angaben am Dienstagnachmittag informiert und zeigte sich erschüttert. Es brauche nun eine Ursachenanalyse, denn in Niederösterreich gebe es mit Überprüfungen durch die Volksanwaltschaft, die Pflegeaufsicht des Landes und den Verein für Sachwalterschaft und Patientenanwaltschaft sowie interne Sicherheitseinrichtungen in Heimen bereits ein dichtes Kontrollnetz.

„Die Frage, die sich für mich in weiterer Folge stellt, ist: Wie konnte es trotz dieser Kontrollen vorkommen, dass solche massiven Übergriffe stattfinden?“, sagte Bachinger. Er sei jedoch überzeugt, dass derartige Fälle, in denen hilflose Patienten gequält werden, nicht systematisch in Pflegeheimen vorkommen. In 15 Jahren habe es keinen einzigen derartigen Vorfall in Niederösterreich gegeben, sagte er.

Geschäftsführer verspricht „lückenlose Aufklärung“

Der Verdacht, dass es in dem Pflegeheim zu Misshandlungsfällen gekommen sei, wurde am Freitag nach dem Hinweis einer Mitarbeiterin intern bekannt. „Ich war entsetzt, dass so etwas möglich ist, dass es Menschen gibt, die überhaupt zu solchen bösartigen Dingen in der Lage sind“, sagte Florian Pressl, der Geschäftsführer der Einrichtung, in der ZIB2. Man begann laut Pressl sofort, den Sachverhalt aufzuklären und die Mitarbeiter vom Dienstplan abzuziehen. Am Montag seien dann vier Pfleger, bei denen sich der Verdacht erhärtet habe, entlassen worden, und man habe bei der Polizei Anzeige erstattet.

Auch die Angehörigen der Betreuten wurden über die Vorfälle in Kenntnis gesetzt. Das „besonders Perfide“ war laut dem Geschäftsführer, dass ausschließlich besonders pflegebedürftige Bewohnerinnen und Bewohner betroffen waren, die „nicht mehr selbst äußerungsfähig waren, die nicht mehr selbst um Hilfe rufen konnten, die niemandem davon erzählen konnten“. Er versprach ebenfalls volle Transparenz: „Wir wollen eine lückenlose Aufklärung.“

Laut Christin Zwittnig, Sprecher des Pflegeheimes im Bezirk St. Pölten, geht es nun darum, das Vertrauen der Bewohner der Einrichtung und deren Angehöriger aufrechtzuerhalten. In dem Heim seien insgesamt 90 Personen in der Pflege tätig. Vier seien entlassen worden, bestätigte der Sprecher. Es gebe „triftige Gründe“, sagte er. Auch er betonte, dass man mit dem Fall „transparent umgehen“ wolle. In dem seit mehr als hundert Jahren bestehenden Heim gibt es dem Sprecher zufolge 114 Betten.