Semmering erinnert sich an Skisprung-Spektakel

Was am Semmering heute die Ski-Weltcup-Rennen sind, war früher das Skispringen. Tausende Besucher strömten zu den Bewerben auf der Liechtensteinschanze. 1967 - vor 50 Jahren - erlebte die Schanze jedoch ihren letzten Höhepunkt.

Das Internationale Springen im Jänner 1967 sollte der bislang letzte große Sprungbewerb am Semmering gewesen sein. Heute braucht es schon etwas Fantasie, um im Wald zumindest den Verlauf der ehemaligen großen Liechtensteinschanze zu erkennen. Für den 84-jährigen Fred Krenosz ist es jedoch so, als wären die Sprungbewerbe erst gestern gewesen. Der gebürtige Semmeringer ist in jungen Jahren selbst auf dem Zitterbalken gesessen. „Das war natürlich ein mulmiges Gefühl, aber wenn man einmal losgefahren ist, hat man sich ohnehin nur mehr auf den Absprung konzentriert.“

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Skispringen auf dem Semmering

Auf der Liechtensteinschanze fanden große internationale Springen statt, zu denen tausende Besucher auf den Semmering strömten.

Schanze nach Krieg wiederaufgebaut

Die große Liechtensteinschanze wurde laut Aufzeichnungen des Wintersportvereins Semmering um 1920 errichtet. In den Kriegsjahren litt sie durch Vernachlässigung, Gesteinsmaterial zerstörte etwa den Auslauf. Nach dem Krieg wurde die Schanze in mühevoller Arbeit wieder auf Vordermann gebracht.

Fred Krenosz und sein mittlerweile verstorbener Zwillingsbruder beteiligten sich an den Arbeiten. Denn jeder, der mindestens 20 Arbeitsstunden leistete, durfte danach auch auf der Schanze springen. „Das war alles Handarbeit. Die Tischler und Zimmer haben den Absprungturm und die Rampe gebaut, wir haben mit Hacken und Krampe gearbeitet und das Material mit Scheibtruhen rausgebracht“, erinnert sich Krenosz.

Skispringen Semmering

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Fred Krenosz

Skisprung-Elite zu Gast am Semmering

Die mühsame Arbeit machte sich letztlich bezahlt. Der Semmering wurde zum Austragungsort für große internationale Bewerbe. „Nach der Vierschanzen-Tournee wurden die weltbesten Springer mit einem Reisebus von Bischofshofen hier auf den Semmering geholt. Da war die Weltklasse dabei, die Tschechen, Russen und Polen - das war jedes Jahr ein unglaubliches Spektakel“, sagt Krenosz. Tausende Besucher strömten zu den Sprungbewerben auf den Semmering und bekamen unter anderem den legendären Sepp „Bubi“ Bradl zu sehen.

Das letzte Internationale Springen 1967 entschied Reinhold Bachler für sich. Danach wurde die Schanze mit ihrem K-Punkt von 80 Metern zu klein, sie konnte mit modernen Schanzen wie etwa jener am Kulm nicht mehr mithalten, wo es auf bis zu 100 Meter ging. „Es gab dann vom Publikum nicht mehr so großes Interesse, es gab nur noch wenige Freiwillige, die helfen wollten. Es wäre ein viel zu großer Aufwand für nur ein Springen gewesen“, sagt Krenosz.

Schanze dem Verfall preisgegeben

Anstatt viel Geld zu investieren, entschied man sich daher für den anderen Weg: Auf der Liechtensteinschanze fanden nur noch kleinere Springen statt, von Jahr zu Jahr verschlechterte sich ihr Zustand. „Das ging so weit, dass wir schließlich den Anlaufturm abreißen mussten, weil es zu gefährlich war, wenn Leute im Sommer hinaufgeklettert sind“, sagt Krenosz.

Skispringen Semmering

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Der Verlauf der ehemaligen Schanze ist heute nur noch mit viel Fantasie zu erkennen

Mittlerweile ist von der aus Holz errichteten Schanze nichts mehr übrig, sie wurde komplett abgetragen. Der ehemalige Auslaufbereich und die frühere überdachte Tribüne wurden umfunktioniert. An ihrer Stelle befindet sich heute ein See, der die Schneekanonen im Skigebiet mit Wasser speist. Nur ein kleines Gedenkmarterl mit einem Skispringer erinnert heute noch an die ehemalige Liechtensteinschanze und die großen Skisprungveranstaltungen am Semmering. „Die Erinnerungen an die Liechtensteinschanze bleiben aber“, sagt der 84-jährige Krenosz. „Dort wo der See ist, schauen wir immer rauf und sagen: ‚Da sind wir runtergesprungen‘.“

Thomas Koppensteiner, noe.ORF.at