Immer mehr Menschen lehnen Staat ab

Seit 2014 sind in Niederösterreich „Staatsverweigerer“ aktiv, die die Republik Österreich nicht anerkennen wollen. Die Szene ist seither stetig gewachsen. Mehrere Prozesse könnten nun aber für eine Trendwende sorgen.

Die „Staatsverweigerer“ lehnen die Obrigkeit des Staates und seines Systems kategorisch ab. Behördenstrafen werden nicht bezahlt, stattdessen werden Beamte und Politiker namentlich mit Klagen und Millionenforderungen konfrontiert. In Niederösterreich ist diese Szene besonders stark ausgeprägt - mehr dazu in Zahl der „Staatsverweigerer“ steigt (noe.ORF.at; 30.1.2017).

Staatsverweigerer

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Hollenbach im nördlichen Waldviertel gilt als „Staatsverweigerer“-Hochburg

Immer mehr „Staatsverweigerer“ vor Gericht

In Hollenbach (Bezirk Waidhofen an der Thaya) traten die „Staatsverweigerer“ im Juli 2014 erstmals öffentlich auf. Einer Sachwalterin sollte damals eine Art Prozess gemacht werden. Neun der damals Beteiligten stehen Mitte März in Krems nun selbst vor Gericht. Schon Ende Jänner wurde in Krems ein „Staatsverweigerer“ zu einer teilbedingten Haft verurteilt, ebenso wie ein weiterer im Februar in St. Pölten. In den vergangenen zwei Jahren nahm die Zahl dieser Fälle immer weiter zu.

„Wir sprechen mittlerweile von ‚Papierterrorismus‘“, sagt Roland Scherscher, Leiter des Landesamts für Verfassungsschutz. Die „Staatsverweigerer“ würden laut Angaben Behörden, Gerichte, Gemeinden, Banken, aber auch Umweltverbände mit sinnlosen Schreiben zumüllen. „Diese Schreiben enthalten zum Teil auch Drohungen, die die betroffenen Arbeiter in Furcht und Schrecken versetzen und dazu bringen sollen, ihre Amtshandlung einzustellen“, so der Verfassungsschützer.

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Noe.ORF.at-Redakteur Robert Salzer (l.) im Gespräch mit Staatsanwältin Michaela Schnell und Verfassungsschützer Roland Scherscher

„Staatsverweigerer“ wollen Forderungen eintreiben

In vielen Fällen leiteten die Staatsanwaltschaften bereits Ermittlungsverfahren gegen „Staatsverweigerer“ ein. „Strafrechtlich relevant wurde es für uns in dem Moment, als man gesehen hat, dass versucht wurde, diese aus der Luft gegriffenen Forderungen an diese Personen auch einzutreiben“, sagt Michaela Schnell. Sie ist leitende Staatsanwältin am Landesgericht St. Pölten und hat immer wieder mit derartigen Delikten zu tun. Beliebt ist in dieser Szene laut Schnell etwa die „Malta-Masche“. Dabei handelt es sich um ein Inkassobüro in Malta, das die Forderungen der „Staatsverweigerer“ geltend machen soll.

Trotz hundertfacher Androhung gab es bisher in Österreich kein einziges konkretes Verfahren nach diesem Muster. „Tatsächlich ist nicht davon auszugehen, dass diese Klagen erfolgreich sein werden“, beruhigt Schnell. Dennoch sei jeder derartig Bedrohte gezwungen, auf die Forderungen zu reagieren. „Das kann mit erheblichem Aufwand, aber insbesondere auch mit erheblichen Kosten verbunden sein. Es besteht natürlich die Gefahr, dass die Person, die sich gegen die Klage wehrt, auf diesen Kosten sitzen bleibt.“ Das sei vor allem dann möglich, wenn man das Geld nicht bei den „Staatsverweigerern“ eintreiben könne.

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Personen wie der oberösterreichische Landespolizeidirektor wurden von den „Staatsverweigerern“ mit Schreiben zugemüllt

Vorsichtige Entwarnung möglich

Erste Trittbrettfahrer der Bewegung springen inzwischen wieder ab. Verfassungsschützer Roland Scherscher vermutet, dass das auf die Festnahmen und Verurteilungen der vergangenen Wochen zurückzuführen sein könnte. „Die Leute sagen: ‚Okay, da ist uns etwas vorgemacht worden. Das stimmt nicht, was uns da gesagt worden ist, wir haben auch mit Konsequenzen zu rechnen.‘ Man sieht das etwa daran, dass diese sogenannten Informationsveranstaltungen weniger besucht werden und vor allem daran, dass Strafen eher bezahlt werden.“

Seit dem Vorfall in Hollenbach vor zweieinhalb Jahren wuchs die Szene in Niederösterreich auf gut 250 „Staatsverweigerer“ an. Ob der Höhepunkt tatsächlich überschritten ist, lässt sich zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht abschätzen.

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