Verunsicherung wegen Sonderschul-Diskussion

Die geplante Bildungsreform von Bildungssministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ) sorgt an den Sonderschulen für Aufregung. Eltern und Lehrer fürchten, dass dieser Schultyp abgeschafft werden könnte.

Auch wenn der Beschluss der Bildungsreform wegen der Neuwahlen im Herbst mittlerweile fraglich ist, wird über das Thema viel diskutiert. In Niederösterreich werden derzeit 52 Prozent der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf integrativ unterrichtet, die übrigen besuchen eine Sonderschule. Hier gibt es noch „Luft nach oben“, räumt Johann Heuras, amtsführender Präsident des Landesschulrates für Niederösterreich, ein. Er kann sich eine Integrationsquote von bis zu 65 oder 70 Prozent vorstellen, sagt er im Interview mit noe.ORF.at. Eine völlige Auflösung der Sonderschulen bezeichnet er hingegen als „pädagogische Romantik“. Generell ist die Reform zur Zeit auch fraglich, da im Oktober ja eine neue Bundesregierung gewählt wird.

noe.ORF.at: Wie steht Niederösterreich diesem Plan der Bildungsministerin und der Bildungsreform gegenüber, was die mögliche Abschaffung der Sonderschulen betrifft?

Johann Heuras: Mich stört diese schwarz-weiß-Malerei. Es wird immer gefragt „Sonderschulen oder Integration“ beziehungsweise Inklusion. Die Frage ist falsch gestellt. Es geht nicht um ein oder, sondern es muss heißen Sonderschulen UND Inklusion, wir brauchen beides. Ich halte alle diese Bestrebungen, die Sonderschulen abzuschaffen, für Träumerei und pädagogische Romantik, die mit der Realität nichts zu tun hat. Es geht hier um Kinder, die besondere Bedürfnisse haben. Diese Kinder sind unterschiedlich, und daher brauchen sie auch unterschiedliche Unterstützung. Die einen brauchen Sondereinrichungen, für andere ist die Inklusion vielleicht der bessere Weg. Aber wir brauchen aus meiner Sicht beides.

noe.ORF.at: Wie könnte eine Alternative aussehen?

Heuras: Was mir vorschwebt - und das halte ich für einen ausgewogenen Weg - wären nicht sonderpädagogische Insellösungen, sondern Sonderschulen, die räumlich an Regelschulen angegliedert sind, sodass beides machbar ist. Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf können so stundenweise in der Regelschulklasse mitarbeiten. Wenn es ihnen zu viel wird und sie die Kleingruppe brauchen, ist der Wechsel in eigene sonderpädagogische Räume möglich. So könnte für jedes Kind genau das gemacht werden, was es braucht - das halte ich für sinnvoll.

noe.ORF.at: Das wäre aber auch mit massiven baulichen Veränderungen verbunden?

Heuras: Es geht darum, eine Perspektive und ein Ziel vor Augen zu haben. Dort, wo man gerade umbaut oder neu baut, sollte man versuchen, so eine Campuslösung umzusetzen, die beides möglich machen: eine sonderpädagogische Förderung in Kleingruppen, die manche Kinder brauchen, oder für manche mehr Integration. Das könnte man als Ziel oder als Vision beschreiben, dort möchte Niederösterreich hingehen, stellt euch darauf ein, dass wir langfristig diesen Weg beschreiten wollen.

noe.ORF.at: Kann man sagen, wie aktuell der Stand der Verhandlungen in der Bildungsreform ist?

Heuras: Das kann ich nicht sagen. Ich glaube, man sollte sich zunächst auf jene Dinge beschränken, die bereits fertig paktiert sind, sofern es solche gibt. Ich hoffe, dass im Zuge dieser Bildungsreform gewisse Dinge nicht beschlossen werden. Was ich für einen Fehler halten würde, ist, gewisse Dinge zu beschließen wie etwa die hundertprozentige Inklusion einzuführen. Das ist nicht im Sinne der Kinder oder der Eltern, die besondere Förderungen möchten.

Letztendlich geht es darum, was das Beste für das jeweilige Kind ist, und da könnte man es auf den Punkt bringen: Wir brauchen nicht für alle die gleiche Schule, sondern wir brauchen für jedes Kind die beste Schule, und welche das ist, hängt auch vom Kind ab."

Das Gespräch mit Johann Heuras führte Ursula Köhler, noe.ORF.at.

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