„Frischer Wind“ aus Weinviertel für Schweden

Schweden will bis zum Jahr 2040 seinen Energiebedarf zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien decken und setzt dabei auf Windkraft. „Frischer Wind“ kommt aus Wolkersdorf (Bezirk Mistelbach): Die Firma Ökoenergie baut 62 Anlagen.

Flinke Finger sind derzeit in dem kleinen Blumengeschäft in Timrå - einer Stadt vier Autostunden nördlich von Stockholm - gefragt. Die Mitarbeiterinnen binden Blumensträuße aus blauen und gelben Blumen, die Nationalfarben der Schweden. Am Freitag und Samstag feiert das Land im Norden Mittsommer, den Tag, der niemals endet. Nach Weihnachten ist es das zweitgrößte Fest in Schweden, das den Blumenhändlern ein gutes Geschäft verschafft.

Ein gutes Geschäft ist auch im Rathaus von Timrå Gesprächsthema zwischen der Bürgermeisterin der Stadt, Ewa Lindstrand, und einer Delegation aus Niederösterreich bestehend aus Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf (ÖVP), Vertretern der Ökoenergie aus Wolkersdorf und dem österreichischen Botschafter in Schweden, Arthur Winkler-Hermaden. Die behördlichen Verfahren und die Umweltverträglichkeitsprüfung sind abgeschlossen, Anfang 2017 wurde die Genehmigung für die Errichtung eines neuen Windparks in Mittelschweden - zwischen den Städten Timra und Sundsvall - erteilt.

Windpark Ökoenergie Schweden Västernorrland

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Lokalaugenschein auf dem Areal des künftigen Windparks: Mit Geschwindigkeiten von sieben bis acht Metern pro Sekunde herrschen in der Provinz Västernorrland sehr gute Windverhältnisse

Minderheiten und Rentiere als Herausforderung

„Wir haben in Wolkersdorf über Jahre hinweg schon sehr viel Know-how aufgebaut, was den Umgang mit Menschen und europäischen Richtlinien betrifft und dieses Know-how nach Schweden getragen. Wir sind sehr gut damit gefahren, dass man mit allen Leuten spricht“, sagt Ökoenergie-Geschäftsführer Richard Kalcik, der gemeinsam mit seinem Bruder Robert Kalcik für das Projekt verantwortlich ist.

In der waldreichen Gegend, in der der Windpark gebaut werden soll, leben laut Robert Kalcik nur um die 20 bis 25 Personen. Anrainerbeschwerden waren in der Planungsphase somit weniger ein Thema. Umso mehr aber war man mit Minderheitenrechten beschäftigt: In dem Gebiet züchtet das Volk der Samen Rentiere und leidet zugleich darunter, dass immer weniger Land zur Verfügung steht: „Es werden Windkraftanlagen, Gruben, Eisenbahnen und so weiter gebaut. Die Samen sind eine Minderheit, die Rechte auf diesen Gebieten hat. Wir haben daher mit ihnen zusammen den Windpark geplant, sodass es für beide Seiten okay ist“, so Robert Kalcik.

Windpark soll Strom für 200.000 Haushalte liefern

Mit 62 Windkraftanlagen wird es einer der größten Windparks in Schweden. Auch für die Ökoenergie aus Wolkersdorf ist es das bislang größte Projekt. Bislang hatte das Unternehmen insgesamt 95 Anlagen errichtet. „Es ist sicher eine großartige Leistung, ein solches Projekt im Ausland umzusetzen“, sagt Richard Kalcik. „Das zeigt, dass der frühe Zugang zu Windkraft in Niederösterreich auch in Europa etwas wert ist.“

Geplanter Baubeginn ist 2019, ein Jahr später sollen die Windräder in Betrieb genommen werden und bei optimalen Windverhältnissen alle rund 200.000 Haushalte in der schwedischen Provinz Västernorrland mit Strom versorgen. Am Ökoenergie-Firmensitz in Wolkersdorf sollen durch das Projekt zudem neue Arbeitsplätze entstehen, kündigte Richard Kalcik an. Die Ökoenergie rechnet mit einer Investitionssumme von 350 Millionen Euro.

Windpark Ökoenergie Schweden Västernorrland

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Der geplante Windpark erstreckt sich über eine Fläche von 44 Quadratkilometern

Neue Kooperation mit Västernorrland

Niederösterreich und die Provinz Västernorrland wollen sich in Energiefragen auch künftig austauschen. Dazu wurde ein „Letter of intent“, ein Kooperationsvertrag, unterzeichnet. „Niederösterreich ist sehr gut im Bereich von neuen Technologien, wir sind sehr gut in anderen Bereichen. Wenn wir Informationen austauschen, können wir gemeinsam besser sein“, sagt der Landeshauptmann von Västernorrland, Gunnar Holmgren. „Es gibt eine gute Kooperation zwischen unseren Ländern auf nationaler Ebene, das brauchen wir auch auf regionaler Ebene. Die regionale Ebene ist am wichtigsten, denn hier werden die konkreten Projekte umgesetzt.“

Niederösterreichs Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf verwies auf die Zusammenarbeit mit mehreren internationalen Regionen: Kalifornien, Baden-Württemberg und nun auch Västernorrland. „Wir wollen hier ein Signal für erneuerbare Energie und gegen die Atomkraft setzen. Ich glaube, wir sind auf einem guten Weg. Das Wesentliche ist, dass diese 200.000 Haushalte in Schweden, die in Zukunft mit Windenergie und Know-how aus Niederösterreich versorgt werden, die Atomkraft verdrängen.“

Windpark Ökoenergie Schweden Västernorrland

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Niederösterreichs LH-Stv. Stephan Pernkopf und der Landeshauptmann der Provinz Västernörrland, Gunnar Holmgren unterzeichneten einen „Letter of intent“

Der Anteil von Atomstrom am Energiebedarf liegt in Schweden nach wie vor bei 40 Prozent. Um den Umstieg auf erneuerbare Energien bis 2040 zu schaffen, wartet somit noch viel Arbeit. Zunächst kehrt im ohnehin sehr ruhigen Mittelschweden aber noch mehr Ruhe ein: Rund um das Mittsommerfest packen viele Menschen hier ihre Koffer und gönnen sich ein paar Tage Auszeit.

Thomas Koppensteiner, noe.ORF.at