Zuckermarkt vor dem Umbruch

Auf dem europäischen Zuckermarkt bleibt ab Ende September kaum ein Stein auf dem anderen, denn die EU-Quotenregelung läuft aus. Die Agrana, die von 6.500 heimischen Rübenbauern beliefert wird, rechnet kurzfristig mit deutlich niedrigeren Preisen.

Bisher mussten Zuckerproduzenten ihren zuliefernden Landwirten laut EU-Recht pro Tonne Zuckerrüben einen gewissen Mindestpreis zahlen. Das wird ab 1. Oktober nicht mehr der Fall sein. Gleichzeitig endet die derzeit gültige Quotenregelung, die besagt, dass 85 Prozent des Zuckers aus europäischer Produktion stammen müssen, und schreibt zusätzlich eine europaweite Produktionsobergrenze von 13,5 Millionen Tonnen pro Jahr fest. Mit dem Ende dieser Regelung fällt nach der Milchquote auch der letzte Schutzmechanismus in der Agrarpolitik der Europäischen Union.

Die Liberalisierung des Zuckermarkts soll den EU-internen Wettbewerb deutlich stärken und so den Konsumenten die bestmöglichen Preise bieten. Langfristig sollten Zuckerhersteller in der Lage sein, „auch bei niedrigeren Preisen zu überleben“, heißt es aus Kommissionskreisen.

Zuckerrüben aus dem Marchfeld Raasdorf

ORF/Reinhard Linke

Besonders betroffen ist jedenfalls der heimische Zucker-, Stärke- und Fruchtkonzern Agrana, der in diesem Sektor in Niederösterreich Standorte in Tulln und Leopoldsdorf (Bezirk Gänserndorf) betreibt. Die Agrana hat Verträge mit etwa 6.500 heimischen Rübenbauern abgeschlossen, zwei Drittel davon kommen aus Niederösterreich. Im vergangenen Geschäftsjahr wurde etwa eine halbe Million Tonnen Zucker aus 3,4 Millionen Tonnen Zuckerrüben hergestellt - mehr dazu in Agrana mit kräftigem Umsatzplus (noe.ORF.at; 12.5.2017).

Kurzfristig größerer Preisdruck erwartet

Im neuen Zuckerwirtschaftsjahr, das im Oktober beginnt, rechnet man bei der Agrana jedenfalls zumindest kurzfristig mit einem deutlich größeren Preisdruck, „denn das ist immer so, wenn ein Markt liberalisiert wird. Alle Player versuchen, sich positiv am vorhandenen Markt zu positionieren“. Vergleiche mit dem Ende der Milchquoten, als heimische Milchbauern aufgrund des extremen Preisverfalls auf die Straßen gingen, seien aber kaum möglich. Die beiden Produkte seien schließlich sehr unterschiedlich, etwa in Bezug auf die Lagerfähigkeit, aber auch was den generellen Aufbau der Industrien betrifft.

In Vorbereitung auf den Umbruch auf dem Zuckermarkt hat die Agrana im Jänner 2017 eine neue Vereinbarung mit ihren Vertragsbauern abgeschlossen. Diese sieht vor, dass der Konzern den Landwirten statt wie bisher 350.000 Tonnen Zuckerrüben 400.000 Tonnen pro Saison fix abnimmt, und legt auch grob die neue Preisgestaltung fest. Diese Vereinbarung sei jedenfalls aufgrund des Wegfalls der Mindestpreise deutlich flexibler als die vorherige, heißt es bei der Arana. Damit könne man besser auf die Schwankungen auf dem Markt reagieren - und damit auch Preise unter dem derzeitigen Mindestpreis zahlen.

Agrana will Modelle, die „für beide Seiten fair sind“

Konkretes zu den künftigen Erzeugerpreisen will man bei der Agrana nicht verraten, nur so viel: „Wir sind an langfristigen Partnerschaften mit den Rübenbauern interessiert und wollen Modelle, die für beide Seiten fair sind.“ Das bedeute, dass man im Fall eines radikalen Preisverfalls den eigenen Vertragsbauern über einen gewissen Zeitraum auch Preise über dem allgemeinen Niveau des Zuckermarkts zahlen werde. Schließlich könne ein Bauer bei einer längeren Durststrecke relativ einfach auf andere Feldfrüchte ausweichen, heißt es.

Seitens der heimischen Rübenbauern war niemand für eine Stellungnahme zu erreichen. Beim Abschluss der neuen Verträge im Jänner hatte sich Ernst Karpfinger, Präsident der Österreichischen Zuckerrübenverwertungsgenossenschaft (ÖZVG), jedoch weitgehend positiv geäußert. Es sei gut, dass man weiter auf eine Vertragswirtschaft setze, so werde man nicht aus dem Geschäft gedrängt, sagte Karpfinger damals. Wichtig sei jedenfalls, dass unabhängig von der Marktsituation die vereinbarte Mindestmenge garantiert abgenommen werde.

Liberalisierung bietet auch Chancen

Bei der Agrana betrachtet man die anstehenden Veränderungen gleichzeitig auch als Chance. So will man die eigene Marktposition stärken und neue Märkte erschließen. Eine Akquisition läuft momentan etwa in Serbien, wo der österreichische Konzern den Zuckerproduzenten Sunoko übernehmen will. Die endgültigen Bewilligungen für diesen Zukauf stehen allerdings nach wie vor aus - mehr dazu in Agrana will serbische Zuckerfirma übernehmen (noe.ORF.at; 30.6.2016).

Felix Novak, noe.ORF.at

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