Spitzenkandidat der ÖVP im Gespräch

Bei Chefredakteur Robert Ziegler sind diese Woche die Landesspitzenkandidaten für die Nationalratswahl zu Gast. Wolfgang Sobotka (ÖVP) sagt, die ÖVP habe noch nie „dirty campaigning“ gemacht und werde das auch nie tun.

Der 61-Jährige Wolfgang Sobotka ist ein politisches Urgestein in Niederösterreich. In den 1990er Jahren war der Geschichte- und Musiklehrer Bürgermeister von Waidhofen an der Ybbs, dann 18 Jahre lang Finanzlandesrat in Niederösterreich, sieben Jahre davon als Landeshauptmann-Stellvertreter. Im April vorigen Jahres wechselte er ins Innenministerium, wo er sich unter anderem für strengere Asylgesetze aussprach. Sobotka ist Spitzenkandidat der ÖVP in Niederösterreich.

noe.ORF.at: Herr Minister Sobotka, seit Tagen ist dieser Wahlkampf geprägt von der Affäre Silberstein, vor allem von der Facebook-Kampagne gegen Sebastian Kurz. Jetzt gibt es auch Vorwürfe, dass die ÖVP nicht viel anders gehandelt haben soll. Es gibt auch viele Beobachter, die sagen, im Grunde schadet das beiden Parteien, nämlich SPÖ und ÖVP. Sehen Sie das auch so?

Wolfgang Sobotka: Ich glaube, hier kann eine Opfer-Täter-Umkehrung nicht stattfinden. Silberstein arbeitet seit geraumen Zeiten, wie er zugegeben hat, für die SPÖ. In Niederösterreich kennen wir das Spiel des schmutzigen Kampagnenführens des Herrn Silberstein, denken Sie nur an Doktor Erwin Pröll, was man dem alles in dieser Form angetan hat.

Es ist dasselbe Spiel: Man baut es lange auf und am Schluss platzt dann noch die Bombe, dass man in irgendeiner Form auch noch persönlich involviert wäre. Wir haben einen absoluten Tiefpunkt erreicht, und das Traurige ist, dass alle politischen Parteien darunter leiden, weil der Hörer oder der Seher es oftmals nicht mehr unterscheiden kann und man sie dann alle in einen Topf wirft. Aber ich glaube, dass gerade Sebastian Kurz mit einem neuen Stil angetreten ist. Wir greifen nicht an, aber wir lassen uns auch nicht alles gefallen. Also das, was jetzt passiert ist, überschreitet jede Grenze.

Spitzenkandidat Sobotka

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ORF-NÖ-Chefredakteur Robert Ziegler (l.) und der Spitzenkandidat der ÖVP in Niederösterreich für die Nationalratswahl, Wolfgang Sobotka (r.)

noe.ORF.at: Machen wir es noch einmal konkret: Es gibt jetzt Vorwürfe, dass auch die ÖVP mit unsauberen Methoden gerarbeitet haben soll. Können Sie das mit dem, was Sie wissen, ausschließen?

Sobotka: Das schließe ich aus. Die ÖVP hat noch nie „dirty campaigning“ gemacht und wird das auch nie tun.

noe.ORF.at: Kommen wir zu einem Sachthema. Sie haben als Innenminister in der Flüchtlingspolitik eine sehr strikte Linie eingeschlagen. Da gibt es Stichworte wie Grenzkontrollen, auch, dass Sie im Rahmen des EU-Resettlement-Programms keine neuen Flüchtlinge aufnehmen wollen. Was bedeutet das auf lange Sicht für das Verhältnis Österreich - EU? Gerade die ÖVP ist doch eine sehr EU-freundliche Partei. Wie lange hält sie das aus?

Sobotka: Ich denke, die Europäische Union ist mehr denn je gefordert, ihre eigenen gesetzlichen Vorgaben - ihre Außengrenzen zu schützen - auch wirklich umzusetzen, da sind wir seit Jahren dahinter. Und Sebastian Kurz ist im März noch heftig kritisiert worden, wie es geheißen hat, die Mittelmeer-Route gehört geschlossen. Wir sehen: Seit es sich geändert hat - die libysche Küstenwache macht ihre Arbeit und bringt die Leute zurück - gibt es keine Toten mehr im Mittelmeer. Macron und Merkel unterstützen diese Politik des Registrierens außerhalb der europäischen Grenzen. Und das ist das Wesentliche.

noe.ORF.at: Jetzt verfolgen Sie eine Linie, die über lange Zeit ja nur die FPÖ verfolgt hat. Ist das ein Vorzeichen dafür, dass Sie jemand wären, der einer schwarz-blauen Koalition etwas abgewinnen könnte?

Sobotka: Keineswegs. Ein Innenminister muss auf der Rechtsstaatlichkeit basieren. Das ist nicht eine SPÖ-, eine ÖVP-, eine FPÖ- oder eine NEOS-Linie, das ist eine Linie, die der Verfassung geschuldet ist.

Spitzenkandidat Sobotka

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Sobotka: „Ich habe noch nie über Positionen spekuliert, das liegt nicht in meinem Ermessen, sondern in dem des ÖVP-Obmannes“

noe.ORF.at: Kommen wir zu einem Sicherheitsthema, das Niederösterreich betrifft. Da haben Sie angekündigt, dass es in Zukunft deutlich mehr Polizisten geben wird, nämlich 700 mehr unterm Strich. Die SPÖ bezweifelt das und sagt, am Ende werden es nicht so viele sein. Wie schaut es wirklich aus? Wie viele neue Polizisten werden unterm Strich nach Niederösterreich kommen?

Sobotka: Wir haben 2016 bis 2019 2.000 zusätzliche Polizisten für ganz Österreich im Plan. Natürlich kommen sie nicht von heute auf morgen, ein Polizist muss gut ausbildet sein. Die Ausbildung dauert zwei Jahre. Es ist ganz klar, dass wir nur die Besten nehmen können, die Geeignetsten, nämlich körperlich, mental, aber auch von ihrer Haltung her. Es tut jeder so, als ob man einen Polizisten so quasi aus dem Hut zaubern könnte - ganz im Gegenteil, wir wollen auch eine verlässliche Polizei. Daher braucht es auch einen entsprechenden Zeitraum. Wir werden uns den geben und das konsequent tun.

noe.ORF.at: Kommen wir zu Ihnen persönlich. Sie sind jetzt seit eineinhalb Jahren in der Bundespolitik als Innenminister tätig. Wie sehen Sie Ihre Zukunft nach dem 15. Oktober? Wollen Sie auch der neuen Bundesregierung angehören?

Sobotka: Wenn der neue Bundeskanzler, oder der neue Parteichef, mich vorschlägt, dann bin ich gerne bereit, das noch einmal zu tun.

noe.ORF.at: Er hat gesagt, Finanzminister werden Sie nicht. Wollten Sie das werden? Was ist Ihr Ziel?

Sobotka: Ich habe noch nie über Positionen spekuliert, das liegt nicht in meinem Ermessen, sondern in dem - und das hat in der ÖVP gute Tradition - des Obmannes.

noe.ORF.at: Kommen wir noch kurz zum Wahlziel für Niederösterreich. Die ÖVP ist ja da beim letzten Mal deutlich stärker gewesen als sie im Bund war. 2013 hat die ÖVP bundesweit 24 Prozent gehabt, in Niederösterreich über 30 Prozent. Was ist das Ziel für dieses Mal?

Sobotka: Dass wir Niederösterreich als sicheres Land weiterentwickeln wollen, das ist vor allem meine Absicht. Und dass wir natürlich auch Österreich verändern wollen, etwa in der Frage der sozialen Gerechtigkeit. Das niederösterreichische Modell der Mindestsicherung, das muss für Österreich gelten: Dass jemand, der noch nie eingezahlt hat, der kann nicht dieselbe soziale Unterstützung bekommen wie ein Pensionist, der schon jahrelang hier seine Zahlungen geleistet hat, oder jemand, der arbeitslos geworden ist. Wir wollen eine ganz klare Senkung der Abgabenquote. Das, was Niederösterreich vorlebt in der Frage der Bildung, auch zu tun. Und da glaube ich, dass wir gut aufgestellt sind, und ich sehe es ja auch in meinen bisherigen Begegnungen, dass da viele Leute mitziehen.

noe.ORF.at: Und das konkrete Wahlziel für den 15. Oktober, was Niederösterreich betrifft? Für Sie als Spitzenkandidat in Niederösterreich?

Sobotka: Sie kennen das. Es wäre unvernünftig, hier eine Zahl zu nennen, ich orientiere mich nicht nach Meinungsumfragen, sondern ich orientiere mich an dem, was wir jetzt zu tun haben, nämlich ordentlich wahlzukämpfen, damit wir wirklich deutlich als Erster durchs Ziel gehen.

Das Gespräch mit Wolfgang Sobotka führte Robert Ziegler, noe.ORF.at

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