Nach Suizid: Behörde weist Vorwürfe zurück

Nach dem Suizid eines elfjährigen Flüchtlings in Baden prüft die Volksanwaltschaft, ob es einen Missstand in der Verwaltung gegeben hat. Die Bezirkshauptmannschaft Baden wies am Montag jegliches Fehlverhalten der Behörde zurück.

Hilfe im Krisenfall

Berichte über (mögliche) Suizide können bei Personen, die sich in einer Krise befinden, die Situation verschlimmern. Die Psychiatrische Soforthilfe bietet unter 01/313 30 rund um die Uhr Rat und Unterstützung im Krisenfall. Die österreichweite Telefonseelsorge ist ebenfalls jederzeit unter 142 gratis zu erreichen.

Seit Februar war der Elfjährige mit seinen sechs Geschwistern in Baden untergebracht. Bei seiner Unterkunft handelt sich um ein Heim für Flüchtlinge mit erhöhtem Betreuungsbedarf, denn einer seiner Geschwister hat Trisomie 21. „Hier gibt es eine besondere Betreuung, 24 Stunden lang“, sagt der Badener Bezirkshauptmann-Stellvertreter Markus Sauer im Gespräch mit noe.ORF.at. Man habe auch zusätzliche Betreuungseinrichtungen geschaffen, etwa die sogenannte Familienhilfe-Plus. „Hier kommt Personal von extern, um diese Familie besonders zu betreuen“, so Sauer.

Paul Weiland Haus Baden

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Kritik an den Behörden wurde laut, da der 23-jährige Bruder des Buben die Obsorge für sechs Geschwister hatte und überfordert gewesen sein soll. Das heißt es etwa aus dem Umfeld der Familie. „Das Gericht hat ihm die Obsorge zugesprochen, weil es auch von unserer Seite keine Bedenken und Auffälligkeiten gegeben hat“, so Sauer. „In einer Großfamilie geht es immer etwas wilder zu als woanders, das wissen wir aus eigner Erfahrung. Wir konnten sämtliche Meldungen abklären, haben aber keine Hinweise bekommen, dass tatsächlich so eine massive Gefährdung bei den Kindern vorliegt“.

Volksanwaltschaft will Prüfverfahren einleiten

Die Volksanwaltschaft will sich damit nicht zufrieden geben und kündigte die Einleitung eines Prüfverfahrens an. „Grundsätzlich hat es der Gesetzgeber vorgesehen, dass Verwandte, Brüder oder Tanten bei diesen Familien die Obsorge übernehmen. Ob in diesem Fall der 23-Jährige tatsächlich hier in der Lage war, die Verantwortung zu übernehmen, wird letztlich das Prüfverfahren zeigen“, sagt Volksanwalt Günther Kräuter im Gespräch mit noe.ORF.at. Seit dem Vorfall leben der 23-Jährige und seine Geschwister bei Verwandten außerhalb von Baden.

Das Land wurde nun aufgefordert, innerhalb von drei Wochen Dokumente und Akten zur Obsorge des Elfjährigen zur Verfügung zu stellen. „Wir setzen eine sehr kurze Frist“, so Kräuter zur APA. Üblich seien sechs Wochen. Anhand der Akteneinsicht werde der Verlauf des Obsorge-Verfahrens geprüft. Die Frage sei, ob Verwandte in der Lage und geeignet seien, die Obsorge zu übernehmen - wenn nicht, müsste die Behörde einschreiten und die Obsorge an die Kinder- und Jugendhilfe übertragen werden.

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Hintergründe für Suizid unklar

Laut Medienberichten soll es beim Jugendamt Gefährdungsmeldungen gegeben haben, dass die Kinder nicht gut versorgt seien. „Laut Auskunft der Bezirksbehörde wurden alle Meldungen - insbesondere die den Minderjährigen mit Trisomie 21 betreffend - nach den geltenden Vorschriften der Kinder- und Jugendhilfe abgeklärt und der Familie zusätzlich zur Sonderbetreuung entsprechende Unterstützungsleistungen zur Verfügung gestellt“, hieß es dazu in einer Stellungnahme aus dem Büro des zuständigen Landesrates Franz Schnabl (SPÖ).

Der Elfjährige soll für seine sechs Geschwister unter anderem Behördengänge und das Dolmetschen erledigt haben. Die Hintergründe für den Selbstmord sind noch unklar. Der Bub verstarb vergangen Montag im Krankenhaus. Die Suizidmeldung des Elfjährigen ging am Sonntag bei der Polizei in Baden ein - mehr dazu in Elfjähriges Flüchtlingskind beging Suizid (noe.ORF.at; 17.11.2017).

Ähnlicher Fall bereits im Vorjahr

Ein Prüfverfahren hatte die Volksanwaltschaft vor einigen Monaten auch im Fall eines 18-jährigen Afghanen eingeleitet, dem die Bezirkshauptmannschaft Baden die Obsorge für seine beiden krebskranken Schwestern übertragen hatte. Der Fall sei heuer im Mai abgeschlossen worden, so Kräuter. Dem älteren Bruder, der die Obsorge innehatte, wurde nach Angaben der Volksanwaltschaft eine Sozialarbeiterin für die Verantwortung für die Behandlung der Mädchen zur Seite gestellt. Zudem sei für eine geeignete Wohnsituation gesorgt worden.