Dramatische Odyssee: Roths „Flucht ohne Ende“

Die abenteuerliche Odyssee eines ehemaligen österreichischen Oberstleutnants quer durch Europa beschrieb Joseph Roth in seinem Roman „Die Flucht ohne Ende“. Am Wochenende war die Uraufführung der Dramatisierung dieses Romans.

Der junge Regisseur und Nestroy-Preisträger Felix Hafner dramatisierte und inszenierte die Handlung für das Landestheater Niederösterreich. Die Premiere ist am Wochenende in der Theaterwerkstatt in St. Pölten sehr freundlich akklamiert worden.

Auf der Flucht aus russischer Kriegsgefangenschaft nach dem Ersten Weltkrieg gerät Franz Tunda (von Tobias Artner überzeugend als eine Art tumber Tor dargestellt) nicht nur in unterschiedlichste gesellschaftliche Systeme, sondern auch in allerlei verquere Beziehungskonstellationen. Verlobt mit der Wienerin Irene, verliebt er sich in die russische Revolutionärin Natascha, danach in die taubstumme Alja, in Baku schließlich in eine Pariserin.

Landestheater Niederösterreich Uraufführung Die Flucht ohne Ende Josef Roth

Alexi Pelekanos

„Die Flucht ohne Ende“ mit Stanislaus Dick, Tobias Artner, Michael Scherff und Josephine Bloeb (v.l.)

Alle Frauen spielt Josephine Bloeb mit wandlungsfähiger Intensität - als Französin haucht sie gar ein anlassiges Chanson wie ein Hybrid aus Jane Birkin und France Gall (Musik: Bernhard Eder). Stanislaus Dick und Michael Scherff schlüpfen ebenfalls in sehr verschiedene Rollen und erweisen sich einmal mehr als verlässliche Ensemblestützen.

Auf der Suche nach der europäischen Identität

In der Geschichte geht es nicht bloß um eine vordergründige Flüchtlingsstory und auch nicht nur um den obligaten Untergang der Monarchie: Von Europa ist die Rede und von der viel zitierten europäischen Identität und Kultur. Tunda fordert deren Definition ein und erhält keine Antwort. In diesen Passagen scheinen wir nicht mehr in den 1920er Jahren, sondern in der unmittelbaren Gegenwart angelangt.

„Die Flucht ohne Ende“

Regie: Felix Hafner, mit Tobias Artner, Josephine Bloeb, Stanislaus Dick und Michael Scherff. Landestheater Niederösterreich, Vorstellungen bis 13. März.

Die grundsätzliche Problematik, einen Roman auf die Bühne zu hieven, ohne eine rein szenische Lesung zu veranstalten, löst Hafner mit einigem Geschick. Sein Gespür für Effekte, das er unter anderem im Wiener Volkstheater bei Molieres „Der Menschenfeind“ und Nestroys „Höllenangst“ unter Beweis gestellt hat, rettet er auch in diese eher kammerspielartige Produktion. Szenenwechsel erfolgen zum Beispiel unter geräuschvollem Umherschieben der hölzernen Kästen, die das Bühnenbild von Camilla Hägebarth prägen, von der auch die in stimmigen Grautönen gehaltenen Kostüme stammen.

Und ja, die Flucht hat kein Ende. Selbst dort, wo sie zu enden scheint und Tunda sich am scheinbaren Ziel so überflüssig fühlt „wie niemand in der Welt“. Da sieht das Publikum sich schon zum Schlussapplaus veranlasst, doch geht es nochmals weiter. Vielleicht ist das die latente Botschaft des Stücks: Wir alle sind seit jeher auf einer Flucht ohne Ende, und sei es vor uns selbst und unseren Verantwortungen.

Ewald Baringer, Austria Presse Agentur

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