NS-Lied: Polizei hat Liederbücher beschlagnahmt

Die Polizei hat eine Hausdurchsuchung bei der Wr. Neustädter Burschenschaft Germania durchgeführt. Dabei wurden 19 Liederbücher sichergestellt. Die Burschenschaft gab indes bekannt, dass der Verantwortliche identifiziert worden sei.

Die Liederbücher werden nach Angaben der Staatsanwaltschaft nun von Experten des Landesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung geprüft. Wie die Staatsanwaltschaft der APA mitteilte, wurden neben 19 Liederbüchern auch zwei Ordner mit Unterlagen sichergestellt.

Die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt hatte bereits am Mittwoch bekanntgegeben, wegen des Verstoßes gegen das Verbotsgesetz gegen unbekannt zu ermitteln. Wie seit Dienstag bekannt ist, sollen in einem Lied, das in einem Liederbuch der Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt zu finden ist, Judenmord und Nazi-Regime verherrlicht werden - mehr dazu in Staatsanwaltschaft ermittelt wegen NS-Liedern (noe.ORF.at; 24.1.2018).

Verantwortlicher wurde identifiziert

Wie die Burschenschaft selbst Donnerstagfrüh gegenüber der APA bekanntgab, wurde jener Mann, der für die NS-verherrlichenden Texte in einem Liederbuch verantwortlich sein soll, suspendiert. Er sei bei einer Versammlung am Mittwochabend identifiziert worden, heißt es. „Es hat sich der Verantwortliche dann gestellt, er hat gesagt, ja er war damals hauptfederführend“, sagte der stellvertretende Obmann der Germania, Philip Wenninger, gegenüber noe.ORF.at. Die Burschenschaft betonte aber erneut, dass bei allen Liederbüchern, die sich im Besitz des Vereins befinden, die entsprechenden Liedtexte geschwärzt seien.

„Dennoch bleibt weiterhin Gegenstand der Untersuchung, warum es offensichtlich dieses vorliegende Liederbuch gibt“, heißt es. Die Burschenschaft bezeichnete die NS-Texte als „widerlich, abartig und jenseitig und lehnt jegliche Verherrlichung und Verharmlosung von Verbrechen der NS-Diktatur ab“, so Wenninger: „Die Verbindung unterstützt jede Maßnahme der Behörden, die zur Aufklärung beitragen.“

Beschuldigteneinvernahme am Freitag

Der von der Burschenschaft als Hauptverantwortlicher für ihre Neuauflage im Jahr 1997 Identifizierte soll am Freitag von der Polizei befragt werden. Laut Wenninger verfasste dieser bereits am Mittwochabend eine Stellungnahme für die Behörden. Wenningers Angaben zufolge soll bis Herbst eine Neuauflage des Buches in Angriff genommen werden, die dann auch offiziell bei der Nationalbibliothek hinterlegt werden soll. Die Neuauflage sei ohnehin schon seit Jahren geplant, so Wenninger gegenüber der APA: „Vielleicht schaffen wir eine größere Finanzierung durch die Medienberichterstattung.“

Wurden die fraglichen Lieder verwendet?

Zu prüfen wird in dem Verfahren auch sein, ob die Vorwürfe bereits verjährt sind. Denn nationalsozialistische Wiederbetätigung nach Paragraf 3g des NS-Verbotsgesetzes verjährt nach zehn Jahren, das Liederbuch wurde aber bereits 1997 veröffentlicht. Geklärt werden muss also, ob die fraglichen Lieder seither propagandistisch verwendet wurden.

Wegen der Causa war vor allem der FPÖ-Spitzenkandidat für die Landtagswahl, Udo Landbauer, in die Kritik geraten. Er war stellvertretender Vorsitzender der Burschenschaft, beteuerte in den vergangenen Tagen aber mehrmals, von den Liedtexten nichts gewusst zu haben - mehr dazu in Landbauer: „Diese Texte wurden nicht gesungen“ (noe.ORF.at; 25.1.2018).

Innenminister nahm Landbauer in Schutz

Scharfe Kritik der Opposition hat sich in der Sache auch Innenminister Herbert Kickl eingehandelt. Er hatte Landbauer am Rande eines EU-Termins in Bulgarien dafür gelobt, sich „unmissverständlich und klar“ von den Inhalten des Liederbuches distanziert zu haben und gemeint: „Ich halte es ehrlich gesagt für ziemlich ausgeschlossen, dass es Ermittlungen gegen ihn gibt.“ SPÖ, NEOS, Liste Pilz und Grüne kritisierten das als Einmischung in die Ermittlungen. „Ob gegen Landbauer ermittelt wird, hat immer noch die Staatsanwaltschaft zu entscheiden und nicht der Innenminister,“ so NEOS-Vizeklubchef Niki Scherak. Kickl fühlt sich missverstanden.

Während Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) für die Verantwortlichen des Liederbuches die „volle Härte des Gesetzes“ forderte, will die SPÖ den Nationalen Sicherheitsrat mit der Causa befassen. Man wolle vermeiden, dass in der Causa Dinge unter den Tisch gekehrt würden, begründete Klubchef Andreas Schieder den Schritt: „Wir haben ganz stark den Eindruck, dass in dieser Bundesregierung aufgrund ihrer personellen Zusammensetzung diese Dinge nicht mit aller Härte verfolgt werden.“

Offener Brief an Kurz von Uni-Professoren

In einem offenen Brief wendeten sich in der Causa zudem mehrere Universitäts-Rektoren und -Professoren an Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). „Das ist ein Aufruf zum Massenmord, der als solcher behandelt werden muss“, heißt es darin und weiter: „Beenden Sie die Zusammenarbeit mit allen, die Mitglieder rechtsextremer Burschenschaften in ihren Büros beschäftigen.“

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