Mindestsicherung: Entscheid schlägt hohe Wellen

Der Entscheid des Verfassungsgerichtshofs, die Regelung zur Mindestsicherung in Niederösterreich aufzuheben, rief am Montag viele Reaktionen hervor. ÖVP und FPÖ nahmen das Urteil zur Kenntnis, SPÖ und Grüne reagierten erfreut.

Die Bestimmungen in Niederösterreich seien „unsachlich und daher verfassungswidrig“ heißt es in der am Montag veröffentlichten Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (VfGH). Konkret geht es dabei um die Deckelung der Mindestsicherung auf 1.500 Euro pro Haushalt und die Tatsache, dass Personen, die sich innerhalb der letzten sechs Jahre weniger als fünf in Österreich aufgehalten haben, weniger Mindestsicherung beziehen. Diese Bestimmungen seien mit sofortiger Wirkung nicht mehr anzuwenden, entschied der VfGH - mehr dazu in VfGH hebt Regelung zur Mindestsicherung auf (noe.ORF.at; 12.2.2018).

ÖVP und FPÖ nehmen Entscheidung zur Kenntnis

„Die vom Verfassungsgerichtshof heute getroffene Entscheidung nehmen wir selbstverständlich zur Kenntnis“, reagierte Klaus Schneeberger, Klubobmann der ÖVP im nö. Landtag. Gleichzeitig kündigte er an, dass sich das Landesparlament mit den notwendigen Änderungen des nö. Mindestsicherungsgesetzes „so rasch wie möglich“ befassen werde. Dabei wolle man aber jedenfalls den Grundsätzen treu bleiben, „die wir mit den bisherigen Maßnahmen verfolgt haben“, betonte Schneeberger: „Wer arbeiten geht, darf nicht der Dumme sein.“

In dieselbe Kerbe schlug der designierte FPÖ-Landesrat und bisherige Klubobmann Gottfried Waldhäusl. Er betonte aber, dass es „schlagkräftige Gründe für unseren Vorstoß in Niederösterreich“ gab. Mit Verweis auf die Deckelung und die Wartefrist sagte er: "Hier haben sich in der Vergangenheit eben gravierende Ungerechtigkeiten zwischen unseren Landsleuten und den Zuwanderern, die noch keinen Cent ins Sozialsystem einbezahlt haben, ergeben. Das darf nicht wieder vorkommen, es muss definitiv einen Unterschied zwischen berufstätigen Niederösterreichern und Asylberechtigten geben!“

Die Novelle zur Mindestsicherung in Niederösterreich war im Herbst 2016 mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ sowie Abgeordneten der Liste Frank im Landtag beschlossen worden - mehr dazu in Landtag: Mindestsicherung neu beschlossen (noe.ORF.at; 17.11.2016).

SPÖ, Grüne und NEOS fühlen sich bestätigt

Die SPÖ Niederösterreich fühlte sich hingegen „in ihrer Haltung und mit ihrer Ablehnung gegen die niederösterreichische Mindestsicherungsregel“ bestätigt, sagte der designierte Landeshauptfrau-Stellvertreter Franz Schnabl am Rande einer Pressekonferenz. Der SPÖ-Landesparteivorsitzende verwies darauf, dass die Sozialdemokraten im Landtag gegen die Neuregelung gestimmt hatten. „Wir waren immer schon der Meinung, dass diese Regelung unsachlich ist und dem Gleichheitsgrundsatz widerspricht“, so Schnabl.

Auch die Grünen Niederösterreich fühlten sich in ihrer langjährigen Kritik bestätigt. „Wir haben von Anfang an die Verfassungswidrigkeit aufgezeigt“, stellte Landessprecherin Helga Krismer fest. Die Grünen hätten seit mehr als einem Jahr darauf hingewiesen, „dass die ÖVP hier ein Gesetz schlampig erstellt und beschlossen hat, die Verschärfungen existenzbedrohend sind und durch die Kürzungen der Sozialleistungen mehr Armut bei Kindern, Alleinerziehern, Familien, Senioren und Behinderten bedeutet“. Die Landesregierung sei nun aufgefordert, das Gesetz so zu „reparieren, dass einerseits die Deckelung fällt und die Existenz der Menschen gesichert bleibt“, so Krismer.

NEOS-Landessprecherin Indra Collini verwies in einer Aussendung auf ihre Forderungen im Wahlkampf: „Wir haben uns immer klar für eine bundesweite Lösung ausgesprochen. Es ist gut, dass der VfGH mit seinem Urteil Klarheit geschaffen hat. Sozialpolitik auf dem Fundament dumpfer Ausländerfeindlichkeit ist rechtlich nicht zulässig.“ Landes- und Bundesregierung seien nun aufgefordert, ein einheitliches Modell am Beispiel Vorarlbergs umzusetzen, betont man bei NEOS. Dieses gehe mit mehr Sachleistungen und einem besseren Leistungsanreiz „in die richtige Richtung“.

Auch Caritas und Diakonie begrüßen Entscheid

Erfreut reagierte man am Montag auch bei Caritas und Diakonie auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs. Laut Diakonie käme das Urteil „zur rechten Zeit“: „Das Ziel kann jetzt nur sein, eine verfassungskonforme österreichweite Mindestsicherung zu gestalten, die für alle Menschen in Notsituationen, unabhängig von ihrer Herkunft, existenzsichernd ist“, betont Michael Chalupka, Direktor der Diakonie Österreich.

Bei der Caritas hofft man nun auf eine verfassungskonforme österreichweite Mindestsicherung. Die Forderung der Caritas nach einer bundesweiten Regelung habe nun Rückenwind bekommen, und es sei auch sinnvoll, dass „für alle zwischen Bodensee und Neusiedlersee dieselben rechtlichen Rahmenbedingungen gelten sollten“, so der St. Pöltner Caritas-Sprecher Christoph Riedl-Daser, denn „Menschenwürde kann nicht gedeckelt werden.“

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