Bedingte Haftstrafe für tödlichen Messerstich

Jener 19-Jährige, der 2017 mit einem Messer seinen Vater erstochen hatte, ist am Landesgericht Korneuburg wegen fahrlässiger Tötung zu sechs Monaten bedingter Haft verurteilt worden. Er berief sich zuvor auf Notwehr.

Der 19-Jährige sei schuldig, da er fahrlässig den Tod seines Vaters herbeigeführt habe, hieß es in der Urteilsverkündung. Der Vater sei cholerisch und aufbrausend gewesen, er habe wiederholt Gewalt angewendet, so die Urteilsbegründung. Die Gewalt sei allerdings nicht so exzessiv gewesen wie von der Verteidigung dargestellt. Die Bewährungsfrist für den 19-Jährigen beträgt drei Jahre. Das Urteil ist rechtskräftig.

Es habe am 4. August 2017 eine Notwehrsituation vorgelegen, sagte Richter Rainer Klebermaß. Der in Notwehr Befindliche müsse die in Art und Maß gelindeste Abwehr wählen, der 19-Jährige hätte das heftigste Mittel gewählt. Es seien zwei gelindere Mittel zur Verfügung gestanden - entweder die bloße Drohung mit dem Messer oder auf dem Sofa im Zimmer liegende Softguns, die er als eine Art Baseballschläger verwenden hätte können.

Prozess Korneuburg Tödlicher Messerstich 19-Jähriger

ORF/Rohrhofer

Der Angeklagte beim Prozess im Landesgericht Korneuburg

„Sie werden daran zu knabbern haben, dass Sie das Leben Ihres Vaters auf dem Gewissen haben, aber Sie können weiter ein Leben in Freiheit führen“, sagte Klebermaß. Mildernd habe sich ein ordentlicher Lebenswandel, die Jugend des Angeklagten und dessen Aussage ausgewirkt. Erschwerend sei hingegen, dass es sich um eine Tat an einem Angehörigen handelte und dass diese mit Waffengewalt passierte. „Es bedarf nicht des Vollzuges der Freiheitsstrafe“, erklärte der Richter bei der Urteilsverkündung. „Das war ein einmaliges Zusammentreffen zwischen uns beiden in diesem Saal. Sie haben eine sehr gute Zukunftsprognose.“ Die Verurteilung werde in einem Leumundszeugnis nicht aufscheinen.

Verteidiger forderte Freispruch

Der Staatsanwalt hatte zuvor die Anklage wegen Körperverletzung mit tödlichem Ausgang aufrechterhalten, der Verteidiger hatte dagegen im Schlussplädoyer einen Freispruch gefordert. Mutter und Geschwister des 19-jährigen Angeklagten berichteten als Zeugen von massiven Spannungen mit dem Vater.

Der Staatsanwalt verwies im Schlussvortrag auf Widersprüche in den Aussagen."Es war sicherlich eine enorme Angst vorhanden", seiner Ansicht nach hat der Angriff des Vaters den Einsatz eines Messers aber nicht gerechtfertigt. Es sei auch die Frage der Putativnotwehr zu klären, also die irrtümliche Annahme einer Notwehrsituation. Der 19-Jährige „ist sicher niemand, den man wegsperren muss“, hielt der Staatsanwalt fest. Bei einem Schuldspruch werde mit einer milden Strafe vorzugehen sein.

Rechtsanwalt Martin Preslmayr sprach von Notwehr und plädierte auf Freispruch für seinen Mandanten: „Er ist unschuldig und hat keine Straftat begangen.“ Der Vater habe seine Familie jahrelang gequält. Der 19-Jährige habe bei dem Angriff gedacht, es sei sein letzter Tag. Der Schüler sei unbescholten, es gebe keine einzige Anzeige gegen ihn.

„Psychoterror“ und „katastrophale“ Ehe

Die Mutter des Angeklagten erzählte von „Psychoterror“ und Gewalt durch ihren Mann. Die 58-Jährige hatte am 4. August 2017 eine Rauferei im Innenhof des Hauses im Bezirk Bruck an der Leitha beobachtet, „für mich hat sich eine extreme Situation dargestellt“. Ihr Mann sei zornig und aggressiv gewesen, dann sei ihr Sohn in sein Zimmer gelaufen, der 59-Jährige habe ihn verfolgt. Daraufhin war der Landwirt herausgekommen, mit einer blutenden Brustwunde hingefallen und hatte geröchelt. „Mama, was ist passiert?“, habe ihr Sohn gefragt. Sie habe ihn aufgefordert, den Arzt zu rufen.

Die Ehe sei eine „Katastrophe“ gewesen, sie habe durch die Gewalt ihres Mannes oft Verletzungen davongetragen und sei auch von ihm angespuckt worden. „Ich habe mich nicht getraut, mich von ihm zu lösen, denn er hätte uns etwas getan.“ Für die Situation in ihrer Familie habe sie sich „geschämt“, sagte die 58-Jährige. Einmal hatte sie die Polizei gerufen, aber das Paar versöhnte sich wieder, als die Beamten im Haus waren. Der 19-Jährige sei seinem Vater immer aus dem Weg gegangen, sagte die Mutter. „Er hat nicht die Konfrontation gesucht.“

Widersprüchliche Aussagen

Der Angeklagte hatte am Tattag mit seinem jüngeren Bruder im Auftrag des Landwirts Holzbänke zusammengebaut. Der Vater habe geschimpft und sei auch körperlich angriffig gewesen, sagte der 16-Jährige als Zeuge. Der 19-Jährige habe dem 59-Jährigen vorgehalten, dass er die Mutter geschlagen habe. Sein Bruder sei ins Zimmer gelaufen, sein Vater ihm nach. Die Aussage des Zeugen am Mittwoch stand im Widerspruch zu seinen ersten Angaben: Der Jugendliche hatte damals gegenüber der Polizei gesagt, dass sein Vater als erster ins Zimmer gegangen sei, um dem Angeklagten die Softguns wegzunehmen.

Laut dem 16-Jährigen war es das erste Mal, dass der Vater seinem Bruder mit der Faust ins Gesicht schlug. Der Schüler berichtete, er habe den Schlag im gleißenden Sonnenlicht von außen durch ein Fenster gesehen. Der ältere Bruder des Beschuldigten war als Sanitäter gerufen worden, als sein Vater nach dem Stich blutend zuhause lag. Der 20-Jährige sagte über den 59-Jährigen, er habe seinen Unmut an der Familie ausgelassen: „Er war nicht zu bremsen, wenn er sauer war.“

Die Schwester des Beschuldigten erzählte, ihr Vater habe am Tag der Tat ihren Bruder laut beschimpft, er sei wütend und aggressiv gewesen, „so war er noch nie“. Die 13-Jährige erzählte unter Tränen, dass sie zuvor einmal die Küchenmesser aus Angst versteckt habe.

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