Heimschließungen: Kritik an Vorwürfen

Nach der Schließung von Jugendheimen der Therapeutischen Gemeinschaften hat diese Insolvenz angemeldet. 70 Mitarbeiter sind betroffen. Eine Sonderkommission hatte Missstände festgestellt, doch die Vorwürfe werden scharf kritisiert.

Die Frage, ob in den Heimen der Therapeutischen Gemeinschaften (TG) Kinder und Jugendliche körperlich und seelisch misshandelt wurden, beschäftigt derzeit zwei Staatsanwaltschaften. Eine vom Land Niederösterreich eingesetzte Sonderkommission hatte nicht näher genannte „gravierende Missstände“ zur Anzeige gebracht. Diese werden derzeit geprüft, sagt Erich Habitzl, Sprecher der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt, gegenüber noe.ORF.at. Danach soll entschieden werden, ob Ermittlungen eingeleitet werden. Neben der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt ermittelt auch die Staatsanwaltschaft Krems.

Studie attestierte Heimen gutes Zeugnis

Anders als die Sonderkommission hatte, wie auch der Kurier am Mittwoch berichtete, eine Studie von Expertin Silke Brigitta Gahleitner im Jahr 2016 den Heimen der Therapeutischen Gemeinschaften noch ein gutes Zeugnis ausgestellt. Im Auftrag der Therapeutischen Gemeinschaften überprüfte Gahleitner damals die Qualität in den Kinder- und Jugendwohnheimen.

Im Abschlussbericht, der noe.ORF.at vorliegt, heißt es unter anderem: „Hier sticht vor allem die positive Beziehung zum Personal hervor, also eine hohe soziale Anbindung, die die Nutzung der konkreten therapeutischen Angebote noch deutlich übersteigt.“ Demnach wurde den Heimen eine gute Qualität attestiert.

Scharfe Kritik innerhalb der SPÖ

Gleichzeitig gibt es nun bei der SPÖ parteiintern scharfe Kritik an den Ergebnissen der Sonderkommission. Diese war vom designierten Landeshauptfrau-Stellvertreter Franz Schnabl (SPÖ) ins Leben gerufen worden und stellte diverse Verfehlungen fest, die zum Schutz der Opfer bis dato allerdings nicht veröffentlicht wurden. Für Alfredo Rosenmaier, SPÖ-Klubobmann und Bürgermeister von Ebenfurth (Bezirk Wiener Neustadt), wo eines der Heime geschlossen wurde, sind die Vorwürfe unverständlich.

„Ich kann die Anschuldigungen, die seitens der Sonderkommission erhoben werden, überhaupt nicht nachvollziehen. Psychische oder physische Tyrannei ist mir niemals, nicht einmal im Ansatz aufgefallen“, erklärte Rosenmaier gegenüber noe.ORF.at. „Wenn es Verfehlungen im Bereich des Personals gibt, etwa Minderqualifizierungen, dann muss man da entsprechend handeln. Aber eine Kommission, die zu so einem Ergebnis kommt – nämlich dass es zu körperlichen und seelischen Misshandlungen der Kinder gekommen sein soll – das versteht in Ebenfurth niemand.“ Darüber hinaus sei er als Bürgermeister in Ebenfurth von der Sonderkommission weder befragt noch über etwaige Vorgänge in Kenntnis gesetzt worden.

„Studie zu früherem Zeitpunkt erstellt“

Im Büro des designierten Landeshauptfrau-Stellvertreters Franz Schnabl verweist man darauf, dass für die Behörde bei derartigen Entscheidungen das Kindeswohl im Vordergrund stehe. „Die im Raum stehende Studie wurde zu einem früheren Zeitpunkt erstellt. Bei den Untersuchungen der Sonderkommission handelt es sich um Erkenntnisse zum heutigen Zeitpunkt, auf Basis oft mehrstündiger Gespräche mit 54 Personen, sechs Besichtigungen in den Einrichtungen vor Ort und 25 Anrufen, die über die eingerichtete Hotline ankamen“, heißt es gegenüber noe.ORF.at.

Ohne auf die Kritik Rosenmaiers einzugehen, der, wie es heißt, in die Erhebungen der Sonderkommission nicht eingebunden gewesen sei, betonte man außerdem, dass für die Kinder adäquate Unterkünfte gefunden worden seien. „Wir haben Verantwortung für jene Kinder und Jugendlichen, die – aus unterschiedlichsten Gründen – leider nicht zu Hause aufwachsen können. Und dementsprechend war – auf Basis der aufgezeigten Verfehlungen und Empfehlungen zu handeln“, so die Stellungnahme aus dem Büro Schnabl.

Therapeutischen Gemeinschaften insolvent

Unterdessen brachte Hermann Radler, der Geschäftsführer und Obmann der Therapeutischen Gemeinschaften, am Mittwoch beim Landesgericht Wiener Neustadt einen Insolvenzantrag ein. 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind betroffen, vorerst werden 50 ihre Jobs verlieren. Ihre Kündigungen seien bereits ausgesprochen worden, mit Donnerstag sollen sie wirksam sein. Für die anderen gelte aufgrund von Karenzen oder Schwangerschaften ein erhöhter Kündigungsschutz.

Per Aussendung der Therapeutischen Gemeinschaften teilte Radler am Mittwochabend mit, dass man den „Zahlungsverpflichtungen nach der übereilten sofortigen Schließung der TG Einrichtungen in Niederösterreich nicht mehr nachkommen“ könne. Dies betreffe neben Personalkosten auch hohe Investitionskosten bei der Standorterrichtung, die nicht mehr rückgeführt werden könnten.

Kritik an „Nacht-und-Nebel-Aktion“

Auch Radler kritisiert die Schließungen und spricht von einer Nacht-und-Nebel-Aktion seitens der Behörden: „In den letzten Monaten wurden wir permanent überprüft und kontrolliert, wobei bis auf Kleinigkeiten keine Mängel festgestellt worden sind.“ Diese Schließungen seien deshalb „in keiner Art und Weise nachvollziehbar.“

Thomas Puchinger, noe.ORF.at

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