„Literatur im Nebel“ mit Herta Müller eröffnet

Das Festival „Literatur im Nebel“ ist am Freitagabend in Heidenreichstein (Bezirk Gmünd) eröffnet worden. Ehrengast ist die aus dem rumänischen Banat stammende deutsche Autorin und Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller.

Burgtheater-Doyenne Elisabeth Orth leitete den Lesereigen der zwölften Auflage des Festivals mit einem Ausschnitt aus „Der fremde Blick“ ein. Es folgten Passagen aus „Niederungen“ (mit Marion Mitterhammer und Fabian Krüger), „Hunger und Seide“ (mit Ruth Brauer-Kvam, Nava Ebrahimi und Martin Vischer), „Reisende auf einem Bein“ (mit Verena Altenberger und Merlin Sandmeyer) sowie „Herztier“ (mit Barbara Schnitzler) - ein Querschnitt durch frühere Arbeiten Müllers, geprägt von persönlichen Erfahrungen der Überwachung, der Unterdrückung und der Bedrohung im totalitären System.

Geprägt vom totalitären Überwachungsstaat

Die Wiederbegegnung mit ihren älteren Texten in der Heidenreichsteiner Margit-Halle war für Müller dann doch ziemlich ambivalent: „An viele hätte ich mich überhaupt nicht erinnert, weil das ziemlich weit weg ist. Manche Sachen finde ich nicht mehr so gut, die würde ich am liebsten gar nicht mehr hören“, meinte sie selbstkritisch im Gespräch mit Ernest Wichner, Schriftsteller, Übersetzer und Leiter des Literaturhauses Berlin. Auch reißt die Konfrontation mit den Erinnerungen offenbar immer wieder alte Wunden auf.

Herta Müller Literaturnobelpreisträgerin

APA/dpa-Zentralbild/Arno Burgi

Herta Müller erhielt 2009 den Nobelpreis für Literatur

Daran ändern auch kurios anmutende Anekdoten wenig: Etwa jene vom für etliche Morde verantwortlichen Securitate-Mann, der noch 2009 nach der Nobelpreisverleihung an Müller appellierte, die Hälfte des Preises dem Geheimdienst zu überlassen, dem sie doch wesentliche Inspiration verdanke. Besagter Agent ist mittlerweile Chef der größten rumänischen Versicherung, deren Eigentümer laut Müller eine österreichische Großbank ist.

Hasserfüllte Briefe und Anrufe erhalte sie bis heute, berichtete Müller, die sich auch die Abneigung der Landsmannschaft zugezogen hat. Diese sei „von Geheimdienstleuten völlig unterwandert“. Die posthume Entdeckung, dass auch der langjährige Weggefährte Oskar Pastior, der maßgeblichen Anteil am Roman „Atemschaukel“ hatte, mit der Securitate kooperiert habe, macht Müller nach wie vor zu schaffen. Hätte sie zu seinen Lebzeiten davon erfahren, hätte sie ihm die Freundschaft aufgekündigt. Nun aber halte sie Pastior „für ein Opfer, nicht für einen Täter“.

Schreiben ist „eine Sucht und eine Qual“

Das Schreiben an sich bedeute ihr „eine Sucht und eine Qual“, erklärte Müller, und die Literatur sei prinzipiell „gefräßig“. 1953 geboren, thematisierte die seit 1987 in Deutschland lebende Schriftstellerin in ihren Werken konsequent die Folgen der kommunistischen Diktatur speziell in Rumänien und verfolgt mit wachsender Sorge die politische Entwicklung in Putins Russland und anderen Ländern Osteuropas. Dass sie selbst nach ihrer Emigration wegen des Verdachts, ein rumänischer Spitzel zu sein, ins Visier des deutschen Bundesnachrichtendienstes geriet, ist in der Tat ein Treppenwitz der Zeitgeschichte.

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