Sobotka sieht EU-Ratsvorsitz als Chance

Im Juli übernimmt Österreich den EU-Ratsvorsitz. Auch in Niederösterreich werden mehrere Veranstaltungen stattfinden. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) sprach mit noe.ORF.at über das Programm und die Bedeutung.

Die Regierung gab diese Woche das Programm für den österreichischen EU-Ratsvorsitz ab 1. Juli bekannt. Sicherheit, der Kampf gegen illegale Migration und die EU-Außengrenzen werden die zentralen Themen sein. Zudem sollen die Staaten des Westbalkans an die EU herangeführt und die Digitalisierung zum Schwerpunkt werden. Außerdem stehen der Abschluss der Brexit-Verhandlungen sowie die Verhandlungen um das künftige EU-Budget an.

Sobotka zu EU Ratsvorsitz

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noe.ORF.at: „Ein Europa, das schützt“ ist das Motto der Ratspräsidentschaft. Es geht also vor allem um Sicherheit und darum, die Westbalkan-Staaten, also Serbien, Albanien und Mazedonien, an die EU heranzuführen. Was soll das für die Sicherheit in Österreich und auch Niederösterreich bringen?

Wolfgang Sobotka: Ich denke, dass für uns die Stabilität am Balkan etwas Wesentliches ist. Wenn man in der Geschichte zurückblickt, gab es immer Krisen in Europa zwischen Deutschland und Frankreich und letzten Endes in Sudosteuropa. Deutschland und Frankreich haben das nach 1945 ganz hervorragend gemacht, um eine Friedenspartnerschaft aufzubauen, die das Rückgrat der Europäischen Union ist. Ich glaube, gerade Österreich hat großes Interesse, den südosteuropäischen Raum so vor seinen Toren zu haben, dass man hier eine Perspektive in der Stabilität hat und daher die Länder an die Europäische Union heranführen muss.

noe.ORF.at: Was sagen Sie den Menschen, die Sorge haben, dass diese Annäherung auch gewisse Unsicherheiten und Kriminalität nach Österreich bringen kann?

Sobotka: Ich glaube die Grenzöffnung alleine ist es sicher nicht. Die internationale Kriminalität tritt überall auf und nur durch das Zusammenwirken der Sicherheitskräfte kann man internationale Kriminalität bekämpfen. Es ist notwendig, dass wir diese Länder an unsere Standards heranführen, insbesondere was die demokratische Struktur und die Rechtsstaatlichkeit anlangt, und dann ist es für uns, denken wir nur zurück an die 90er Jahre, ein Gewinn, wenn sich die Länder klar zu Europa bekennen. Denn anders orientiert heißt das, das ist ein Vorposten der Türkei, das ist dem Einfluss Russlands und Chinas ausgesetzt. Da braucht es von der Europäischen Union ein starkes Signal, dass diese Länder, die durchaus pro-europäisch sind, sich auch wirklich in Europa einfinden.

Sobotka zu EU Ratsvorsitz

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noe.ORF.at: Seit Jahr und Tag ist vom bürgernahen Europa die Rede, auch dieses Mal wieder. Was soll denn jetzt konkret passieren? Die meisten ärgern sich über immer mehr neue Vorschriften aus Brüssel - von den braunen Pommes Frittes bis zur Datenschutzverordnung.

Sobotka: Das Herangehen von Österreich an die Ratspräsidentschaft zeigt, dass man das massiv einfordert. Nehmen wir die Maut als Beispiel her, wo man es wieder auf einen Kommissionsvorschlag vereinheitlichen möchte, eine kilometerbezogene Maut, die für Österreich völlig undenkbar ist. Ich glaube, hier gilt es auf der einen Seite sich gegen neue Überlegungen klar zu positionieren und Haltung zu bewahren. Auf der anderen Seite geht es darum, jene Vorschriften, die überbordend sind und uns behindern, dementsprechend zurückzufahren.

noe.ORF.at: Sie sind sehr aktiv, wenn es um das Gedenkjahr 2018 geht, Stichwort Republiksgründung, NS-Anschluss. Was bringen diese Gedenken angesichts eines Europas, das da und dort auseinanderzudriften droht?

Sobotka: Es ist ganz wesentlich, denn nur wer seine Geschichte kennt und sich seiner Geschichte stellt, kann auch in der Zukunft bei Entscheidungen das Richtige tun. Ich halte vor allem die Fragen des auftretenden Rassismus und des Antisemitismus, wenn wir das mit Frankreich und Deutschland vergleichen, für eine große Herausforderung. Da hat Österreich eine große Verantwortung und dem wollen wir uns auch stellen. Das ist das eine. Das andere ist, dass wir, was die Haltung anlangt, hier ein Beispiel geben sollen, und auch bei neuem Antisemitismus, den wir durch die Migration importiert haben, ein klares Signal setzen, dass wir das nicht akzeptieren. Darum ist es gut daran zu denken, dass Leute, die bei uns Asyl bekommen, sich auch mit der Thematik des Holocaust auseinandersetzen.

Das Gespräch führte Robert Ziegler, noe.ORF.at