Jüdische Wurzeln in der Buckligen Welt

Im Zuge des Forschungsprojekts „Die jüdische Bevölkerung der Region Bucklige Welt - Wechselland“ wurde die Geschichte der Juden in 26 Gemeinden der Region ab Mitte des 19. Jahrhunderts erforscht.

2016 startete das Forschungsprojekt, das mit Unterstützung des Landes Niederösterreich und der Europäischen Union durchgeführt wurde. Ein 18-köpfiges Forschungsteam, bestehend aus vorwiegend lokal ansässigen Heimatforschern, beschäftigte sich mit Fragen wie der Herkunft und der Lebenswelt der jüdischen Bevölkerung. Dafür wurde in Archiven recherchiert und Interviews mit noch lebenden Zeitzeugen geführt.

Feiertag in Hochwolkersdorf

Chaya Flint

Mitglieder der Familie Winkler in Hochwolkersdorf (Bezirk Wr. Neustadt)

Ansässige Juden häufig als Kaufleute tätig

Jüdinnen und Juden, die sich in der Region der Buckligen Welt und des Wechsellandes niederließen, stammten zumeist aus Westungarn. Sie ließen sich nach Angaben der Forscher oft in den ländlichen Regionen nieder, wo sie als sogenannte „Landjuden“ lebten. Häufig betrieben sie als Kaufleute Gemischtwarenhandel und versorgten so die lokale Bevölkerung mit Lebensmitteln. Aber auch wohlhabende Industrielle siedelten sich in der Gegend an und bauten Unternehmen auf.

In einigen der Familiengeschichten wird auch die Heimatverbundenheit der jüdischen Einwohner deutlich. Sie trugen lokale Tracht, dienten als Soldaten im Ersten Weltkrieg oder waren Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr. Um die Jahrhundertwende kamen im Rahmen der Sommerfrische auch jüdische Gäste ins Wechselgebiet. Dieser „Zuzug jüdischer Sommerfrischler“ wurde in antisemitischen Kreisen als bedrohlich empfunden.

Josef Reininger im Ersten Weltkrieg

Alice Carmel

Der jüdische Soldat Josef Reininger mit zwei Untergebenen

„Als ob es uns nie gegeben hätte!“

Der Anschluss 1938 führte schließlich zur Verfolgung, Vertreibung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung. Beispielhaft dafür stehen die Worte des aus Hochwolkersdorf (Bezirk Wiener Neustadt) vertriebenen Kurt Winkler: „Innerhalb einer Woche waren wir weg. Vertrieben von den Ortsbewohnern, mit denen wir seit Generationen friedlich zusammengelebt haben. Und gar nichts erinnerte mehr an uns. Als ob es uns nie gegeben hätte!“

Unter den Gästen der Pressekonferenz, bei der das Projekt vorgestellt wurde, befanden sich Staatssekretärin Karoline Edtstadler (ÖVP) sowie Johann Rädler, der Bürgermeister von Bad Erlach (ÖVP). Für Edtstadler sind vor allem Zeitzeugen von großer Bedeutung, wie sie auf der Pressekonferenz sagt: „Wir sind eine der letzten Generationen, welche die Möglichkeit hat, mit Zeitzeugen zu sprechen.“ Bürgermeister Rädler sieht es als persönlichen Auftrag, die Geschichte seiner Heimatgemeinde auch von ihrer dunkelsten Seite zu zeigen.

Etwas mehr als 20 Prozent der jüdischen Bevölkerung der Buckligen Welt und des Wechsellandes haben den Holocaust überlebt. Die Ergebnisse der Forschung werden im Februar 2019 als Buch erscheinen und im Zuge der Landesausstellung im Museum für Zeitgeschichte in Bad Erlach (Bezirk Wiener Neustadt) präsentiert.

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