Schächten: Heftige Diskussion entbrannt

In der Diskussion um das Schächten gehen derzeit die Wogen hoch. Muslime und Juden befürchten, dass Abnehmer registriert werden könnten. Laut Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) werde es Registrierungen „sicher nicht geben“.

In der hitzigen Debatte über den Plan, den Zugang zu geschächtetem Fleisch strenger regeln zu wollen, meldete sich Mittwochnachmittag Landeshauptfrau Mikl-Leitner zu Wort. „Dass sich die einzelnen Abnehmer zuerst registrieren lassen müssen, das wird es in Niederösterreich sicher nicht geben“, sagte sie gegenüber noe.ORF.at. Dabei betonte sie, dass es „keine Rolle spiele, ob dieser Vorstoß nun von einem SPÖ- oder einem FPÖ-Landesrat kommt“. Es handle sich um ein besonders sensibles Thema, „da erwarte ich mir eine sachliche Diskussion und kein Zündeln“, so Mikl-Leitner.

Was versteht man unter Schächten?

Beim Schächten handelt es sich um das rituelle Schlachten von Tieren. Seinen Ursprung hat das Schächten laut Richard Potz, Professor am Institut für Rechtsphilosophie, Religions- und Kulturrecht der Universität Wien, im Judentum, später wurde es dann vom Islam übernommen.

Charakteristisch ist das Durchtrennen der Halsschlagader eines Tieres ohne vorhergehende Betäubung. Das Tier blutet in der Folge vollständig aus. Würde eine Betäubung vorgenommen werden, so würde man dem Tier - so der theologische Hintergrund - eine Verletzung zufügen, durch die das Fleisch nicht mehr koscher wäre.

Den Ausgang hatte die derzeitige Diskussion über das Schächten mit einem Schreiben genommen, das am 5. Juli von der Naturschutzabteilung des Landes Niederösterreich an die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) geschickt wurde. Darin wird erläutert, dass das Schächten von Tieren, das Juden und Moslems aus religiösen Gründen vornehmen, nur unter bestimmten Bedingungen erlaubt ist. Außerdem wird hervorgehoben, dass die religiösen Gründe nur für konkrete Personen gelten.

Empörung über Listenführung

Unter anderem wird in dem Schreiben darauf verwiesen, wie die Zugehörigkeit zu einer anerkannten Religionsgemeinschaft dargelegt werden kann, etwa durch Auszüge aus einem Mitgliederverzeichnis, durch Dokumente, aus denen die Religionszugehörigkeit zweifelsfrei hervorgeht, oder durch ähnliche vergleichbare Dokumente. Des Weiteren werden Anhaltspunkte für den Fleischbedarf pro Person gegeben, zum Beispiel für Erwachsene ca. 300 bis 450 Gramm Fleisch pro Woche.

Bei der IKG wird das so interpretiert, dass Schlachthöfe und koschere Verkaufsstellen Listen über ihre Kundschaft führen müssten. „Das wird auch so in diesem Land nicht stattfinden. Wenn es die FPÖ will, dann sollen sie es wollen, aber so wird es hier nicht gespielt. Wir leben alle sehr gerne in Österreich und wir lassen uns das nicht durch einige Leute madig machen“, sagte IKG-Präsident Oskar Deutsch im Ö1-Mittagsjournal. Er fühle sich an eine Zeit erinnert, von der er geglaubt habe, dass sie nie mehr kommen werde, spielte Deutsch offenbar auf die Judenregistrierungen unter den Nationalsozialisten an.

Enis Buzar von der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) sieht das ähnlich. „In dieser Diskussion ist meine Sorge, dass das vielleicht einer von vielen Schritten ist, die Religionsgemeinschaft einzuschränken, und das wollen wir natürlich nicht. Das will die Israelitische Kultusgemeinde nicht. Das will die Islamische Glaubensgemeinschaft nicht“, so Buzar gegenüber noe.ORF.at. Er hält die Registrierungen für „sehr problematisch“ und sieht sich ebenso wie Deutsch „an die dunkelsten Zeiten Österreichs“ erinnert.

Waldhäusl: Listenführung gibt es bereits

Gegenüber noe.ORF.at bestätigte der für den Tierschutz zuständige Landesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) am Dienstag, dass derzeit geprüft werde, ob das Schächten an den Wohnort geknüpft werden kann. Damit könnten zum Beispiel Wiener, die laut Waldhäusl Tiere in Niederösterreich schächten lassen würden, das in Zukunft nicht mehr tun - mehr dazu in Schächten: Waldhäusl will strengere Regeln (noe.ORF.at; 17.7.2018).

Die Kritik der IKG und der IGGÖ weist Waldhäusl hingegen entschieden zurück. Es gehe nicht um ein Verbot von koscherem Fleisch, außerdem gebe es die nun kritisierten Listen von Kunden schon länger. „Diese Listen werden bereits seit Jahren geführt, aber nicht von den Behörden, sondern von den Schlachthöfen, die tatsächlich den Bedarf angeben und die Personen auflisten, die hier einer Glaubensgemeinschaft angehören. Diese Auflistung erfolgt in Zusammenarbeit der Religionsgemeinschaften mit den Schlachtbetrieben.“ Den Begriff der „Registrierung“ weist der FPÖ-Landesrat zurück.

Schreiben von früherem SPÖ-Landesrat

Außerdem verweist Waldhäusl auf ein Schreiben, das bereits im September 2017 vom damals zuständigen Landesrat Maurice Androsch (SPÖ) verschickt wurde. Androsch hatte in dem Schreiben über rituelle Schlachtungen - damit ist Schlachten ohne Betäubung vor dem Blutentzug gemeint - festgehalten, dass die Prüfung zwingender religiöser Gründe immer auf den Einzelfall und eine konkrete Person bezogen erfolgen müsse. Die Information ging damals an die Veterinärabteilungen der Magistrate und die Bezirkshauptmannschaften.

Hintergrund ist, dass das Schächten in Österreich laut Tierschutzgesetz nur unter bestimmten Auflagen erlaubt ist. So muss etwa ein Tierarzt anwesend sein und das Tier sofort nach dem Schnitt betäubt werden. Zudem dürfen die Schlachtungen nur in von der Behörde dafür zugelassenen Schlachtanlagen erfolgen. Prinzipiell ist das Schlachten von Tieren ohne Betäubung aber verboten, nur bei „zwingenden religiösen Geboten oder Verboten einer gesetzlich anerkannten Religionsgemeinschaft“ ist es zulässig.

FPÖ und SPÖ kritisieren sich gegenseitig

FPÖ und SPÖ weisen einander nun gegenseitig die Schuld zu, wer Urheber des jetzigen Vorgehens beim Schächten ist. Der frühere SPÖ-Landesrat Androsch erklärte am Mittwoch in einer Aussendung, dass sein Schreiben überhaupt nichts mit dem aktuellen Plan seines FPÖ-Nachfolgers zu tun habe. Die Information habe sich ausschließlich auf Personen bezogen, die Schlachtungen durchführen. „Waldhäusl will Listen von jenen Menschen anlegen, die geschächtetes Fleisch kaufen. Meine Information an die Behörden legt ausschließlich die Regeln fest, welche Voraussetzungen Personen erfüllen müssen, die selbst Schlachtungen durchführen, und wie das Bewilligungsverfahren der zuständigen Behörde abläuft“, hielt Androsch fest.

Waldhäusl sieht das hingegen anders. „Jeder, der jetzt schreit, sollte vorher nachdenken. Wer hat das gemacht? Nicht der Waldhäusl, nicht die FPÖ, sondern ein roter Landesrat, der Waldhäusl vollzieht es“, erklärte er im Ö1-Mittagsjournal. Waldhäusl betonte außerdem, dass die beiden Glaubensgemeinschaften - die IKG und die IGGÖ - mit der gewählten Vorgangsweise bereits gut gelebt hätten. Diese sei auch vom Verwaltungsgerichtshof bestätigt worden. „Ich mache meine Arbeit, und die anderen sollten vielleicht ein bisschen mehr lesen und nachdenken“, so der FPÖ-Landesrat.

ÖVP-Klubobmann Klaus Schneeberger sprach zuletzt von einer heiklen Situation. „Wir arbeiten an einer praxisnahen Lösung, und ich wäre jetzt überfordert, Ihnen zu sagen, wie die Lösung aussieht. Die Sensibilität der Thematik macht es so schwierig“, so Schneeberger. Grundsätzlich sei es so, dass der Tierschutz eine Bundesagenda ist und das Land nur basierend auf dem Tierschutzgesetz Erlässe durchführen kann. Man hoffe, dass man in den nächsten Wochen eine Regelung vorlegen kann, führte der ÖVP-Klubobmann aus.

Links: