Eumig: Aufstieg und Fall einer Firma

Die aktuelle Ausstellung im Eumig-Museum in Wiener Neudorf (Bezirk Mödling) zeichnet die Firmengeschichte nach: Vom Weltmarktführer bis zur Pleite 1981. 3.000 Angestellte verloren ihre Jobs, ein Konkurs mit politischer Dimension.

Wer auf der Südautobahn von Wien Richtung Graz unterwegs ist, kann in Wiener Neudorf kaum die riesige Werbefläche auf einem Hochhaus in schlichter Quaderform übersehen. Dieses Gebäude war bis vor kurzem noch Sitz der Firma Palmers, doch davor war es die Unternehmenszentrale von Eumig. Die Straße zu diesem Hochhaus heißt heute noch Eumigweg.

Eumig Hochhaus

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Das Eumig-Hochhaus in Wiener Neudorf, 1980

Der Konkurs der Firma Eumig im Jahr 1981, bei dem mehr als 3.000 Angestellte ihre Arbeitsplätze verloren, hatte nicht nur wirtschaftliche Folgen. Es war der erste große Unternehmenskollaps in der politischen Nähe der Bundesregierung, weil die damals verstaatlichte Länderbank den Konkurs mitzuverantworten hatte. Die Bank hatte das Unternehmen übernommen und vergeblich versucht, Eumig zu sanieren.

1980 glaubte man noch an eine Rettung

In einem ORF-„Wochenschau“-Bericht aus dem Jahr 1980 werden die Sanierungspläne geschildert. Ein Jahr später folgt der Konkurs.

Die politische Opposition im Parlament, ÖVP und FPÖ, sah ihre Chance, Bundeskanzler Bruno Kreisky (SPÖ) zu Fall zu bringen und sprach von einem Skandal. Der Länderbank-Vorstand musste gehen, Kanzler Kreisky kehrte aus dem Urlaub vorzeitig zurück und berief einen Krisengipfel ein. Mit dabei waren unter anderem die Landeshauptleute der Steiermark und Niederösterreich, Andreas Maurer und Josef Krainer junior (beide ÖVP), verschiedene Minister und die neuen Bankmanager. Es wurde beschlossen, das Unternehmen nicht mehr fortzuführen.

Krisensitzung im Bundeskanzleramt

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Krisensitzung im Bundeskanzleramt in Wien, 1981

Eumig, der Marktführer bei Amateur-Filmkameras

Dabei begann alles mit einem stetigen Aufstieg des Unternehmens. 1919 wurde die Firma als „Elektrizitäts- und Metallwaren-Industrie Gesellschaft“ (EUMIG) durch Alois Handler und Karl Vockenhuber gegründet. 1924 begann man mit der Entwicklung von Rundfunkgeräten. Diese Produktion lief bis 1962.

In sehr vielen österreichischen Haushalten sorgten Radiogeräte und HiFi-Anlagen von Eumig für den guten Ton. Ab 1931 gab es auch Filmprojektoren in der Produktpalette des Unternehmens. Dazu kamen wenig später Film-Handkameras für den Amateurbereich, sogar eine Unterwasserkamera wurde entwickelt.

Royaler Staatsbesuch bei Eumig 1969

Gemeinsam mit Landeshauptmann Andreas Maurer besucht Prinz Philip, der Gemahl der britischen Königin Elisabeth II., Eumig.

Eumig stieg zum Weltmarktführer bei Filmprojektoren und Kameras für den Heimgebrauch auf. Viele ausländische Staatsgäste wurden durch die Produktionshallen des Vorzeigeunternehmens geführt. Insgesamt wurden sechs Millionen Schmalfilmgeräte gefertigt. 1976 feierte man die Produktion des einmillionsten Eumig-Tonfilmprojektors. Am Höhepunkt des Unternehmens waren 7.000 Menschen bei Eumig beschäftigt. Weltweit gab es mehr als 100 Vertriebsstellen.

Soziale Vorreiterrolle der Fírma

Gerade Karl Vockenhuber, der Sohn eines der Firmengründer, war das Wohlergehen der Beschäftigten wichtig, erklärte Uschi Seemann. Sie ist Vockenhubers Tochter und Mitgründerin des Eumig-Museums in Wiener Neudorf. So wurde bereits 1956 die 40-Stunden-Woche eingeführt. Nach einem Werksarzt wurde am Beginn der 1970er Jahre auch ein Frauenarzt eingestellt. Die Integration von behinderten Personen wurde forciert. Alle Arbeiter und Arbeiterinnen wurden ins Angestelltenverhältnis übernommen.

Blick in Fertigungshalle

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Der Frauenanteil in der Fertigung war sehr hoch

Das Ende war kurz und heftig

Ein wichtiges Kriterium für den Niedergang war das Fehlen eines Controllings, so Uschi Seemann aus. Ihr Vater, ein Techniker, wäre stolz darauf gewesen, keine Bilanzen lesen zu können. Er überließ die wirtschaftlichen Belange anderen, die wohl sorglos mit der Finanzkraft des Unternehmens umgingen.

Die Ertragslage pro Kopf war nicht groß genug, die Eigenkapitaldecke sehr dünn und die Schulden zu hoch. Schließlich galt es auch Wünsche seitens der Politik zu erfüllen. So sollten in Fohnsdorf (Steiermark) auf Wunsch von Kreisky für die beschäftigungslos gewordenen Bergarbeiter Ersatzarbeitsplätze geschaffen werden. Dazu kam, dass in Österreich im Hintergrund eine starke Hochtechnologieindustrie fehlte, um den weltweit stattfindenden Innovationumbruch stemmen zu können.

Der Kampf Schmalfilm gegen Video

Am Ende der 1970er Jahre entwickelten verschiedene Konzerne Videosysteme, wobei aber lange unklar blieb, wohin die Reise geht. Welches System setzt sich durch: Video-2000 oder VHS, lautete die Frage. In dieser unsicheren Situation stornierten viele Firmen ihre Großbestellungen. Das Ende der Schmalfilmzeit schien angebrochen.

Ausstellungsstücke im Eumig Museum

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Tonfilmprojektoren im Eumig-Museum

Zudem erschwerte die von der Regierung Kreisky eingeführte sogenannte Luxussteuer den Absatz. Eumig brauchte weitere Kredite. Die Länderbank als Hausbank übernahm stattdessen um symbolische zwei Schilling die Firma mit allen Standorten und versuchte das Unternehmen zu sanieren. Die Krisenmanager scheiterten, die Bank blieb auf zwei Milliarden Schilling Schulden sitzen. Der Vorstand der Länderbank musste gehen.

Nach und nach wurden die Standorte geschlossen: In Niederösterreich waren Bad Deutsch-Altenburg (Bezirk Bruck an der Leitha) und Wiener Neudorf betroffen. Viele hochtalentierte Techniker fanden bei anderen Betrieben wie Grundig neue Arbeit, andere wurden in Mödling HTL-Lehrer oder gründeten Spezialfirmen in den Bereichen Optik oder Kameras. Ein Zusammengehörigkeitsgefühl gäbe es bis heute unter den „Eumiganern“, wie sich die ehemaligen Firmenangehörigen gerne bezeichnen. Einer der Treffpunkte ist das liebevoll zusammengestellte Museum in Wiener Neudorf.

Hannes Steindl, noe.ORF.at

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