Waltraut Haas: „Ich war nicht immer brav“

Waltraut Haas, legendäres „Mariandl“, steht ab 31. August in Weißenkirchen in Horvaths „Geschichten aus dem Wiener Wald“ auf der Bühne, vor wenigen Tagen sind ihre Erinnerungen in Buchform („Jetzt sag ich’s“) erschienen.

Beim APA-Interview in ihrer Villa in Wien-Hietzing präsentierte sich die 91-jährige Schauspielerin mit bewundernswertem Elan ebenso heiter und liebenswürdig lebhaft wie resolut. Sie gab Auskunft unter anderem über die Angst, die Sympathie des Publikums zu verlieren, über die schönste Zeit ihres Lebens und über Begegnungen mit vielen prominenten Kolleginnen und Kollegen.

Waltraut Haas 2018

APA/Hans Punz

Waltraut Haas: „Wenn man so lange in dem Beruf ist, dann kommen eben Dinge vor, und die hab’ ich halt erzählt jetzt - und jetzt sag’ ich’s“

Man sitzt auf der Terrasse, Waltraut Haas hat eine erfrischende Aperol-Bowle vorbereitet und lässt sich auch vom Fotografen nicht weiter irritieren. Nur auf ihre vorteilhaftere Seite weist sie hin, von der sie abgelichtet werden möchte. Angesprochen auf den Buchtitel, reagiert die Doyenne des österreichischen Nachkriegsfilms allerdings zunächst mit prophylaktischer Allergie: „Jetzt kommen Sie auch damit! Ununterbrochen werde ich gefragt: Was ist das, was Sie nicht sagen? Sag’ ich: Das sag’ ich auch nicht! Sie können mich tausend Mal fragen - Sie können das Buch lesen, dann werden Sie wissen, was das Geheimnis ist!“

Waltraut Haas erzählt, „was vor meiner Ehe war“

Eine Biografie wurde schon vor zehn Jahren publiziert, aber im neuen Buch - die Gespräche mit Haas wurden von der ORF-NÖ-Redakteurin Marina C. Watteck aufgezeichnet - gehe es auch darum, „was vor meiner Ehe war“, so Haas: „Ich war nicht immer ein braves Mariandl. Wenn man so lange in dem Beruf ist, dann kommen eben Dinge vor, und die hab’ ich halt erzählt jetzt - und jetzt sag’ ich’s“.

Das liebliche „Mariandl“-Image durchbricht der Langzeit-Publikumsliebling spätestens auch mit der Rolle der bösen Großmutter im Horvath-Stück in Weißenkirchen - und das verursacht durchaus einige Skrupel: „Ich hab’ auch ein bissl Angst, dass das Publikum gerade in Weißenkirchen geschockt sein wird. Ich bin halt der Liebling, wenn ich dort hinkomme: Unser Mariandl ist wieder da. Das werden sie dann vielleicht nicht mehr sagen.“

Waltraut Haas Erwin Strahl 2006

dpa/A3502 Horst Ossinger

Waltraut Haas mit ihrem 2011 verstorbenen Ehemann Erwin Strahl (2006)

Doch ihr Sohn (Marcus Strahl, Intendant der Wachaufestspiele und der Neuen Bühne Wien) habe erklärt, diese Rolle hätten alle älteren Burgschauspielerinnen gespielt. Da brauche sie sich nicht zu ängstigen, dass sie dann nicht mehr beliebt sein könnte. Auch in der Theaterfassung von „Hofrat Geiger“ hatte sie 2011 in Weißenkirchen die Großmutter verkörpert: „Das war auch eine böse Hex’, aber die war witzig! Witzig und listig. Aber ich spiel ja jetzt nicht nur solche Rollen!“

Auf die Frage, wer von den vielen prominenten Persönlichkeiten, denen Haas im Laufe der Zeit begegnet ist, am stärksten in Erinnerung geblieben ist, kommt die Antwort ohne langes Nachdenken: „Sicher natürlich die Arbeit mit meinem Mann (Anm.: Erwin Strahl, 1929-2011), mit dem ich sehr viel unterwegs war, vor allem in Deutschland. Wir haben ja damals nicht nur Filme gemacht, sondern nach der großen Filmzeit auch 30 gemeinsame Theaterproduktionen in Österreich, Deutschland und der Schweiz. ‚Es war die Lerche‘ von Kishon haben wir vielleicht 400 Mal quer durch Deutschland gespielt. Das war für mich eigentlich die schönste Zeit: Mit meinem Mann Theater zu spielen. Ich vermisse ihn sehr.“

„Ich liebe es, wenn mein Sohn Regie führt“

Nun hat der Sohn diesen Part zum Teil übernommen. Er schenke ihr auch jedes Jahr eine Schiffsreise, wie sie sie mit Erwin Strahl seinerzeit oft und gerne unternommen hat, und überlege immer, wie er sie in Weißenkirchen einsetzen könne. Wie es denn für sie sei, wenn der eigene Sohn Regie führe? „Ich bin eine ganz eine Brave“, lacht Haas, „ich liebe es, wenn er Regie führt.“ Zuletzt war das beim „Wachauer Jedermann“ der Fall. Bei Horvath inszeniert Martin Gesslbauer, für den Haas nur lobende Worte findet, Marcus Strahl spielt den Fleischhauer Oskar.

Waltraut Haas und Marcus Strahl

Wachaufestspiele Weißenkirchen

Waltraut Haas mit ihrem Sohn Marcus Strahl bei den Wachaufestspielen Weißenkirchen (2014)

Die oft gestellte, unvermeidliche Frage nach der erstaunlichen Fitness ist schnell beantwortet: „Seit meiner Jugend habe ich jeden Morgen geturnt. Fünf Minuten, nicht länger. Und dann zweimal am Tag spazieren gehen mit dem Hund. Das Positive ist eigentlich immer schon in mir drin gewesen. Ich bin dankbar, dass ich soweit gesund bin, dass ich noch einen Beruf habe, der mir viel Freude macht, und dass ich meinen Sohn hab’. Er und meine Schwiegertochter Leila kümmern sich rührend um mich.“

Bereits im Alter von fünf Jahren hatte Waltraut Haas ihren Vater verloren. Später sollte Hans Moser so etwas wie ein Vaterersatz für sie werden. Ihre Mutter, so erinnert sie sich im APA-Gespräch, habe ihm manchmal Ente zubereitet, seine Lieblingsspeise. Auch auf Palatschinken sei Moser versessen gewesen, doch hatte seine Frau ein strenges Auge darauf, dass er Diät hielt.

Peter Alexander: Freundschaft mit Anfangsproblemen

Bei Proben für eine Operette sprang ein damals völlig unbekannter Reinhardt-Seminarist für den erkrankten Franz „Zwetschi“ Marischka ein: Der junge Peter Alexander rettete die Produktion. Jahre später sollte Alexander als Leopold im „Weißen Rössl“ neben Haas reüssieren. Das Verhältnis zueinander war jedoch kühl. Eines Tages besuchte Haas einen Dreh, bei dem Alexander im Wasser gefilmt wurde, und setzte sich inzwischen auf seinen Sessel. Das missfiel dem Kollegen, der sich vor Haas aufpflanzte. „Ich hab’ ihn angelächelt, dann hab’ ich ganz laut gesagt: Is was? Der ist so z’sammg’fahren. Seit dem Moment waren wir die besten Freunde und sind es geblieben bis zum letzten Film, den wir gemacht haben. Da hatten wir beide Tränen in den Augen. Wir haben uns wirklich sehr lieb gehabt. Aber es war immer alles Kameradschaft, Freundschaft. Echte Freundschaft.“

Waltraut Haas weiß viele Anekdoten zu erzählen. Darunter auch jene von Maria Andergast („Sie war mir wie meine Mutter“), der sie in Dürnstein dereinst möglicherweise das Leben gerettet hat, als der „Mirli“ in der Besatzungszeit wegen eines Missverständnisses die Verhaftung durch sowjetische Soldaten drohte. Im letzten Moment alarmierte Haas damals im Nachthemd den Filmproduzenten, der zum Glück ein Vollmachtsschreiben der sowjetischen Kommandantur vorweisen konnte.

Ihre Lieblingsrolle? „Die Rösslwirtin! Absolut!“

Erst kürzlich sei sie wieder nach ihrer Lieblingsrolle gefragt worden, erzählt Haas. „Mariandl weniger - die Rösslwirtin! Absolut!“ Das einzig Negative am „Rössl“-Film sei gewesen, dass sie nicht singen durfte. Hilde Alexander habe gesagt: „In einem Film mit Peter Alexander singt nur einer, und das ist er.“ Auf ihren Tourneen und in TV-Shows habe sie aber alle Lieder gesungen und bewiesen, dass sie es könne.

Haas im Auto

Marchfelderhof/ Rudi Meidl

Ein rotes Cabrio... Waltraut Haas feiert stilgemäß ihren 90er (2017)

„Einer meiner besten Partner war Peter Minich“, so Haas, die auch heute noch in Fernsehproduktionen mitwirkt: „Ich hab’ jetzt die letzte Carmen-Nebel-Show gemacht. In München habe ich endlich einen neuen Leopold getroffen, nämlich den Patrick Lindner. Ein ganz toller Kollege. Mit ihm habe ich in der Show diese Lieder gesungen. Meine Stimme hat sich zum Glück kaum verändert.“

Wenn sich eine Moderatorin aber einmal im Tonfall vergreift, kann die charmante „Hasi“ ganz schön hantig werden. So wie damals, als sie bei einer nicht näher genannten TV-Show mit ironischem Unterton als „Königin des Heimatfilms“ angekündigt wurde. Mehr brauchte es nicht! Denn zu ihren Filmen steht sie nach wie vor, immerhin hätten diese vielen Menschen in schweren Zeiten Freude gebracht. Als es dann doch immer seichter wurde, hat sich Haas vom Film weitgehend verabschiedet.

„Jetzt sag ich’s“ wird am 15. Oktober präsentiert

Und zum Abschluss des Interviews folgt noch eine berührende Begebenheit („Ich glaub’, das hab’ ich noch nicht erzählt“): Als die junge Waltraut während des Zweiten Weltkrieges noch bei ihrer Mutter wohnte, die ein Restaurant in Schönbrunn führte, strickten junge Mädchen Socken und bereiteten kleine Päckchen für jene Soldaten, die als Kraftfahrer über den Grünen Berg Richtung Graz einrückten. Auch Waltraut beteiligte sich an der Aktion und schrieb auf ihr Packerl: „Kommen Sie wieder gut zurück, Ihre Trauti“. Der beschenkte Soldat schrieb ihr noch aus Russland, dann endete der Kontakt. Viele Jahre später, in einer TV-Show von Dieter Thomas Heck, kam es zum als Überraschung arrangierten Wiedersehen („Er hat so geweint...“).

Die offizielle Präsentation des im Amalthea Verlag erschienenen Buches „Jetzt sag ich’s“ soll am 15. Oktober erfolgen. „In Schönbrunn“, verrät Waltraut Hass - dort, wo alles begann und von wo aus sie ihre unvergleichliche Karriere startete.

Ewald Baringer, Austria Presse Agentur

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