Zwölf-Stunden-Tag: Pro und Contra

Am Samstag tritt nach monatelangen Diskussionen das neue Arbeitszeitgesetz in Kraft. Mitarbeiter können bis zu zwölf Stunden pro Tag arbeiten. Die Industrie freut sich über weniger Bürokratie, der ÖGB warnt vor Gesundheitsrisiken.

Am 1. September tritt das neue Arbeitszeitgesetz in Kraft. Die Unternehmen sollen damit die Arbeitszeit künftig flexibler gestalten können, um international wettbewerbsfähig zu bleiben, wurde argumentiert. Das neue Gesetz erlaubt künftig das Arbeiten von bis zu zwölf Stunden pro Tag und 60 Stunden pro Woche. Arbeitnehmer sollen aber freiwillig entscheiden können, ob Überstunden geleistet werden.

Wieser: „Gesetz kennt keine Freiwilligkeit“

„Das Gesetz kennt die Freiwilligkeit aber nicht“, kritisiert Markus Wieser, Vorsitzender des ÖGB Niederösterreich, die Reform. Das Gesetz ist für Wieser außerdem „unnötig, denn die Arbeitnehmer bringen schon jetzt hervorragende Leistungen und sind höchst flexibel.“ Durch das neue Gesetz können Mitarbeiter künftig von ihrem Arbeitgeber zu Überstunden verpflichtet werden. „Für uns geht es aber um die Gesundheit und den Arbeitnehmerschutz.“

Arbeitszeit 12 Stunden Salzer Wieser

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ÖGB-Chef Wieser und IV-Präsident Salzer diskutierten in NÖ heute über die Auswirkungen des neuen Arbeitszeitgesetzes

Während Gewerkschaft und Arbeitnehmervertreter das Gesetz von Anfang an heftig kritisierten, begrüßt die Wirtschaft die Reform. Laut Thomas Salzer, dem Präsidenten der Industriellenvereinigung Niederösterreich, würden Arbeitnehmer „sehr wohl freiwillig entscheiden“ können, ob Überstunden geleistet werden: „Es gibt jetzt schon viele Betriebe mit einer Betriebsvereinbarung, wo Überstunden freiwillig geleistet werden. Dort wurde mit den Mitarbeitern vorher überall gesprochen, ob es ihnen möglich ist.“

Salzer: „Freiwilligkeit stark verankert“

Außerdem hätten Unternehmer auch die Verpflichtung, darüber nachzudenken, ob einem Mitarbeiter Überstunden überhaupt zumutbar sind. „Deshalb glaube ich schon, dass durch die starke Verankerung der Freiwilligkeit die Mitarbeiter die Möglichkeit hätten, sich zu wehren.“ Wieser kontert: „Wir haben aber schon jetzt täglich Betroffene bei uns in der Arbeiterkammer, die sich nicht auf die Freiwilligkeit berufen können.“

Zudem gebe es gerade beim Thema Kinderbetreuung laut Wieser in einigen Regionen Nachholbedarf. „Jemand, der im Waldviertel wohnt und nach Wien pendeln muss, ist in Zukunft bis zu 16 Stunden am Tag unterwegs. Das ist eine Belastung für die Familien, die sich ihre Freizeit eigentlich selbst gestalten können müssen.“ Außerdem leide auch die Gesundheit der Mitarbeiter, wenn sie über einen längeren Zeitraum zwölf Stunden arbeiten.

Industrie 4.0 Veränderungen Jobkiller Duomet

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Bisher sind Überstunden in vielen Unternehmen über Betriebsvereinbarungen geregelt

Zwölf-Stunden-Tag ist „kein Dauerfall“

Salzer kontert, dass jeder Betrieb auch selbst ein Interesse habe, Mitarbeiter gesund zu halten: „Ausfälle kosten dem Betrieb Geld, weil ein anderer Mitarbeiter einspringen muss.“ Der Zwölf-Stunden-Tag sei zudem „kein Dauerfall“: „Das ist eine Ausnahmeregelung, die nur bei erhöhtem Arbeitsbedarf und Gleitzeit erfolgt.“ Der einzige Vorteil ist, dass die Betriebe durch einen geringeren bürokratischen Aufwand entlastet werden.

In „99,9 Prozent der Fälle“ erwartet Salzer keinen Nachteil für die Mitarbeiter: „Und für jene Fällen, wo es nicht funktioniert, gibt es Arbeitsgerichte, die ohnehin sehr oft für Arbeitnehmer und nicht für Arbeitgeber entscheiden.“ Trotz aller Zusicherungen schließt Wieser weitere Protestaktion gegen das Gesetz nicht aus.

Arbeiterkammer erstritt 68 Millionen Euro

Laut Wieser, der auch Präsident der Arbeiterkammer Niederösterreich (AKNÖ) ist, wandten sich im Vorjahr 260.000 Personen wegen Problemen im Betrieb an die AK, 68 Millionen Euro seien an ausstehenden Gehältern vor Gericht erstritten worden. „Wenn alles problemlos läuft, hätte es dieses Gesetz nicht gebraucht.“

Stefan Sailer, noe.ORF.at

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