Schau zeigt St. Pöltens Särge und Totenrituale

Kriegsgräber aus der Eisenzeit, Sparsärge aus der Zeit Josephs II. und eine Leichenkutsche – eine Ausstellung im Stadtmuseum St. Pölten beschäftigt sich derzeit mit der Bestattungskultur in und rund um die Stadt.

Wenn ein unverheirateter junger Mann verstorben ist, spielten beim Begräbnis zwei Mädchen aus seinem Bekanntenkreis die Ehefrau und die Trauerwitwe. Dabei begleiteten sie seinen Sarg in weißer beziehungsweise schwarzer Kleidung, wie auf einem Foto von einem Begräbnis in Pummersdorf Ende des 19. Jahrhunderts zu sehen ist.

Vergessene Bestattungsrituale sind Teil der Ausstellung „Verstorben, begraben und vergessen? St. Pöltner Friedhöfe erzählen“ im Stadtmuseum, die seit vergangener Woche besucht werden kann. Bis zum 3. November sind Fundstücke vom 5. Jahrtausend v. Chr. bis zum 21. Jahrhundert zu sehen. Dabei stammen alle Exponate aus dem Raum rund um die Landeshauptstadt und verdeutlichen den Wandel der Bestattungskultur in der Region.

ausstellung

Stadtmuseum St. Pölten

1927 war in St. Pölten dieses Auto für die Leichenbestattung unterwegs

So ist etwa auch ein originaler josephinischer Sarg aus der Pfarre Pottenbrunn ausgestellt. Mit einem Hebel ließ sich die Unterseite des Sarges öffnen, die Leiche fiel in das Grab und der Sarg wurde wiederverwendet. Der Sparsarg wurde 1785 von Kaiser Joseph II. eingeführt. Da es in der Region St. Pölten durch die starke Bautätigkeit in den letzten Jahren viele außergewöhnliche Funde gegeben habe, sei die Auswahl der Exponate schwer gefallen, heißt es seitens des Stadtmuseums.

„Neben den vier großen römischen Grabfeldern gibt es den vergessenen Soldatenfriedhof in der Mariazellerstraße oder den ehemaligen Barbarafriedhof beim Europaplatz“, sagt Stadtarchäologe Ronald Risy. Zwei Räume der Ausstellung widmen sich den bisherigen Ergebnissen der Ausgrabungen am Domplatz, die seit 2011 laufen St. Pölten: Domplatz-Grabungen gehen weiter (noe.ORF.at; 9.3.2018).

Jedes Grab erzählt eigene Geschichte

Jedes Grab erzähle eine Geschichte, die man anhand der Grabbeigaben rekonstruieren könne, erklärt Risy: „Wir versuchen zu ergründen, was sich die Leute dabei gedacht haben, wenn sie dem Verstorbenen eine Lanze oder ein Schmuckstück ins Grab mitgegeben haben. Daran kann man Migration ablesen oder auch soziale Hierarchie.“

Auch anhand des Wegs zum Friedhof könne man Rückschlüsse ziehen. Extra restauriert wurde etwa eine Leichenkutsche aus den 1890er-Jahren. „Früher war es gang und gäbe, dass Menschen zu Hause aufgebahrt waren. Von dort bis zum Friedhof wurde der Sarg dann mit einer Pferdekutsche transportiert“, sagt Risy.

Nina Pöchhacker, noe.orf.at

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