Kampf gegen Mobbing: Kinder helfen Kindern

Zwei von zehn Kindern sind in der Schule von Mobbing betroffen. In der Neuen Mittelschule Kilb (Bezirk Melk) werden Kinder daher zu Vertrauenspersonen ausgebildet und übernehmen Patenschaften für neue Schüler.

Wenn sich Hänseleien über einen längeren Zeitraum ziehen und mindestens zwei Mal pro Woche geschehen, beginnt in vielen Fällen das Selbstvertrauen zu leiden. In diesen Fällen sprechen Expertinnen und Experten von Mobbing. "Bei gemobbten Kindern nehmen die Konzentrationsfähigkeit und die Schullust ab. Die psychische Belastung kann so weit gehen, dass ein Kind nicht mehr in die Schule gehen möchte oder nicht mehr in die Schule gehen kann“, erklärt die leitende Schulpsychologin Andrea Richter des Landesschulrats Niederösterreich.

Offener Umgang mit Konflikten

Das beste Mittel gegen Mobbing sei laut Expertin ein gutes Schulklima und ein offener Umgang mit Konflikten. Konflikte müssten möglichst früh erkannt und dürften nicht tabuisiert werden. Dazu sei es notwendig sowohl Pädagoginnen und Pädagogen, als auch Eltern und Kinder einzubinden, so Schulpsychologin Richter.

Mobbing Schule Kinder Vertrauenspersonen

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Peer Mediatoren sind Vertrauenspersonen für andere Schüler

In der Neuen Mittelschule (NMS) in Kilb hat man es sich zum Ziel gemacht, Mobbing zu bekämpfen. Direktorin Anneliese Kerschner bildet an ihrer Schule jährlich Kinder zu sogenannten Peer-Mediatoren aus. Seither habe sie ein deutlich besseres Schulklima, ist sie überzeugt: „Ich bin mir sicher, dass wir in unserer Schule weniger Mobbingfälle haben. Oder anders gesagt: gelöste Mobbingfälle. Denn die Kinder werden für Konflikte sensibilisiert und lernen sehr früh, gut mit Problemen umzugehen. Außerdem trauen sie sich, anderen zu sagen, dass sie etwas bleiben lassen sollen.“

Neue Schüler werden begleitet

Das Konzept funktioniert so: Die speziell ausgebildeten Kinder übernehmen Patenschaften für jene Kinder, die neu an die Schule kommen und begleiten sie über den Zeitraum von einem Jahr. In wöchentlichen Treffen lernen sie gemeinsam, plaudern, erörtern Probleme und bauen Barrieren zwischen den Altersstufen ab. Darüber hinaus können sich alle anderen Kinder jederzeit mit einer Sorge an einen „Peer“ wenden. Die Peers haben für solche Fälle aus ihrer Ausbildung Methoden wie Teambildung oder gewaltfreie Kommunikation mitgenommen.

Dass es bei manchen Problemen leichter sei, sich anderen Schülerinnen und Schülern anzuvertrauen, bestätigt auch Lena Riedlingshofer. Sie ist eine von 20 ausgebildeten Peer-Mediatorinnen und –mediatoren in der NMS Kilb. „Schüler kommunizieren manchmal besser mit anderen, weil sie diese Probleme vielleicht auch selbst schon gehabt haben und außerdem mehr Vertrauen zueinander haben als zu Lehrerinnen und Lehrern“, so die Schülerin.

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Die Ausbildung habe sie deswegen interessiert, weil es alle an der Schule glücklicher mache, wenn Probleme früh erkannt und gewaltlos gelöst würden, erzählt Lena. „Es macht mich selbst auch traurig, wenn es anderen nicht gut geht. Wenn sie wieder lachen können, fühle auch ich mich wieder besser und freue mich, wenn ich helfen konnte", so Riedlingshofer. Der Andrang zur Ausbildung ist groß. Derzeit gibt es etwa 20 ausgebildete Peers in der NMS Kilb – und das, obwohl die Lehreinheiten am Freitagnachmittag und an Samstagen stattfinden.

Kinder und Pädagogen gemeinsam im Einsatz

Natürlich gebe es Grenzen, an denen pädagogisches Personal bei Problemen eingreifen muss. Etwa dann, wenn ernste Eigentumsverletzungen vorliegen oder Gewalt im Spiel ist, erklärt Direktorin Anneliese Kerschner. „Da sollen und können die Kinder die Situation nicht selbst lösen, das würde sie überfordern. Hier braucht es geschulte Lehrerinnen und Lehrer. Doch bei kleineren Problemen, die für Kinder mitunter aber schwerwiegend sein können, sind sie sich gegenseitig oft die beste Stütze“, so Kerschner.

Sobald sich ein Kind mit einem Anliegen an einen Peer wendet, vereinbaren sie einen Gesprächstermin und informieren die Direktorin. Sollte es erforderlich sein, werden sie von ihr auch für den Unterricht freigestellt, denn ohne „Bauchweh“ lernt es sich besser, ist man an der Schule überzeugt.

Veronika Berger, noe.ORF.at