Kassenreform: NÖGKK für Stärkung der Länder

Das Gesetz zur Kassenreform ist derzeit in Begutachtung und soll 2019 in Kraft treten. Die NÖGKK kritisierte am Dienstag die geplante Zentralisierung und brachte eine Stellungnahme zum Gesetz ein. Darin fordert sie die Stärkung der Länder.

„Wir erwarten, dass das Ministerium und die Politik die Stellungnahmen ernst nimmt und die Regierungsvorlage überarbeitet“, sagte Jan Pazourek, Generaldirektor der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse (NÖGKK), am Dienstag vor Journalisten. Er forderte eine Stärkung der Kompetenzen für die Landesstellen in jenen Bereichen, wo es Sinn mache - etwa bei regionalen Verträgen.

Pazourek: „Entscheidungen fallen künftig in Wien“

Gemeinsam mit NÖGKK-Obmann Gerhard Hutter sprach sich Pazourek einmal mehr gegen die geplante Kassenreform aus. „Entscheidungen für Niederösterreich fallen künftig in Wien und nicht in diesem Bundesland“, sagte Pazourek. Hutter sprach von einer „Umfärbeaktion“ bei den Gebietskrankenkassen in Richtung ÖVP und einer „Machtverschiebung“. „Die Versicherung wird in Zukunft von den Arbeitgebern bestimmt geführt“, so Hutter.

Der Obmann ortete eine „unüberlegte Aktion, um die Macht an sich zu reißen und schließlich zu sagen: ‚Wir haben ein System ruiniert, das europaweit, wenn nicht weltweit eines der besten ist‘“. Die NÖGKK rief die Landespolitik auf, aktiv zu werden, und nicht „Verschlechterungen für das niederösterreichische Gesundheitssystem einfach so hinzunehmen“.

„Die NÖGKK wird per 1. April 2019 unter Kuratel gestellt“, so Pazourek, ab 1. Jänner 2020 werde es die NÖGKK als Institution nicht mehr geben und die Österreichische Gesundheitskasse werde ihren Betrieb aufnehmen. In St. Pölten werde es eine weisungsgebundene Landesstelle Niederösterreich geben, die „keine Budget-, Personal-und Vertragshoheit“ und keine eigene Rechtspersönlichkeit haben werde.

Fusion der Kassen würde bis zu 600 Mio. Euro kosten

Das Budget der NÖGKK betrage aktuell 2,5 Milliarden Euro, ab 2020 werde man voraussichtlich nur noch für eine Summe von 35 Millionen Euro verantwortlich sein. „Wir verlieren die Zuständigkeit für über 98 Prozent des Geldes, über das wir heute verfügen“, sagte Pazourek. Weiters würden Rücklagen in Höhe von 177 Millionen Euro von Niederösterreich nach Wien wandern.

Bis 2023 werde mehr als eine Milliarde Euro aus dem Gesundheitswesen herausgenommen, auf Niederösterreich entfalle davon ein Betrag von 100 Millionen Euro. „Das ist eine effektive Kürzung“, die auch spürbar sein werde, so Pazourek. Es sei mit 500 bis 600 Millionen Euro an Fusionskosten zu rechnen. 1,5 bis 1,6 Milliarden Euro würden daher insgesamt im Gesundheitswesen fehlen.

Bei einer Verknappung von Mitteln im Gesundheitswesen „wird es schwierig, das Leistungsniveau aufrechtzuerhalten“. Zur angekündigten „Patientenmilliarde“ meinte Pazourek, dass - im Gegenteil - die Maßnahmen Mehrbelastungen in Höhe von mindestens einer Milliarde verursachen würden - „und der Versicherte sieht davon gar nichts“. Zum geplanten Aufnahmestopp, um Einsparungen zu erzielen, sagte der Generaldirektor: „Das ist eine Luftbuchung. Wenn wir 13 Jahre niemanden nachbesetzen, ist der Betrieb kaputt.“

Ländlicher Raum könnte geschwächt werden

Die NÖGKK verfüge über viele regionale Verträge mit Gesundheitsdiensteanbietern. Würden Verträge künftig zentral verhandelt, „befürchten wir, dass regionale Besonderheiten unter die Räder kommen“, so Pazourek. Weiters warnte er vor einer Verschlechterung in der Versorgung, etwa im Waldviertel, wo bei einer Anpassung an den österreichischen Durchschnitt jede vierte Kassen-Hausarztstelle wegfallen würde.

Bei Einsparungen müsste auch das Netz an 24 Service-Centern reduziert werden, hieß es. Pazourek warnte vor einer „Schwächung des ländlichen Raums“, vor längeren Anfahrtswegen und mehr Zeitverlust für Patienten. Die Reform könne auch nicht im Interesse des Landes sein, weil: „Der Nachfragedruck in die Spitäler und Ambulanzen wird größer. Gesundheitspolitisch wollen wir das Gegenteil.“

SPÖ lehnt Reform ab, ÖVP verteidigt System

Ebenfalls gegen die geplante Kassenreform sprachen sich am Dienstag die niederösterreichischen SPÖ-Landesregierungsmitglieder aus. Laut Landeshauptfrau-Stellvertreter und SPÖ-Chef Franz Schnabl ist die öffentliche Gesundheitsversorgung in Gefahr - mehr dazu in SPÖ NÖ lehnt Kassenreform ab (noe.ORF.at; 16.10.2018). ÖVP-Gesundheitssprecher Franz Dinhobl verteidigte am Dienstag die Kassenreform: „Es wird weder zu Leistungskürzungen noch zu Verschlechterungen in der Infrastruktur kommen.“

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