Landestheater ruft Europäische Republik aus

Das Landestheater Niederösterreich ist eine von 120 internationalen Kulturinstitutionen, die sich am „European Balcony project“ beteiligt. Ziel der Aktion ist es, gemeinsam am 10. November die Europäische Republik auszurufen.

120 Theater, Kulturinstitutionen, NGOs und Privatpersonen vernetzten sich für das Projekt, erklärte die Projektleiterin Verena Humer vom organisierenden European Democracy Lab. Die Idee dafür stammt von Autor Robert Menasse und der Politikwissenschafterin Ulrike Guerot, die an der Donau-Universität Krems unterrichtet.

„Die Grundidee Europas, um Jean Monnet zu zitieren, bestand darin, nicht Staaten zu integrieren, sondern Menschen zu vereinen“, heißt es in der Beschreibung des künstlerisch-politischen Projekts. Im historischen Jahr 2018, 100 Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und der Ausrufung verschiedener Republiken in ganz Europa, will sich das European Balcony Project mit einer gemeinsamen europäischen Zukunft beschäftigen. Mit dem Projekt wird ein neues, bürgerzentriertes und dezentrales Europa ohne Nationen gefordert.

Manifest wird am Rathausplatz verlesen

Hauptbestandteil des Projekts ist die Ausrufung einer „Europäischen Republik“ am 10. November um 16.00 Uhr. Mitglieder des Landestheaters Niederösterreich werden an diesem Nachmittag auf dem Rathausplatz in St. Pölten, vor dem Theater, das Manifest zur Ausrufung der Europäischen Republik verlesen.

Landestheater Balcony Project Europäische Republik

APA/HERBERT PFARRHOFER

Politikwissenschaftlerin Ulrike Guerot, Schriftsteller Robert Menasse und Projekt-Manager Verena Humer hatten die Idee für das Projekt (v.l.)

„Die europäische Union ist eine zivilisatorische Errungenschaft, die auf den Trümmern des Zweiten Weltkriegs entstanden ist. Europa ist mehr als ein Zweckbündnis und mehr als eine Wirtschaftseinheit“, so die künstlerische Leiterin des Landestheaters Niederösterreich Marie Rötzer über ihre Motivation an diesem Kunstprojekt teilzunehmen. „Europa ist eine Wertegemeinschaft. Sie steht für Demokratie und Menschenrechte, dafür lohnt es sich zu kämpfen.“

Projekt soll jährlich wiederholt werden

„Die Gretchenfrage ist heute: Wie hältst Du es mit Europa?“, sagte Ulrike Guerot. Die Rechtsgleichheit gelte in Europa bisher für Güter, Arbeiter und Kapital, aber de facto nicht für Bürger. Sie wird gemeinsam mit Menasse in Weimar die Republik ausrufen. Das Datum 10. November habe man als „Brückentag“ zwischen dem Ende des Ersten Weltkriegs und der Republikausrufungen gewählt, hieß es. Die Aktion sei auch als Anstoß im Vorfeld der nächsten EU-Wahl gedacht und soll nach Möglichkeit am 10. November jedes Jahres wiederholt werden.

Nach dem utopischen Gehalt des „European Balcony Project“ gefragt, meinte Menasse: „Wenn die Europäische Republik eine Utopie ist, dann ist sie eine sehr konkrete Utopie, viel weniger utopisch als die Idee der Gründerväter der Europäischen Union. Was damals auf die Schiene gestellt wurde, war wesentlich radikaler als heute. Was wir jetzt anbieten, ist nichts anderes als der logische nächste Schritt in der europäischen Entwicklung. Wir müssen uns entscheiden: Wollen wir die Zukunft gestalten oder die Zukunft erleiden?“

Schriftsteller Robert Menasse

APA/HERBERT PFARRHOFER

Schriftsteller Robert Menasse: „Wir müssen uns entscheiden: Wollen wir die Zukunft gestalten oder die Zukunft erleiden?“

Freie Umsetzung des Manifests in ganz Europa

Den Teilnehmer stehe es frei, wie sie diese Aktion genau umsetzen, so die Projektleiter. Es soll aber zumindest über die Thesen des Manifests diskutiert werden. In Wien werden unter anderem das Schauspielhaus, das Burgtheater, das Volkstheater, Werk X, die Kunsthalle Wien und und das Studio 77 mitmachen. Auch im Gemeindebau Liebknechthof und von einem Balkon des Bürokomplexes Rivergate in Brigittenau werde das Manifest verlesen, sagte Verena Humer. In Berlin wird das Manifest auf der Spreebrücke verlesen, in Hamburg ist eine Diskussion mit dem populären Schriftsteller Navid Kermani geplant.

Im Zentrum des Projekts stehe nicht, dass jeder mit dem Inhalt des Manifests zu 100 Prozent übereinstimmt. Vielmehr soll das Manifest zu einer breiten, gesamteuropäischen Debatte über die Zukunft der europäischen Demokratie beitragen. Das Manifest wird in mehr als 20 Sprachen übersetzt. Neben der Ausrufung der Europäischen Republik gibt es Diskussionsveranstaltungen, Theaterstücke und andere Formate, die das Manifest begleiten, betont das European Democracy Lab.

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