5. November 1918: Auf dem Weg zur Republik

Am Montag jährt sich zum hundertsten Mal die konstituierende Sitzung der Provisorischen Landesversammlung. Mit einer Festveranstaltung wird das Jubiläum am Originalschauplatz im Palais Niederösterreich in Wien begangen.

Am 5. November 1918 traf die Provisorische Landesversammlung Niederösterreichs im Landhaus in der Wiener Herrengasse zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammen, ihr gehörten 120 Mitglieder an. Dabei handelte es sich um die 88 noch lebenden Abgeordneten des letzten, 1908 gewählten Landtags sowie um die 32 aus Niederösterreich stammenden Abgeordneten des Reichsrats.

Landhaus Niederösterreich Landtag Sitzungssaal

NÖ Landtagsdirektion

Ein Ort wichtiger historischer Entscheidungen: Der Sitzungssaal im Niederösterreichischen Landhaus in der Wiener Herrengasse

Beschlossen wurde bei dieser Sitzung, die „politische Verwaltung Niederösterreichs und die Vollzugsgewalt“ zu übernehmen. Mit dem Staatsgesetz vom 14. November 1918 betreffend der Übernahme der Staatsgewalt in den Ländern wurden die provisorischen Landesversammlungen danach anerkannt. Sie erhielten in einem ersten Schritt die Befugnisse der früheren Landtage. Das Recht der Gesetzgebung brachte schließlich eine Verfassungsänderung am 14. März 1919.

Das war der 5. November 1918

Als am 5. November 1918 um die Mittagsstunde 120 Abgeordnete in das Landhaus in die Herrengasse 13 kamen, war ihnen eines klar: Die Monarchie hat keine Zukunft mehr, alle Rettungsversuche Kaiser Karls sind gescheitert, die ersten selbstständigen Staaten entstehen. „Die Tschechoslowakei war am 28. Oktober 1918 gegründet worden, die Südslawen – der spätere SHS-Staat bzw. Jugoslawien – sind bald nachgefolgt. Das heißt, die Monarchie ist in dieser Phase zerfallen“, erklärt Stefan Eminger, Leiter des Referats Zeitgeschichte im Niederösterreichischen Landesarchiv in St. Pölten.

Die Sitzung begann laut Protokoll um 12.27 Uhr. Ein bisschen Wehmut gab es noch bei den Christlich-Sozialen wegen des Endes der Monarchie, aber alle blickten in Richtung Republik, erläutert Eminger: „Man hat sich in diesen frühen Novembertagen schon irgendwie mit der neuen Republik arrangiert. Die Sozialdemokratie ist immer ganz klar für die Republik eingetreten, auch die Deutschnationalen haben sich relativ früh für die Republik entschieden."

Protokoll der Konstituierenden Sitzung der Provisorischen Landesversammlung 5. November 1918

ORF

Im Protokoll der Sitzung kann man vor allem den Willen zur Zusammenarbeit aller Parteien und eine gegenseitige Achtung feststellen

Konsensuale Grundstimmung prägte die Sitzung

„Die ganze Sitzung war von einer konsensualen Grundstimmung von Seiten der Christlichsozialen und Sozialdemokraten getragen. Erst die Redner am Ende der Sitzung sprachen dezidiert namens ihrer Parteien. Der spätere Landeshauptmann Albert Sever betonte, dass die politische Neuordnung in Niederösterreich nur auf breiter demokratischer Basis durchgeführt werden könne und auch ‚den Frauen ihre bisher vorenthaltenen Rechte gewährt werden‘ müssten“, schreibt der Historiker Helmut Wohnout in der am Montag erscheinenden Broschüre „1918.2018. 100 Jahre Provisorische Landesversammlung Niederösterreich“.

Weiter heißt es darin: „Auch Leopold Kunschak legte ein Bekenntnis zur Demokratie ab und sprach davon, ‚dass über die Geschicke eines Volkes dieses selbst zu entscheiden habe.‘ Dies entsprach in etwa der damaligen offiziellen Sprachregelung seiner Partei zur Frage der Staatsform.“ Die Sitzung im Landhaus am 5. November 1918 endete gegen 15.00 Uhr. Sieben Tage später wurde die Republik Deutschösterreich ausgerufen.

Reinhard Linke, noe.ORF.at

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