Tullner Forscher arbeiten an neuer Krebstherapie

Mehr als 5.000 Frauen in Österreich erkranken jedes Jahr an Brustkrebs. Die Therapien, die sie in Anspruch nehmen können, haben oftmals viele Nebenwirkungen. In Tulln arbeiten Forscher nun an einer völlig neuen, effizienteren Therapie.

Die Forschungsarbeit, die derzeit am Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) in Tulln passiert, könnte irgendwann einmal vielen Patientinnen mit Brustkrebs das Leben erleichtern. Das ist zumindest die Hoffnung. Noch steht man mit den Forschungen aber relativ am Anfang. Seit Jahresbeginn arbeiten hier Forscherinnen und Forscher im Rahmen eines von der EU finanzierten Forschungsprojekts, gemeinsam mit einem Konsortium aus fünf EU-Partnern aus Industrie und Wissenschaft, an einer völlig neuen Art der Brustkrebstherapie.

Weniger Nebenwirkungen durch Nanopartikel

Durch die sogenannte Brustkrebs-Nanopartikeltherapie soll es bei der Behandlung von Brustkrebs deutlich weniger Nebenwirkungen geben, die Effizienz von Chemotherapien erhöht werden sowie die Gefahr, dass Metastasen entstehen und der Krebs nach Behandlung erneut auftritt, reduziert werden.

Für all das setzen die Forscherinnen und Forscher auf das Spurenelement Selen, das bisher vor allem als Nahrungsergänzungsmittel bekannt war. „In vorklinischen Studien hat sich bereits herausgestellt, dass Selen zytotoxische Eigenschaften hat, also Zellgewebe angreift und zum Zelltod führt“, erklärt Projektleiterin Doris Ribitsch. Durch seine antioxidativen Eigenschaften kann Selen also das Fortschreiten der Krankheit hemmen und die immuneigenen Abwehrzellen des Köpers aktivieren.

Doris Ribitsch

acib

Doris Ribitsch leitet das Projekt am acib in Tulln

Damit das Selen nur dort wirkt, wo es wirken soll - nämlich im Brustgewebe -, umhüllen die Forscher dieses mit winzigen biologischen Kapseln, sogenannten Nanokapseln. „Die kann man sich wie kleine Kügelchen vorstellen, in die der Wirkstoff eingeschlossen wird“, erklärt Ribitsch. „Diese Kügelchen wirken als Vehikel, um den Wirkstoff direkt zum Zielort, dem Brustgewebe, zu transportieren und dort freizusetzen.“ Dadurch soll nur das bösartige Gewebe angegriffen werden, was für die Patientinnen enorme Vorteile hätte - vor allem, was die Nebenwirkungen betrifft.

„Wenn man den Wirkstoff gezielt durch Nanopartikel zum Krebsgewebe bringen kann und den Wirkstoff nur dort freisetzt, wo er gebraucht wird, kann man die Nebenwirkungen massiv reduzieren. Man kann auch bestehende Therapien unterstützen, sodass sie schneller und nebenwirkungsärmer stattfinden“, sagt Ribitsch. Im besten Fall sollen so auch die Entstehung von Metastasen sowie die Rückfallquote gesenkt werden.

Bis zur Anwendung ist es noch ein weiter Weg

Damit die Selenverbindungen tatsächlich nur am Tumor wirken, wenden die Forscher sogenanntes Active Drug Targeting an, bei dem die Nanokapseln mit Antikörpern versetzt werden. Diese Antikörper werden parallel zu Tulln derzeit in Spanien erforscht. Aufgabe des acib ist die Herstellung der Nanopartikel und das Erforschen der Wirkung der verschiedenen Selenverbindungen. In Schweden - dem dritten am Projekt beteiligten Land - wird die Nanopartikeltherapie an Mäusen getestet.

Forschung am acib Tulln

ORF / Sunk

Sechs Forscherinnen und Forscher arbeiten am acib in Tulln an dem Projekt

In Tulln ist man mit dem bisherigen Verlauf der Forschungsarbeit zufrieden. Man könne bereits „positive Ergebnisse“ vorweisen, sagt Ribitsch: „Wir haben bereits erste zytotoxische Studien von Selenverbindungen und können bereits eine Auswahl treffen, wie so ein Selencocktail ausschauen könnte. Das heißt, wir haben bereits erste erfolgreiche Ergebnisse, die die Zytotoxizität zeigen und die wir jetzt als vielversprechende Kandidaten in die Nanokapseln einschließen.“

In Summe läuft das Forschungsprojekt mit dem Namen Neosetac (New Selenium-based Targeted Nanocapsules to treat Breast Cancer) über vier Jahre. Das Projektvolumen beträgt mehr als 500.000 Euro und wird vom von der EU initiierten Horizon-2020-Programm unterstützt. In Österreich ist neben dem acib in Tulln auch das Austrian Drug Screening Institute (ADSI) in Innsbruck beteiligt. Bis die Nanopartikeltherapie in der Medizin Anwendung finden kann, wird es aber noch gut zehn Jahre dauern, denn ist die Forschungsarbeit abgeschlossen, folgen erst die klinischen Studien.

Katharina Sunk, noe.ORF.at

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