Frauenwahlrecht feiert 100. Geburtstag

Mit der Republikgründung und dem geebneten Weg zur Demokratie wurden im Jahr 1918 in Österreich auch Frauen zur Wahl zugelassen. Am 12. Oktober jährte sich der Beschluss zum 100. Mal und war Anlass für eine Bestandsaufnahme.

Der 12. Oktober 1918 wurde zu jenem Tag, für den Aktivistinnen sehr lange gekämpft hatten. Verankert wurde am Tag der Ausrufung der Republik der Artikel 9 des Gesetzes über die Staats- und Regierungsform, in dem das „allgemeine, gleiche, direkte und geheime Verhältniswahlrecht aller Staatsbürger ohne Unterschied des Geschlechts“ verankert wurde.

Damit war Österreich nach Finnland, Norwegen, Dänemark und Island eines der ersten Länder Europas, die Frauen und Männer bei demokratischen Wahlen gleichstellten. Frauenministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) wünscht sich mit einem Blick in die Vergangenheit eine höhere Wahlbeteiligung, wie sie bei einem Festakt im Palais Niederösterreich in Wien am Montagabend sagte: „Nicht nur Frauen, auch Männer haben lange für das Wahlrecht gekämpft und heute verzichten viele auf ihre Stimmabgabe.“

13.11.18 Wahlrecht Frauen Gründung Republik 1918

ORF NÖ

Das geschichtsträchtige, ehemalige Landhaus in Wien war Schauplatz der Feier.

Die Historikerin Gabriella Hauch wollte bei den Feierlichkeiten anlässlich des hundertsten Jubiläums des Frauenwahlrechts in Österreich aber keine Missverständnisse aufkommen lassen. Sie zeichnete bei der Enquete „100 Jahre Frauenwahlrecht“ einen geschichtlichen Rückblick und verwies darauf, dass das Jubiläum den Eindruck erwecken könnte, als gelte das Frauenwahlrecht bereits seit 100 Jahren. „Das stimmt aber nicht. Vor hundert Jahren wurde es eingeführt,“ so Hauch. Wieder außer Kraft gesetzt war das Wahlrecht zu Zeit des Nationalsozialismus. „Die Idee der Gleichheit aller Staatsbürgerinnen und Staatsbürger war zwischenzeitlich also wieder Null und nichtig“, so Hauch. Erst nach Ende des Zweiten Weltkriegs und der Gründung der zweiten Republik trat das allgemeine Wahlrecht wieder in Kraft und gilt in dieser Form bis heute.

Nur weniger Bürgermeister sind weiblich

Neben dem Recht erstmalig wählen gehen zu dürfen, dem sogenannten aktiven Wahlrecht, wurde Frauen vor 100 Jahren auch das passive Wahlrecht zugesprochen, das es ihnen erlaubt, auch selbst für politische Ämter zu kandidieren. Hundert Jahre danach zeigt sich noch immer ein vorrangig männliches Bild. In Niederösterreich etwa stehen gerade einmal 12 Prozent Bürgermeisterinnen 88 Prozent Bürgermeistern gegenüber.

Mit diesem Frauenanteil von 12 Prozent schneidet Niederösterreich im Bundesvergleich sogar am besten ab. Österreichweit sind etwa sieben Prozent der Bürgermeister Frauen. Ein Umstand, den Frauenlandesrätin Christiane Teschl-Hofmeister (ÖVP) nicht nur auf Bürgermeisterebene verändern möchte: „Wir sind in den politischen Ämtern noch nicht in dem Ausmaß vertreten, das uns zustehen würde.“ Sie verweist auf Rahmenbedingungen wie ausreichende Kinderbetreuungsmöglichkeiten, die Männern und Frauen die gleiche Teilhabe am gesellschaftlichen und familiären Leben ermöglichen können.

13.11.18 Wahlrecht Frauen Gründung Republik 1918

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Die Diskussionen drehten sich um den aktuellen Stand der Gleichberechtigung.

Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), die erste Landeshauptfrau Niederösterreichs und die derzeit einzige Landeshauptfrau Österreichs, äußerte ein klares frauenpolitisches Ziel für die Zukunft: „Hier im Land hat mit Maria Theresia zuletzt im 18. Jahrhundert eine Frau das Sagen gehabt. Bis heute gibt es keine Bundeskanzlerin und keine Bundespräsidentin. Es wird Zeit!“, so Mikl-Leitner.

Landtagspräsident Karl Wilfing (ÖVP) wies darauf hin, dass in den letzten hundert Jahren Frauen die Mehrheit der Wahlberechtigten stellten. „Wenn Politik Qualität haben soll, dann kann diese nur erfüllt werden, wenn die Mehrheit auch gebührend zu Wort kommen und sich einbringen kann“, so Wilfing. Das allgemeine Wahlrecht per se führe aber nicht automatisch zu einer gerechten Gesellschaft, erläuterte die Historikerin Gabriella Hauch: „Eine parlamentarische Demokratie eröffnet einen Raum, in dem Machtverhältnisse und damit auch Geschlechterverhältnisse immer wieder neu ausverhandelt werden. Das war 1918 so und ist heute nicht anders.“