Brexit verteuert Exporte für heimische Wirtschaft

Am 29. März 2019 endet die Mitgliedschaft Großbritanniens in der Europäischen Union, entweder in geordneter Form oder mit einem harten Brexit. Für die niederösterreichische Wirtschaft würde das teurere Exporte bedeuten.

Die niederösterreichische Wirtschaft exportierte 2016 Waren im Wert von 479 Millionen Euro in das Vereinigte Königreich. 2017 waren es Waren im Wert von 477 Millionen Euro. „Nach einem harten Ausstieg Großbritanniens aus der EU würden sich die Exporte verteuern, denn es gäbe dann keinen freien Warenverkehr, sondern höhere Zölle“, erklärte Christian Kesberg, Wirtschaftsdelegierter der Österreichischen Wirtschaftskammer in London, gegenüber noe.ORF.at.

Zölle und Kontrollen verteuern Warenverkehr

In Großbritannien sind einige große niederösterreichische Firmen tätig. Allen voran der Glücksspielkonzern Novomatic (Bezirk Mödling), der sogar die Marktführerschaft hat. Aber auch der Schalungstechnik- und Ladenbaukonzern Umdasch (Bezirk Amstetten) ist engagiert, ebenso der Möbelerzeuger Bene (Bezirk Waidhofen/Ybbs) oder der Kunststofferzeuger Borealis (Bruck an der Leitha). Insgesamt sind es 40 große niederösterreichische Firmen, die in Großbritannien Niederlassungen haben.

Britische Fahne

APA / AFP / Justin Tallis

Für sie würde sich vor allem durch die Zollkontrollen einiges ändern. Längere Stehzeiten an der Grenze, mehr Formulare, die auszufüllen sind - all das würde Zeit und Geld kosten. Problematisch könnte auch die Abwertung des Pfundes werden sowie die Kursschwankungen. In der Industrie und im Gütergewerbe müsste mit einer Verteuerung der Waren von ein bis sechs Prozent gerechnet werden. Im Lebensmittel- und Textilbereich würden die Zölle noch wesentlich höher ausfallen.

Noch unklar ist auch, ob Mitarbeiter aus der EU nach Großbritannien ohne Probleme entsendet werden könnten. Das könnte vor allem für Montagefirmen zum Problem werden. Generell würden die Geschäfte mit Großbritannien schwieriger und teurer werden. „Aber als zweitgrößter Markt Europas, mit 65 Millionen Menschen, wird das Vereinigte Königreich auch nach dem Brexit für viele Unternehmen ein lukrativer Markt sein“, ist Kesberg überzeugt.

Eichtinger: „Abkommen von großer Wichtigkeit“

Der für Europafragen zuständige Landesrat Martin Eichtinger (ÖVP), bis vor kurzem noch Botschafter in London, war am Donnerstag im „NÖ heute“-Studio zu Gast und sprach mit Moderatorin Claudia Schubert über mögliche Auswirkungen auf die niederösterreichische Wirtschaft:

noe.ORF.at: Es gibt nun ein Abkommen, doch wie schätzen Sie die Situation ein, ist der harte Brexit vom Tisch?

Martin Eichtinger: Nein. Wir können nicht vorhersehen, wie das britische Parlament entscheiden wird. Premierministerin May wird sicher großen Widerstand haben. Wir müssen hoffen, dass dieses Abkommen durchgeht. Es ist für uns von großer Wichtigkeit.

Brexit

ORF

„NÖ heute“-Moderatorin Claudia Schubert im Gespräch mit Landesrat Martin Eichtinger

noe.ORF.at: Etwas mehr als 1.000 niederösterreichische Firmen haben Beziehungen zu Großbritannien, die Exporte betragen derzeit knapp eine halbe Milliarde Euro. Schätzen Sie, dass die Exporte sinken werden?

Eichtinger: Das hängt letztlich vom künftigen Abkommen zwischen Großbritannien und der EU ab, das ist ja noch zu verhandeln. Von diesem Abkommen kennen wir bisher nur die Eckpunkte. Bis Ende 2020 wird es eine Übergangsfrist geben und das ist für die Unternehmen sehr positiv.

noe.ORF.at: Immer wieder gibt es die Hoffnung, dass Firmen, die jetzt einen Sitz in Großbritannien haben, vielleicht nach Österreich oder Niederösterreich kommen könnten. Gibt es da schon konkrete Gespräche?

Eichtinger: Es hat immer wieder Anfragen gegeben, auch konkretes Interesse, aber jetzt sind alle Firmen in einer Abwarteposition, sowohl Investitionen, als auch künftige Geschäftsausrichtungen betreffend. Denn keiner kann derzeit absehen, ob es tatsächlich Zölle geben wird oder ob man doch einen weiteren zollfreien Warenaustausch haben wird.

noe.ORF.at: Es gibt auch Studierende, die sich derzeit in Großbritannien befinden. Wie wird sich die Situation für diese Menschen verändern?

Eichtinger: Derzeit kann man sicher sagen, dass der Brexit für niederösterreichische Studierende, die in Großbritannien studieren, keine Konsequenzen haben wird. Wer jetzt in Großbritannien studiert, hat auch die Zusicherung, dass er oder sie das Studium zu den derzeitigen Bedingungen abschließen kann. Wie das in Zukunft aussehen wird, ist wiederum fraglich. Nach derzeitigem Stand würde der freie Reiseverkehr in einem künftigen Abkommen nicht enthalten sein. Die britische Regierung plant dafür eine eigene Regelung, die wir noch nicht kennen.

Das Gespräch mit Martin Eichtinger führte Claudia Schubert.

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