Landarzt: Zeitaufwand und Image schrecken ab
Es ist 9.30 Uhr in der Ordination von Max Wudy in Weissenbach an der Triesting. Es herrscht reger Betrieb. Die Patientinnen und Patienten, die ärztlichen Rat oder ein Rezept von ihm brauchen, stehen geduldig bis zur Eingangstür zurück in der Schlange. Beim Lokalaugenschein von noe.ORF.at wird klar: Der Mediziner ist beliebt im Ort und kennt seine Patientinnen und Patienten gut.
„Begleite Menschen von der Wiege bis zur Bahre“
„Was ich besonders an dem Beruf schätze ist, dass ich die Menschen sozusagen begleiten kann - von der Wiege bis zur Bahre", so Wudy. Der Mediziner habe sich nach dem Studium nie für eine Fachrichtung entscheiden können, begründet er seine Berufswahl. Alle Fächer haben ihn interessiert und daher sei der Beruf des Allgemeinmediziners naheliegend gewesen.
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Max Wudy öffnet seine Ordination an vier Tagen jede Woche. Zwölf-Stunden-Arbeitstage seien keine Seltenheit, wie er sagt. „Wenn andere Mittagspause machen, fahre ich auf Hausbesuche. Danach geht es mit der Nachmittagsordination weiter", so der Mediziner. 21 Hausbesuche wurden am Tag des Besuches von noe.ORF.at über die Sprechstundenhilfe angefragt. Es ist Grippezeit und viele Menschen im Ort brauchen derzeit die Hilfe des Landarztes. Die meisten Visiten, die Wudy macht, führen ihn zu bettlägerigen oder pflegebedürftigen Menschen, die den Weg zu ihm in die Praxis nicht schaffen.
Hausbesuche als wichtiger Fixpunkt
Für die Menschen ist der Besuch von Wudy oft ein wichtiger Fixpunkt im Alltag, zum Beispiel für eine 90-Jährige Weissenbacherin, die nur wenige Autominuten von der Ordination entfernt wohnt. „Es ist so wichtig, dass wir ihn haben“, erzählt der Schwiegersohn der Frau. Max Wudy bringt Medikamente, misst den Blutdruck und erkundigt sich nach dem Befinden.
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Der Zeitaufwand sei laut Wudy auch ein Grund, warum immer weniger junge Mediziner Landarzt werden wollen. „Wenn man das wirklich mit Herzblut macht, dann ist das eine sehr intensive Arbeit und sicher nicht familienfreundlich", so Wudy.
„Man muss zeigen, wie schön dieser Beruf sein kann“
Am Verdienst läge das geringe Interesse am Landarzt-Beruf laut ihm nicht. Es sei wohl eher ein falsches Bild, das den jungen Medizinern vermittelt werde. „Man muss schon im Zuge der Lehrpraxis zeigen, wie schön dieser Beruf sein kann", meint der Arzt. Viele Medizinerinnen und Mediziner würden sich zudem vor der Selbständigkeit fürchten, die eine eigene Ordination mit sich bringt. „Auch da muss man die Angst nehmen. Aber klar, wenn man krank ist, ist man krank und der Verdienst bleibt aus“, so Wudy.
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In eineinhalb Jahren wird Max Wudy in Pension gehen. Über seine Nachfolge macht sich der Allgemeinmediziner aber keine Sorgen. Er führt seine Ordination mit Hausapotheke. Das würde die Übernahme aufgrund des zusätzlichen finanziellen Anreizes attraktiver machen, wie er erzählt. Auf der Suche nach einer Nachfolge sei er noch nicht. Die Patienten wissen aber jetzt schon: Wudy wird ihnen fehlen. „Sehr schade, dass der Doktor uns bald verlässt", so eine Patientin im Wartezimmer.
Barbara Tschandl, noe.ORF.at
Links:
- Ärztemangel: Mediziner fehlen in allen Bereichen (noe.ORF.at; 12.2.2019)
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- Land legt Spitäler und Pflegezentren zusammen (noe.ORF.at; 11.2.2019)