Symposion Dürnstein: Demokratie braucht Leben

Beim achten „Symposion Dürnstein“ im Kloster Dürnstein in der Wachau wird derzeit über das Thema „Demokratie“ diskutiert. Am Eröffnungsabend betonten alle Redner: Demokratie ist kein Selbstläufer und lebt von der Beteiligung der Bürger.

Für sehr viele Menschen auf der Welt ist ein demokratischer Rechtsstaat in weiter Ferne. In mehr as der Hälfte der 167 Staaten der Erde herrschen autoritäre oder semi-autoritäre Regime. Nur 20 Staaten zählte der Demokratie-Index der britischen Zeitung „Economist“ zu den „vollständigen Demokratien“, in denen freie Wahlen, politische Pluralismus und Rechtsstaatlichkeit ausgeprägt sind. Österreich liegt bei diesem Ranking auf Platz 16.

Diskussionsrunde im Kloster Dürnstein

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Diskussion im Prälatensaal des Klosters Dürnstein

Unzufriedenheit mit der Demokratie gibt es also auch bei uns, die einen wollen mehr davon, andere weniger. Für Propst Maximilian Fürnsinn, dem Hausherrn im Kloster Dürnstein (Bezirk Krems), ist das Thema Demokratie daher hochaktuell. „Demokratie ist ein vordringliches Thema für mich geworden. Wir leben in einer Zeit der Umbrüche. Wir spüren das immer mehr, wir wissen aber nicht wohin die Reise geht. Das Alte trägt nicht immer so, wie wir uns das vorstellen. Wir dürfen gewisse Entwicklungen nicht übersehen. Es gibt auch bei uns Armut oder ideologische Spaltungen. Es gibt auch in unserem Land viele Fragen, die aufzuarbeiten sind - soziale, politische und religiöse Fragen.“

Die immer größer werdende Kluft zwischen Reichtum und Armut in Österreich führe zur Infragestellung von demokratischen Werten, ergab eine Studie des Meinungsforschungsinstituts SORA im Jahr 2018. 34 Prozent der Befragten sprechen sich demnach für eine illiberale autoritäre Demokratie aus, vier Prozent - das entspricht hochgerechnet 250.000 Österreicherinnen und Österreichern - gar für einen autoritären Staat mit einem starken Führer.

„Verlierer“ beginnen Demokratie abzulehnen

Laut SORA-Umfrage besteht eine Beziehung zwischen der ökonomischen Situation und der Unzufriedenheit mit dem politischen System Demokratie. Wer nicht ausreichend an den demokratischen Versprechungen wie Gleichheit, Mitbestimmung und Wohlstand teilhaben kann, beginnt demnach Demokratie als Ganzes abzulehnen.

Viele Ungarn, Slowaken, Tschechen und Polen haben nach der Wende 1989 zwar zuerst ein Aufblühen ihrer Länder erlebt. Doch jetzt beherrschen Kapitalflucht und Abwanderung diese Gesellschaften. Bei Preisen wie in westlichen Industriestaaten verarmten weite Teile der Bevölkerung, skizzierte Ursula Baatz die Situation unserer östlichen und südöstlichen Nachbarländer. Baatz ist Publizistin und thematische Koordinatorin des Symposions Dürnstein.

Diskussionsrunde im Kloster Dürnstein

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Das Kloster Dürnstein in der Abendstimmung

Vertrauen in die EU auf dem Prüfstand

Viele der Demokratie-Skeptiker blieben bei Wahlen zu Hause. Mittlerweile stellen die Nichtwähler eine stumme, große Partei, bedauerte Barbara Schwarz, die Geschäftsführerin der niederösterreichischen Forschungs- und Bildungsgesellschaft, die das Symposion Dürnstein veranstaltet. „Demokratie macht Mühe. Sie braucht die Bürger und Bürgerinnen. Das Wichtigste an diesem Syposion ist, dass wir den Menschen klar machen: Demokratie kann ich nur haben, wenn ich selbst daran teilnehme, wenn ich mich einbringe.“

Bei der kommenden Wahl zum Europäischen Parlament wird sich vermutlich wieder eine mäßige Wahlbeteiligung zeigen und auch eine große EU-Skepsis, der Franz Fischler, der ehemalige EU-Kommissar, beim Symposion Dürnstein entgegenhielt: „Man kann die Wichtigkeit Europas sehr leicht damit erklären, dass man ein wenig darüber nachdenken sollte, was uns fehlen würde, wenn es die Europäische Union nicht geben würde. Und da wird zunächst ganz klar, dass wir ökonomisch wesentlich ärmer wären. Und wenn wir dann an Probleme denken, die wir vor uns haben, wie Klimawandel, Überalterung der Gesellschaft, Energieversorgung oder Migration. Sie alle lassen sich auf der Ebene der Nationalstaaten nicht lösen.“

Frauen in vielen Demokratien unterrepräsentiert

Für die Hälfte der Bevölkerung, die Frauen, ist es hierzulande wie auch in den meisten Staaten gleich: Sie sind in den wirtschaftlichen und politischen Führungsebenen stark unterrepräsentiert. Auch hier zeige sich eine Verbindung aus ökonomischen Verhältnissen und politischer Macht. Nach wie vor würden Männer gut dotierte Jobs und politische Spitzenpositionen dominieren, erklärte Politikwissenschafterin Ulrike Guérot von der Donau-Universität Krems.

Guérot ist überzeugt davon, dass politische Prozesse und deren Ergebnisse für die Gesellschaft anders aussehen würden, wenn mehr Frauen in der Politik mitbestimmen könnten. „Dazu gibt es wirklich ganz interessante Studien. Man weiß, dass die politische Landkarte des Nahen Ostens anders aussähe, wenn Frauen in Israel und Palästina an der Macht wären und die jeweilige Außenpolitik steuern könnten. Man weiß auch aus Untersuchungen in Skandinawien, wo eines auffällt: Je mehr Frauen in der Regierung vertreten sind, desto sozialer ist die Gesetzgebung, desto sozialer ist die Arbeitszeit, desto besser ist auch das Land in seinen internationalen Rankings im Gesundheitsbereich beispielsweise.“

Am Freitagabend stand das Verhältnis Religion und Demokratie im Mittelpunkt. Am abschließenden Samstag werden verschiedene Modelle der direkten Demokratie beim Symposion Dürnstein diskutiert.

Hannes Steindl, noe.ORF.at

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