John Kerrys alt-österreichische Wurzeln

John Kerry soll noch diese Woche zum US-Außenminister vereidigt werden. Man erinnert sich wieder an seine alt-österreichischen Wurzeln, die in Nordmähren und Niederösterreich liegen. Kerrys Vorfahren wanderten 1904 von Mödling in die USA aus.

Kerrys Großvater Fritz Kohn kam 1873 in Horni Benesov zur Welt, als es noch Bennisch hieß und in dem zum Habsburgerreich gehörigen Teil Schlesiens lag. Von dort zog die Familie Kohn weiter. Ziel war Wien, später Mödling, wo sie sich auch niederließ, bevor sie in die Vereinigten Staaten von Amerika auswanderte.

John Kerry

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2004 entdeckte ein Ahnenforscher Kerrys Herkunft

Herausgefunden hatte dies der österreichische Ahnenforscher Felix Gundacker. Seine Recherchen gingen 2004 um die Welt, als Kerry gegen George W. Bush um das US-Präsidentenamt kämpfte. Selbst der US-Sender CNN sandte damals ein Reporterteam nach Mödling. Und österreichischen Journalisten, die Kerry in Wahlkampfzeiten in den USA besuchten, ließ dieser angeblich ausrichten: "Greet Austria for me!“

Kerrys Großvater maturierte in Mödling

Der Grund, warum es die Familie 1880 nach Mödling zog, war wirtschaftlicher Natur. Kerrys Urgroßvater Benedikt Kohn, Braumeister in Bennisch, starb 1876 und hinterließ seine Ehefrau Mathilde, geborene Fränkel, sowie mehrere Kinder - Fritz, Ida und Otto.

Friedrich Schiller Straße in Mödling

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In der heutigen Friedrich-Schiller-Straße in Mödling stand das Wohnhaus der Familie Kohn, die von 1880 bis 1904 hier lebte.

Fritz und sein Bruder Otto Kohn besuchten in Mödling das Gymnasium. Fritz schloss es mit Auszeichnung ab und trat dann in die Schuhfabrik seines Onkels Alfred Fränkel als Prokurist ein. Alfred Fränkel setzte mit der Errichtung der modernen Arbeitersiedlung „Kolonie“ in Mödling eine soziale Pioniertat: Die Arbeiter, die in der „Kolonie“ lebten, wurden beneidet, denn zu den Wohnungen gehörten auch kleine Gärten zum Anbau von Gemüse und Obst. 1979 wurde die Siedlung unter Denkmalschutz gestellt. Bis heute wird dieser Stadtteil von der Bevölkerung liebevoll „Schusterhäusln“ genannt.

Fritz Kohn lebte 24 Jahre in Mödling

Im Jahr 1900 heiratete Fritz Kohn in Wien Ida Löwe, eine in Mödling lebende ungarische Jüdin, die 1877 in Budapest geboren wurde. Im Jahr darauf kam Sohn Erich zur Welt. Fritz konvertierte vom Judentum zum Katholizismus.

Taufbuch der Pfarre St. Othmar

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Das Geburts- und Taufbuch der Stadtpfarre Mödling.

Warum er das machte, bleibt Spekulation, meint Stefan Knoll in der APA. Rechtlich waren die in der Monarchie ansässigen Juden seit 1867 gleichgestellt. In der Reichshauptstadt Wien verzeichnete man allerdings um die Jahrhundertwende eine im europäischen Vergleich ungewöhnlich hohe Übertrittsquote vom jüdischen zum christlichen Glauben.

Konkret hatte sich die Lage der jüdischen Bevölkerung seit 1897 verschlechtert, als Karl Lueger Bürgermeister von Wien wurde. Lueger instrumentalisierte den Antisemitismus zum politischen Mittel. Zwar blieb die rechtliche Gleichstellung der Juden unangetastet, aber die Diskriminierung nahm in den folgenden Jahren zu.

Pfarrer Richard Posch

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„Fritz Kohn hoffte wohl auf einen wirtschaftlichen Aufstieg in den USA“, meint Pfarrer Richard Posch, der die Eintragung über John Kerrys Großvater entdeckte.

„Kohn in Kerry“

Richard Posch, Pfarrer von St. Othmar in Mödling, war es, der die Eintragung über John Kerrys Großvater Fritz Kohn im Taufbuch entdeckte. Aus einem Aktenschrank holt der Pfarrer ein mächtiges gebundenes Buch in schwarzem Umschlag. An einer bestimmten Stelle schlägt er es auf: „Friedericus (Fritz) Kohn, geboren am 10. Mai 1873 in Bennisch, Schlesien, No.224, getauft am 9. October 1901“ steht dort mit schwarzer Tinte in elegant geschwungener Kurrentschrift. Weiter unten dann die entscheidenden Worte: „Kohn in Kerry“.

Die Namenswahl war reiner Zufall

Die Brüder konvertrierten nicht nur zum Katholizismus, sondern sie wechselten zu der Zeite auch den Familiennamen. Begründet wurde die Änderung mit der Häufigkeit des Namens, der spezifisch jüdisch sei, schrieb Alexandra Demcisin in der APA. Durch reinen Zufall fiel die Wahl auf Kerry, berichteten die „Niederösterreichischen Nachrichten“. Die Brüder ließen einen Stift über einem Atlas kreisen und beschlossen, den Namen anzunehmen, auf den die Bleistiftspitze zeigen würde. Es traf die irische Grafschaft "Kerry“.

Frederick Kerry hatte kein Glück in den USA

Fritz suchte wohl – wie viele andere auch zu dieser Zeit – bessere berufliche Chancen und wanderte mit seiner Frau und Erich 1904 in die USA aus, wo sie sich zunächst in Chicago niederließen. 1915 kam Richard - Vater des designierten US-Außenministers - zur Welt. Sechs Jahre später erschoss sich Fritz, mittlerweile Frederick, Kerry, dessen Firma Pleite gegangen war, in einem Hotel in Boston.

Schriftzug "Kerry"

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„Kohn“ in „Kerry“, Eintragung im Geburts- und Taufbuch der Pfarre St. Othmar.

Jenni und Otto Löwe, Geschwister von Kerrys Großmutter Ida, wurden von den Nationalsozialisten ermordet. Sie wurden direkt von ihrer Wohnung in der Sterngasse 11 in Wien abgeholt und am 13. August 1942 nach Theresienstadt deportiert. Jenni starb im Konzentrationslager Treblinka, Otto wurde 1943 in Theresienstadt getötet.

John Kerry glaubte immer an irische Vorfahren

John Kerry selbst erfuhr erst im Laufe des Präsidentschaftswahlkampfes 2004 die Geschichte seiner Ahnen. Er hatte zuvor weder den Geburtsort noch den ursprünglichen Namen und die Religion seines Großvaters gekannt. Der Senator hatte lange Zeit an irische Vorfahren geglaubt.

Barack Obama und John Kerry

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John Kerry mit US-Präsident Barack Obama im Weißen Haus (Dezember 2012).

Sendungshinweis: „Guten Morgen NÖ“, 31.1.2013

Ironie des Schicksals: Kerrys jüngerer Bruder Cameron trat 1983 zum Judentum über. Er erkannte erst später, dass er damit eigentlich zu seinen Wurzeln zurückkehrte. Und welchen Wurzeln: Nach Recherchen eines tschechischen Ahnenforschers ist John Kerry sogar ein indirekter Nachkomme des berühmten Rabbi Löw aus Prag, Schöpfer der legendären Lehmfigur „Golem“. In der Ahnentafel des US-Politikers befinde sich ein Gelehrter namens Sinai, der ein Bruder von Rabbi Löw gewesen sei, behauptet der Historiker Jaroslav Bransky, die Linie lasse sich bis zur Urgroßmutter von Kerry nachverfolgen.

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