Tourismus

Campingboom mit Luft nach oben

Der Campingtourismus boomt. Zuletzt sind in Niederösterreich die Nächtigungszahlen innerhalb eines Jahres um knapp 18 Prozent gestiegen. Im Bundesländervergleich liegt Niederösterreich aber hinten.

Zu Pfingsten zeigte sich auf vielen Campingplätzen Niederösterreichs dasselbe Bild: volle Zeltwiesen und ausgebuchte Wohnwagenstellplätze, dazwischen Menschen jeden Alters, aber besonders viele Familien. Auch am Campingplatz in Lunz am See (Bezirk Scheibbs) blickt die Geschäftsführerin Heike Schlögelhofer auf ein äußerst zufriedenstellendes Pfingstwochenende zurück: „Wir waren komplett ausgebucht und dank des perfekten Campingwetters sind auch wirklich alle angemeldeten Gäste gekommen.“

Das Wetter hat auf die gesamte Freizeit- und Tourismusbranche unmittelbare Auswirkungen, auf die Campingplätze aber im Besonderen, erzählt Karl Heinz Kaiser. Er ist Branchensprecher der Campingplätze in der Wirtschaftskammer Niederösterreich und Geschäftsführer des Campingplatzes in Purgstall (Bezirk Scheibbs). „Sobald das Wetter nicht mitspielt, bleiben uns oft die Gäste aus. Campen bei strömendem Regen ist eben wenig attraktiv, bei schönstem Sonnenschein dafür umso mehr.“

Zelt steht zwischen Hecken
ORF/ Berger
Zu Pfingsten waren viele Campingplätze in Niederösterreich ausgebucht

Neuer Nächtigungsrekord

Das Wetter dürfte auch einer der Hauptgründe gewesen sein, warum im Vorjahr der boomende Campingtourismus einen zusätzlichen Schwung erhielt. In Zahlen ausgedrückt wurden niederösterreichweit 38.380 Übernachtungen mehr verbucht als im Jahr davor, was einem Plus von 17,6 Prozent entspricht. Mit 256.231 Übernachtungen auf Campingplätzen ist Kaiser dennoch nicht zufrieden, denn mit einem Blick auf die anderen Bundesländer sieht er ein touristisch vernachlässigtes Potenzial, das es rechtzeitig zu nutzen gelte.

„Menschen wollen campen, das zeigt sich immer deutlicher, vor allem die internationalen Entwicklungen bestätigen das auch. Allerdings liegt Niederösterreich in Bezug auf die Nächtigungszahlen vor Wien an vorletzter Stelle. Beim größten Bundesland Österreichs sehe ich deswegen noch sehr viel Luft nach oben“, so Kaiser. Seiner Einschätzung nach bräuchte es Nachbesserungen, was die Infrastruktur von Campingplätzen betrifft sowie eine gemeinsame Marketingstrategie, die auf den Zug der Zeit aufspringt – auch in Bezug auf die Digitalisierung.

Infrastruktur online und offline nachrüsten

„Campingtourismus muss sich anders bewerben als der allgemeine Tourismus. Es braucht andere Buchungsplattformen, andere Werbemittel und die Präsenz auf anderen Messen. Hier müsste man sicher noch mehr tun, um Camping in Niederösterreich zu entwickeln und auch im Ausland auf die heimischen Campingplätze aufmerksam zu machen.“

Blick über den Campingplatz
ORF/ Berger
Sofern das Wetter mitspielt, ist der Andrang auf Niederösterreichs Campingplätze groß

Kaiser setzte daher auf die neuen Möglichkeiten des Internets. Er integrierte vor zwei Jahren eine Software auf seiner Homepage, die direkte Buchungen auf dem Campingplatz in Purgstall ermöglicht. Darüber hinaus ist die Software mit großen internationalen Buchungsplattformen vernetzt. Das komme in seinen Augen den Urlauberinnen und Urlaubern entgegen, vereinfache aber gleichzeitig auch ihm selbst die Verwaltung. Dadurch bleibe letztlich mehr Zeit für die Gäste.

Mit den neuen digitalen Werkzeugen hätte er in den letzten beiden Jahren jeweils 20 Prozent mehr Buchungen aus dem Ausland verzeichnet. „Das sind Zuwächse bei Gästen, die ich sonst nie erreicht hätte. Dieses Potenzial gilt es auszunutzen. Wenn Niederösterreichs Campingplätze hier nicht zulegen, um den Boom zu nutzen, machen es andere.“

Internationale Flaggen hängen vor der Schank
ORF/ Berger
Die Campingbranche sieht Aufholbedarf bei Gästen aus dem Ausland. Die meisten Camper in Niederösterreichs kommen aus Niederösterreich und Wien

Kaum Gäste aus dem Ausland in Niederösterreich

Ein langjähriger Campinggast, der die Notwendigkeit der digitalen Ausrichtung unterstreicht, ist Thon de Klein. Der Niederländer ist Campingplatztester und bewertet europäische Destinationen auf seiner Website. Mit seiner Frau macht er auf einer insgesamt neun Wochen dauernden Tour unter anderem auch in Purgstall Halt – einer von insgesamt 110 Campingplätzen, den die beiden auf ihrer derzeitigen Tour besuchen und dokumentieren. „Camper sind moderne Nomaden. Sie sind ständig unterwegs, wollen Neues kennenlernen und sich online eine individuelle Reise zusammenstellen können.“

Ein Blick auf die aktuellen Zahlen der Statistik Austria verrät, woher die meisten Urlauberinnen und Urlauber auf Niederösterreichs Campingplätzen kommen. Niederösterreich schöpft im Gegensatz zu Bundesländern wie Tirol, Kärnten oder Salzburg vor allem aus dem Pool der inländischen Gäste. Knapp 55 Prozent der Camperinnen und Camper in Niederösterreich kommen aus Österreich, der überwiegende Großteil von ihnen aus Niederösterreich und Wien. Bei den Gästen aus dem Ausland bilden die Deutschen die größte Zielgruppe, gefolgt von Urlauberinnen und Urlaubern aus Tschechien und den Niederlanden.