Gelse sticht Menschen
US Department of Agriculture
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Chronik

Heuer eine Billion Gelsen erwartet

Der Regen im Mai hat die Entwicklung der Gelsen begünstigt und lässt viele Menschen vor allem entlang der Donau und March von einer Gelsenplage sprechen. Experten erwarten für heuer österreichweit mehr als eine Billion Gelsen – eine übliche Zahl.

Sie erinnern ein bisschen an die Ghostbusters, jagen aber keine Geister, sondern Gelsen. Die Mitarbeiter des Bauhofes in Tulln sind nach dem verregneten Mai derzeit mit ihren Rückenspritzen alle zwei bis drei Wochen unterwegs, um Gelsen-Brutstätten ausfindig zu machen. „Meist sind das Tümpel, stehendes Gewässer, wo sich die Gelsen am Wohlsten fühlen“, sagt Martin Bayer, Mitarbeiter des Bauhofes in Tulln beim Lokalaugenschein von noe.ORF.at.

In die Tümpel wird BTI eingebracht, ein eiweißhältiges Präparat, das die Gelsenlarven abtötet. Während in manchen Regionen Niederösterreichs Hubschrauber zur Gelsenbekämpfung abheben, setzt man in Tulln seit mehreren Jahren auf den Bodeneinsatz, hat aber auch schon andere Mittel probiert. „Wir haben Gelsen nie aus der Luft bekämpft, aber mit Sprühkanonen, die die Gärten einnebelten. Das war unangenehm für die Bevölkerung“, sagt der Bürgermeister von Tulln, Peter Eisenschenk (ÖVP). „Was wir derzeit machen, ist die einzig sinnvolle ökologische Gelsenbekämpfung. Die Effizienz, wenn man das Mittel rechtzeitig ausbringt, ist hoch.“

Mitarbeiter des Bauhofes im Auwald in Tulln beim Gelsenbekämpfen
ORF/Koppensteiner
In Tulln werden die Gelsenlarven mit einem ökologischen Mittel bekämpft

Gelsenexperte: „Wir sind im Maß und nicht am Limit“

Dass viele Menschen vor allem in den Gemeinden entlang der Donau, im Großraum Wien bzw. entlang der March derzeit von einer Gelsenplage sprechen, führt Ökologe und Gelsenexperte Bernhard Seidel auf das Wetter zurück. Seidel arbeitet u.a. mit der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) zusammen, die ein Gelsenmonitoring betreibt, und ist auch für die Universität Wien tätig.

„Der Jahresverlauf, was die Gelsen angeht, ist wie jeder andere auch“, sagt er gegenüber noe.ORF.at. „Was wir jetzt haben, ist ein Hochwasser, das durch die Mai-Niederschläge entstanden ist und daraufhin eine sehr schöne, sonnige Wetterlage, wo man sich nach draußen sehnt. Auf einmal trifft man dort auf die Stechmücken aus dem Hochwasser und das übersteigert die Empfindung, dass wir ein mieses Gelsenjahr haben sehr. Es entspricht durchaus der Jahreszeit. Wir sind vollkommen im Maß und nicht am Limit.“

„Gelsenabstiegshilfen“ als Vorschlag

Dass einige Gemeinden in Niederösterreich gegen Gelsen vorgehen, sieht Seidel nicht als Problem, weil Stechmücken „keine wichtigen Elemente der Nahrungskette“ seien. Der Experte rät Gemeinden allerdings dazu, sich Unterstützung im Wasserbau zu holen. Denn hier ortet er das eigentliche Problem. „Viele Stechmücken-Emissionsgewässer sind unmotiviert angelegt. Die Wasserdynamik, die Stechmücken hervorbringt, kann man mit Wasserdynamik eliminieren. Wenn es gelingt Fischaufstiegshilfen in diesem Ausmaß zustande zu bringen, kann man auch gegen Steckmücken etwas tun – quasi Gelsenabstiegshilfen, damit man sie aus dem verschlammten Gewässer rausbekommt.“

In Österreich gibt es laut Seidel 40 verschiedene Steckmückenarten, darunter eine relativ neue. Die asiatische Buschmücke ist erst vor zwei Jahren über den Wechsel eingewandert und mittlerweile flächendeckend in Niederösterreich verbreitet. Sie ist robuster als andere, entwickelt sich früher und stirbt später. Laut dem Experten, der ein Technisches Büro für ökologische Forschung und Landschaftshygiene in Persenbeug (Bezirk Melk) betreibt, werden die Gelsen heuer bis Anfang Juli aktiv und damit lästig sein.