Kreisverkehr mit Rosenschmuck
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„Im Blickpunkt“

Tulln: Wie eine Stadt zum Garten wurde

Tulln setzt im Wettbewerb der Gemeinden wie keine andere Stadt Niederösterreichs auf das Thema Garten- und Grünraumgestaltung. Für die Bewirtschaftung der Tullner Stadtflächen gelten dabei seit einigen Jahren ökologische Standards.

Wohin man sich im Juni in Tulln auch bewegt, die Stadt präsentiert sich blühend: in Straßenrabatten, Kreisverkehren und ganz besonders entlang der Donaulände ziehen Blüten in allen Farben die Blicke von Passanten auf sich. Selbst Böschungen an Umfahrungsstraßen wurden zuletzt bepflanzt. Auch wenn man sich unter den Menschen auf den Tullner Straßen umhört, die Themen Blumen und Garten sind unverkennbar mit der Stadt an der Donau verbunden.

Knapp 70-jährige Blumengeschichte

Angefangen hat die Geschichte der Blumenstadt Tulln bereits während der Besatzungszeit 1953. Damals bewegte sich der erste Blumenkorso durch die Stadt. Kunstvoll mit Blumen verzierte, teils meterhohe Figuren wurden auf Wägen durch das Stadtgebiet gezogen und zogen tausende Menschen auf die Straßen. Ein Jahr später fand im Stadtsaal die erste Tullner Hallenblumenschau statt. 1963 wurde die erste Blumen- und Gartenbaumesse eröffnet, die bis heute Tradition hat.

Rosen und ein Kreisverkehr in Tulln
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Blumen und Kreisverkehre prägen das Stadtbild von Tulln

Bereits im dritten Jahr stieß die Blumen- und Gartenbaumesse auf derart großes Interesse, dass das Areal der alten Landesfeuerwehrschule, in dem die Messe in ihren ersten Jahren untergebracht war, vorübergehend geschlossen werden musste. Damit war der Startschuss für den Planungsauftrag des neuen Tullner Messegeländes gefallen, das seine Tore für Menschen und Blumen erstmals 1967 öffnete. Seit 1993 wird die Messe als internationale Gartenbaumesse geführt und lockt jährlich Gäste aus dem In- und Ausland nach Tulln.

Umstellung auf ökologische Gartenbewirtschaftung

Über die Jahrzehnte veränderte sich jedoch nicht nur das Stadtbild, sondern auch die Einstellung zum Gärtnern. Das neue Prinzip, dem Tulln dabei seit einigen Jahren folgt, liegt in der Förderung des Artenreichtums. Gepflanzt wurden daher in letzter Zeit in erster Linie mehrjährige Stauden, die Nützlinge und Insekten anlocken sollen. Die bisher für Tulln besonders charakteristischen Rosenbeete in der gesamten Stadt wichen zuletzt vielerorts schmetterlings- und bienenfreundlichen Pflanzen wie Minze, Lavendel und Co.

Allein in diesem Frühling setzten die Stadtgärtnerinnen und Stadtgärtner etwa 5.400 neue Staudenpflanzen. Rosenfans kommen dennoch auf ihre Kosten, die für Tulln typische „Königin der Blumen“ ist nach wie vor omnipräsent, sogar eine eigene Sorte „Rosenstadt Tulln“ kann vielerorts bestaunt und erworben werden.

Gärtner bei der Arbeit im Blumenbeet
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Die Pflege der Grünflächen und Beete erfolgt ohne Einsatz von Pestiziden, Torf und Künstdünger

Wie alle Gärtner kämpfen auch die 30 Tullner Stadtgärtner im Juni gegen Unkraut – das ausschließlich ökologisch, sagt Marietheres Heckl, Obergärtnerin in Tulln. „Wir verzichten schon lange gänzlich auf Glyphosat und sämtliche ähnliche Komponenten. Das bedeutet, dass wir jedes einzelne Pflänzchen im gesamten Stadtgebiet mit der Hand ausreißen oder mit heißem Wasser besprühen. Unser Unkraut wird quasi gekocht, damit wir keine Nützlinge im Boden oder in der Luft gefährden, sondern zum Klima- und Insektenartenschutz beitragen.“

Die ökologische Bewirtschaftung der Gemeindeflächen setzt einen völligen Verzicht von Pestiziden, Torf und Kunstdünger voraus. Tulln war die erste Gemeinde Niederösterreichs, die damit „Natur im Garten“, eine 1999 in Niederösterreich eingeführte Marke des ökologischen Gärtnerns, umgesetzt hat. Eine Marke, deren Botschafterin auch „Die GARTEN TULLN“ ist. Mit ihrer Eröffnung im Jahr 2008 wurde damit in der langen Gartengeschichte der Stadt ein neues Kapitel aufgeschlagen. Gartenschau und Stadt gemeinsam wollen sich seither Seite an Seite als Gartenpioniere positionieren.

Gartenschau ist internationaler Besuchermagnet

Die Idee des ökologischen Gärtnerns zu bewerben und hinauszutragen, sei auch das erklärte Ziel der „GARTEN TULLN“, die europaweit die einzige rein ökologische Gartenschau sei, so Prokurist Thomas Uibel: „Es ist wichtig zu vermitteln, dass ein ökologisch gepflegter Garten – sei es privat zu Hause oder bei der Grünraumbewirtschaftung als Gemeinde – keinen Mangel an optischer Attaktivität bedeutet. Im Gegenteil, wenn ich die Artenvielfalt der Pflanzen und Tiere unterstütze, profitiere ich selbst vom üppigen Ergebnis. Davon kann man sich auf der GARTEN TULLN überzeugen.“

Die Garten Tulln von oben
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Die „GARTEN TULLN“ lockt jährlich 230.000 Menschen nach Tulln

Mittlerweile wird „Die GARTEN TULLN“ mit ihren 65 Schaugärten von mehr als 230.000 Gästen pro Jahr besucht. Laut Uibel stieg zuletzt der Anteil der Besucherinnen und Besucher aus dem Ausland. Damit biete Tulln einen neuen Besuchermagneten und betone das Alleinstellungsmerkmal als Gartenstadt mit jahrzehntelanger Tradition, so Bürgermeister Peter Eisenschenk (ÖVP): „Im Zusammenwirken von Gartenbaumesse, gelebter Gartenkultur in der Stadt und der ‚GARTEN TULLN‘ heben wir uns von anderen Gemeinden ab. Das gibt uns die Chance, Tulln als die Gartenstadt Österreichs zu positionieren.“

Garten als Wirtschaftsfaktor

Laut Eisenschenk bringe das der Stadt auf der einen Seite Wettbewerbsvorteile und würde andererseits ebenso den Einwohnerinnen und Einwohnern zugute kommen. Zuletzt wurden beispielsweise Projekte wie Gemeinschaftsgärten an der Donaulände, Picknickwiesen oder Kräuternaschbeete umgesetzt. Eine Stadtevaluierung habe außerdem ergeben, dass Tulln „im Wettbewerb mit anderen Gemeinden vor allem mit der zeitgemäßen Spezialisierung auf das Gartenthema gewinnen kann“, so Eisenschenk. „Wenn eine Gemeinde heute erfolgreich sein möchte, dann muss sie sich ein Alleinstellungsmerkmal suchen, mit dem sie etwas bieten kann, das weit über das Nötigste hinausgeht.“