Kultur

Musik und Wein lassen Grenze verschwimmen

Die Festivals in Znaim (Tschechien) und Retz (Bezirk Hollabrunn) arbeiten seit Jahren zusammen, zuletzt bei einem Festkonzert. Verbindend ist aber nicht nur die Musik, sondern immer mehr auch der Wein. Davon profitieren Winzer auf beiden Seiten der Grenze.

Ein Blick auf das Musikprogramm reicht an diesem Abend, um sofort das länderübergreifende Thema des Musikfestivals Znojmo zu erkennen. Im alten Kloster St. Hippolyt in der tschechischen Grenzstadt werden nicht nur Antonin Dvoraks „Slawische Tänze“ und Erich Wolfgang Korngolds „Violinkonzert in D-Dur“ gespielt, sondern auch zwei Auftragskompositionen. Diese wurden vom Tschechen Lukas Sommer und dem Klosterneuburger Christoph Ehrenfellner jeweils eigens für diesen Abend geschrieben.

Eine Ode an den Grenzfluss

„Thaya“ heißt das niederösterreichische Werk im Auftrag des Landes, das an diesem Abend uraufgeführt wird. Der Grenzfluss wird darin von der Kammerphilharmonie Prag musikalisch gewürdigt. Komponist Ehrenfellner baut bewusst auch auf den Werken der alten musikalischen Meister auf beiden Seiten der Grenzen auf, in erster Linie natürlich auf Bedrich Smetanas „Die Moldau“. „Wenn man eine symphonische Dichtung auf einen Fluss macht, ist das natürlich irgendwo eine obligate Größenordnung“, meint er.

Grenzüberschreitendes Festkonzert des Festivals Znojmo im Kloster Hippolyt
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Das Festkonzert mit der Kulisse des Znaimer Klosters St. Hippolyt

Eine Kopie des bekannten Werks sei es aber trotzdem nicht. Vielmehr habe er die einzelnen Teilabschnitte des Grenzflusses musikalisch nachgezeichnet, mit Rückgriffen auf klassische Musik genauso wie auf volkstümliche Melodien.

„Entspannte“ Zusammenarbeit mit Retz

Wenige Kilometer von der Grenze entfernt, die früher mit dem Eisernen Vorhang abgeriegelt war, feiert das Musikfestival Znojmo im Jubiläumsjahr 2019 auch sein 15-jähriges Bestehen. Seit Jahren arbeiten die Verantwortlichen mit dem Festival Retz zusammen – eine „sehr angenehme Kooperation, weil sie so entspannt, so unprätentiös ist“, sagt Alexander Löffler, Festivalintendant in Retz. „Wir verabreden Sachen miteinander, von denen wir beide überzeugt sind, und wir machen ansonsten bei unseren Festivals jeweils auch eigene Sachen.“

Heuer, 30 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, ist die Zusammenarbeit besonders stark ausgeprägt. Das Festkonzert im Kloster, bei dem unter anderem ein Shuttlebus von Retz angeboten wird, ist nur ein Beleg dafür. Das grenzüberschreitende Festivalprogramm soll in den nächsten Wochen Musik und Literatur zusammenführen. Nach dem nun erfolgten Auftaktwochenende geht es etwa mit einem „Konzert auf der Brücke“ (20. Juli) direkt an der Grenze in Hardegg (Bezirk Hollabrunn) weiter.

Programm des Festivals Retz am Hauptplatz
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Neben der Kirchenoper „Maria Magdalena“ steht beim Festival Retz heuer einmal mehr die Nachbarschaft zu Tschechien im Mittelpunkt

Die kulturelle Verbindung zwischen dem Weinviertel und Mähren hat mittlerweile auch zu einer wirtschaftlichen geführt. Kaum etwas steht so sehr für dieses transkulturelle Band wie der Wein. Vor drei Jahren vernetzten sich Winzer in und um Retz mit einem eigenen Festivalwein. Darauf aufbauend entstanden weitere Kontakte mit tschechischen Winzern.

Für beides zeichnete Anton Honsig von der Winzeriniative Probus verantwortlich. Bei einer Kulturveranstaltung des tschechischen Festivals „Concentus Moraviae“ in Retz sei man miteinander ins Gespräch gekommen. Das Ergebnis sind „gemeinsame Auftritte von österreichischen und mährischen Winzern wie zuletzt im Musikverein in Wien“, erzählt Honsig.

„Diese Zusammenarbeit gibt es seit zwei Jahren und wir möchten an dieser Form des Austauschs intensiv weiterarbeiten“, sagt Zdenka Kachlova, Leiterin des tschechischen Festivals. Für die Nachbarn sei es großartig, „sich gegenseitig kennenzulernen und zu entdecken – das gilt nicht nur für die Musik, sondern auch für den Wein“, meint die Tschechin gegenüber noe.ORF.at.

„Enormes Potential“ für Winzer

In einigen Teilen und Gesellschaftsschichten Tschechiens ist der Wein zwar seit Jahrhunderten bekannt und beliebt, im klassischen Bierland entdecken ihn aber viele derzeit neu. Das zeigt sich auch diesseits der Grenze – vor allem kulturell. „Es kommen sehr viele Tschechen zum Festival nach Retz“, sagt Katharina Widhalm, die in Pulkau (Bezirk Hollabrunn) eine Weinhandlung betreibt. „Gerade diese Personen sind auch sehr weininteressiert.“ Das eröffne „ein enormes Potential und eine ganz neue Zielgruppe“, sagt Widhalm.

Programm und Wein des Festivals Retz
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Der Festivalwein ist in Retz seit drei Jahren erhältlich

„Speziell in der Festivalzeit“ gebe es viele Besucher aus der Region um Znaim, die sich auch für die lokalen Weine interessieren würden, sagt Elisabeth Ipp, die in Retz die Vinothek „Weinquartier“ leitet. Umgekehrt bietet sie im Geschäft zwar momentan noch keine tschechischen Weine an, „aber es ist angedacht, dass immer wieder Gastwinzer aus Tschechien ihre Weine hier in der Vinothek präsentieren können, um die Grenzen verschwinden zu lassen.“

„Eigenes Geschmacksprofil“ tschechischer Weine

Der mährische Wein schmecke in vielen Fällen zwar ähnlich wie der heimische, aber es gibt doch Unterschiede. Weinexpertin Ipp spricht von einem „eigenen Geschmacksprofil“ der tschechischen Kreationen, das „sehr viel mit Natürlichkeit“ zu tun habe. „Auf dem Sektor wird in Tschechien ganz viel Neues entdeckt, kleinere neue Betriebe gehen an die ganze Sache auch ein bisschen anders heran.“

Die „Zwillingsstädte“ Retz und Znaim

Mittlerweile wird der tschechische Markt auch im Direktvertrieb immer besser erschlossen. In den ersten 15 Jahre nach der Grenzöffnung 1989 habe sich der grenzüberschreitende Weinverkauf noch „schleppend“ entwickelt, erzählt Winzerin Petra Prechtl aus Zellerndorf (Bezirk Hollabrunn). „Es stellte sich dann aber heraus, dass wir Österreicher die Weine aufgrund der größeren Mengen und aufgrund des größeren Sortiments billiger verkaufen können als die Tschechen. Dort gibt es weniger Weinanbauflächen.“

Das Vertrauen sei heute viel höher als früher und der Umsatz steige, erzählt Prechtl. Mittlerweile würden Tschechen bei ihr vorbeikommen, um sich das Auto „wie früher die Österreicher“ mit Wein anzufüllen. „Sie nehmen den Weg auf sich, sind überzeugt und kaufen dann gleich einmal 120 Flaschen.“