Der surrende Ventilator schafft in der Exekutivabteilung des Bezirksgerichts zumindest etwas Abkühlung. Die Hitze ist aber nicht das einzige Problem, das die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter derzeit haben. „Es ist so, dass es in den letzten Jahren bei der Justiz zu massiven Einsparungen in den Kanzleien, im nicht-richterlichen Bereich, gekommen ist“, sagt Maria Hartel, die Vorsteherin des Bezirksgerichts Bruck an der Leitha im Gespräch mit noe.ORF.at.
„Diese Einsparungen führen dazu, dass meine Mitarbeiter verzweifelt sind, schlaflose Nächte haben, weil sich die Aktenberge auf ihren Schreibtischen stapeln und ich tagtäglich vor der Hausforderung stehe, welchen Mitarbeiter ich in welcher Abteilung einsetze und welche Abteilungen unbesetzt bleiben müssen.“
Notfallmodus wegen drei Langzeitkrankenständen
Vor zehn Jahren gab es am Gericht noch neun administrative Mitarbeiter, heute sind es sieben. Drei Langzeitkrankenstände brachten das Fass nun zum Überlaufen. In der Vergangenheit gab es für solche Fälle Vertretungen vom Oberlandesgericht Wien oder anderen Gerichten, aufgrund der Personalnot im gesamten Justizbereich inzwischen aber nicht mehr. Die übrigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen somit die Langzeitkrankenstände auffangen.
Bereits im Mai 2018 hatten die österreichischen Gerichtsvorsteher auf die Personalnot hingewiesen und vor einem möglichen Kollaps gewarnt. In weiterer Folge wurde ein „Plan für den Notfall“ ausgearbeitet, um sicherzustellen, dass der Betrieb auch bei drastischer Personalnot aufrechterhalten werden kann. Dieser Notfallmodus wurde am Bezirksgericht Bruck an der Leitha nun erstmals schlagend.
Telefondienst stark eingeschränkt
„Es ist uns ein großes Anliegen, der Bevölkerung jene Dienste zur Verfügung zu stellen, die sie am Dringendsten benötigt“, sagt Hartel. Inhalt des Notfallplans sei, Prioritäten zu setzen. In Bruck an der Leitha wurde der Telefondienst daher stark eingeschränkt, telefonische Auskünfte werden nur noch von 8.00 bis 12.00 Uhr erteilt. Auch bei der Intensität des Telefondienstes werden Abstriche gemacht. „Es ist nicht mehr möglich, dass sich ein Mitarbeiter stundenlang die Anliegen einer Partei anhören kann“, sagt die Gerichtsvorsteherin. Beglaubigungen, wie sie etwa für Unterschriften auf Kaufverträgen benötigt werden, werden am Bezirksgericht nicht mehr ausgestellt, die Bürgerinnen und Bürger werden an umliegende Notare verwiesen.
Auch innerhalb der Verfahren werden Prioritäten gesetzt. „Familienrechtliche Streitigkeiten, also insbesondere Verfahren, die minderjährige Kinder betreffen, Sorgerechts-, Unterhalts-, Gewaltschutz- und Erwachsenenschutzverfahren haben hohe Priorität, hingegen hat eine Besitzstörungsklage wegen eines Parkplatzes oder ein Verkehrsunfall niedrige Priorität. Dementsprechend muss ich das Personal im administrativen Bereich einsetzen“, so Hartel. Einzelne Abteilungen – beim Lokalaugenschein von noe.ORF.at am Donnerstag die Grundbuchabteilung etwa – bleiben somit an manchen Tagen unbesetzt. Es kommt teilweise zu einer längeren Verfahrensdauer.
Weniger, aber komplexere Verfahren
Rund 14.000 Verfahren werden jährlich am Bezirksgericht in Bruck an der Leitha abgewickelt, Tendenz leicht sinkend. Der Umfang und die Komplexität der Verfahren würden jedoch steigen, verweist die Gerichtsvorsteherin auf das Beispiel der Insolvenzen. In diesem Bereich sei es zu einem Anstieg von 100 Prozent gekommen, sagt Hartel. Teilweise gebe es zudem bis zu 100 Forderungsanmeldungen, die bearbeitet und berücksichtigt werden müssten.
Darüber hinaus würde der Auslandsbezug steigen. Das Bezirksgericht ist immer öfter für slowakische Staatsbürger zuständig, die ihren Wohnsitz nach Österreich verlegen. „Das wird in sämtlichen Verfahren schlagend und führt dazu, dass wir schriftliche Übersetzungen brauchen, Dolmetscher bestellen müssen, die Gebühren der Dolmetscher bestimmen müssen. Auch bei den Zustellungen ist ein höherer Arbeitsaufwand zu verzeichnen.“
Richtervereinigung: „Keine Kampfmaßnahme“
Seitens der Richtervereinigung betont man am Donnerstag gegenüber noe.ORF.at, dass der Notfallmodus kein Protest bzw. keine Kampfmaßnahme sei, sondern vielmehr eine Hilfestellung für Gerichte, um die „drückende Personalsituation zu stemmen.“ Ein offizieller Notfallmodus wurde bislang nur aus Bruck an der Leitha gemeldet, einzelne Notfallmaßnahmen – wie einen eingeschränkten Telefondienst – gibt es inzwischen aber auch in anderen Bezirksgerichten wie Baden oder Schwechat (Bezirk Bruck an der Leitha).