„Bei uns arbeitet keiner, der das Handwerk nicht gelernt hat. Das ist Pflicht. Aber es gibt heute viele Friseure ohne Ausbildung, leider“, sagt Neziri Alatin, der seit Oktober einen Barbershop in der Innenstadt in Wiener Neustadt betreibt. Er ist gelernter Herrenfriseur und kommt ursprünglich aus Mazedonien. Dass es in der Branche nicht immer fair zugeht, weiß Alatin.
Neben einer oft fehlenden Ausbildung werde in Barbershops laut Finanzpolizei auch nicht immer korrekt abgerechnet. Einige Betreiber würden unter anderem die Preise drücken und einen Haarschnitt für sieben bis zehn Euro anbieten. Diese billigen Angebote mancher Konkurrenz machten es Neziri Alatin vor allem zu Beginn schwer. „Ich habe mit 13 Euro angefangen, das musste ich machen. Jetzt verrechne ich 17 Euro für einen Haarschnitt. Das ist noch immer wenig, aber mehr können wir derzeit nicht machen.“ Denn Kunden hätten sich bei ihm bereits beschwert, dass Haarschnitte woanders billiger seien.
Finanzpolizei will Branche im Auge behalten
Die Finanzpolizei will nun diese wachsende Branche, vor allem im innerstädtischen Bereich, weiter im Auge behalten und die Kontrollen auf Niederösterreich ausweiten. „Man muss keine volkswirtschaftliche Ausbildung haben, um herauszufinden, dass ein Haarschnitt mit weniger als zehn Euro bepreist, letztlich dazu führt, dass die Lohn- und Umsatzsteuer sowie die Sozialversicherungsabgaben nicht mehr in der vollen Höhe abgeführt werden können. Das geht sich kalkulatorisch gar nicht aus“, sagt Wilfried Lehner, Leiter der Finanzpolizei.
Bei ersten Kontrollen in der Steiermark und Kärnten wurden bei 60 bis 80 Prozent der Betriebe Verstöße aller Art festgestellt. Sehr oft wurden etwa Mitarbeiter nicht korrekt angemeldet, berichtete die Finanzpolizei. Verstöße gegen die Registrierkassenpflicht wurden ebenso festgestellt wie Fälle von Steuerbetrug. Die Finanzpolizei habe dazu Testkäufe durchgeführt. In Kärnten sprachen die Beamten sogar von „mafiösen Strukturen“, nach denen Shops in ganz Österreich betrieben würden und krakenartig miteinander vernetzt seien: „Da bereichern sich die Leute im Hintergrund.“ Je nach Art und Häufigkeit des Vergehens kann es laut Lehner von einer Geldstrafe bis hin zu einer Geschäftsschließung kommen.
Wirtschaftskammer will faire Bedingungen
Bei der Wirtschaftskammer Niederösterreich will man mit den Kontrollen vor allem für Chancengleichheit sorgen. „Ich wünsche mir nur einen fairen Wettbewerb. Es geht nicht um einen neuen, zusätzlichen Mitbewerb, sondern um die Fairness. Alle sollen ihre Abgaben leisten und die Mitarbeiter fair bezahlen. Dann geht jeder vom gleichen aus, und der Kunde kann dann entscheiden, wo er hingeht“, sagt Silvia Rupp, Landesinnungsmeisterin der Friseure in der Wirtschaftskammer Niederösterreich.
Auch Neziri Alatin würde sich wieder Ordnung in der Branche wünschen. „Jeder hat einen eigenen Beruf“, sagt der Barbershop-Betreiber. Wann, wo und wie die Kontrollen künftig in Niederösterreich aussehen und stattfinden werden, will die Finanzpolizei aus ermittlungstaktischen Gründen nicht preisgeben.