Wiener Neustadt und das südliche Niederösterreich hatten nach 1938 für die Nationalsozialisten und deren Kriegspläne eine große Bedeutung. Stefan Eminger vom Niederösterreichischen Landesarchiv: „Das Wiener Becken ist deshalb so wichtig gewesen, weil es zu einem Zentrum der Luftwaffenindustrie geworden ist. In Wiener Neustadt waren bei Hermann Görings Flugzeugwerke bis zu 23.000 Menschen beschäftigt, bei den Flugmotorenwerken Wiener Neudorf arbeiteten bis zu 20.000 Personen. Dort sind gewaltige Mengen an Rüstungsgütern hergestellt worden.“
80 Jahre Zweiter Weltkrieg
Berichte über den Beginn des Krieges gibt es in „NÖ heute“ am 29. und 30. August sowie in „Menschen & Mächte spezial“ (ORF 2, 31. August, 17.05 bis 19.00 Uhr) mit dem Schwerpunkt der Ereignisse in den Bundesländern.
Widerstand führte zum Tod
Zahlreiche Betriebe produzierten während der NS-Zeit für die Kriegsindustrie, unter anderem auch die Wiener Neustädter Lokomotivfabrik. Dort gab es Arbeiter, die Widerstand leisteten. Einer von ihnen war Karl Flanner, Jahrgang 1920. Er war für das Zusammenschweißen von Blechen für die Herstellung von Lokomotivtendern zuständig.
Das konnte man korrekt oder schlampig machen, erzählte Flanner in einem ORF-Interview im Jahr 2001: „Dann platzt die Naht, das Blech springt auf, der Tender ist nicht mehr zu gebrauchen. Es war Sabotage, was ich und viele andere gemacht haben. Bei jenen, denen man das nachweisen konnte, hat das zum Tod geführt.“
Der kriegswichtige Standort war vor allem ab 1943 das Ziel der Alliierten. Am 13. August 1943 wurde mit Wiener Neustadt die erste österreichische Stadt von den Amerikanern bombardiert. Christian Rapp, Wissenschaftlicher Leiter des Hauses der Geschichte in St. Pölten: „Die Amerikaner flogen – im Gegensatz zu den Briten in Deutschland – verhältnismäßig präzise, ihnen ging es in erster Linie um Rüstungsunternehmen und Verkehrseinrichtungen wie Bahnhöfe. Man kann das heute noch sehr gut erkennen: In Deutschland hat man zum Teil verwüstete Innenstädte, aber der Bahnhof ist stehengeblieben, wie etwa in Köln oder Dresden. In Österreich gab es fast nirgends einen intakten Bahnhof, aber dafür ist man von den Flächenbombardements, mit denen ganze Altstädte vernichtet wurden, eigentlich verschont geblieben – bis auf Wiener Neustadt.“
„Nach einer Stunde war dann plötzlich Stille“
Für die Menschen kam der erste Bombenangriff der Amerikaner damals unerwartet, erzählten im Jahr 2003 Zeitzeugen aus Wiener Neustadt in ORF-Interviews. „Als wir die Sirenen hörten, habe ich zu meiner Mutter gesagt, dass sie sitzen bleiben könne, es sei nur ein Probealarm. Aber dann hörte ich schon die Bomber, habe aus dem Fenster geschaut und gesehen, wie sie ihre Bomben abwerfen“, schilderte Hanna Engel. Walter Edelbauer: „Unsere Blockwartin hat gesagt, dass wir in den Luftschutzkeller gehen sollen, denn es werde nun ernst. Und dann hat es schon gekracht.“ „Wir waren alle in den Kellern. Die Angriffe haben etwa eine Stunde gedauert, und dann war plötzlich Stille“, erzählte Karl Bauer.
Die Bilanz des ersten Luftangriffs, bei dem 120 Tonnen Bomben auf Wiener Neustadt abgeworfen wurden: 134 Tote und mehr als 900 Verletzte. Bis Kriegsende legten 52.000 Fliegerbomben Wiener Neustadt in Schutt und Asche, nur 18 Häuser blieben unbeschädigt.