Esche am Boden vor Wald
APA/Herbert Pfarrhofer
APA/Herbert Pfarrhofer
Wissenschaft

Eschensterben: „Dramatische Entwicklung“

2005 wurde der pilzliche Erreger des Eschensterbens erstmals in Österreich nachgewiesen. Heute „gibt es keine gesunde Esche in Waldflächen mehr“, schlagen Experten Alarm. Zuversichtlich stimmen erste Ergebnisse aus Europas größtem Versuchsgarten in Tulln, um resistente Eschen zu finden.

Während die Wissenschaft im Versuchsgarten in Tulln nach resistenten Pflanzen sucht, ist die Situation in Österreichs Wäldern dramatisch, wie Forstwirt und Forsttechniker der Landesforstdirektion Niederösterreich, Reinhard Hagen, bestätigt. „Wenn man vergleicht, in den 15 Jahren, wo diese Symptome und der Pilz bekannt sind, hat sich die Situation sehr dramatisch weiterentwickelt. Nahezu der gesamte Eschenwaldbereich ist betroffen, und gerade in den vergangenen zwei bis drei Jahren hat man deutlich gesehen, dass die Mortalitätsrate stark gestiegen ist.“

In Niederösterreich seien etwa die Donauauen in Korneuburg und Tulln, aber auch Schutzwaldbereiche im Alpenvorland stark betroffen. Dort sehe man, dass sich das Absterben der Esche recht stark weiterentwickelt hat.

Mittlerweile „alle Altersstufen der Eschen betroffen“

Um wie viel der Eschenbestand durch den Pilz zurückgegangen ist, sei schwierig zu sagen, allerdings: „Es gibt keine gesunde Esche in Waldflächen oder in Böschungsbereichen mehr“, bringt es Forstexperte Hagen auf den Punkt. Dramatisch sei vor allem, dass der Befall jetzt nicht mehr nur die ganz jungen Bäume befalle.

„Jetzt sind alle Altersstufen betroffen und auch verteilt durch Bereiche entlang von Bächen und Gräben, sowie Schutzwald in höheren Lagen. Das ist für uns das Dramatische, weil dort dann auf einmal auch Waldbestände zusammenbrechen und die Mortalität steigt, wo der Wald eine wichtige Funktion für darunterliegende Ortschaften, Straßen und Siedlungen innehat.“ Die Situation habe sich auch verschärft, weil Eschen seit etwa drei Jahren „mehr oder weniger unvermutet umfallen“, so Hagen. Während der Pilz zur Kronenverlichtung führt, sei jetzt noch hinzugekommen, dass die Wurzeln in kürzester Zeit absterben können.

Stark erkrankter Eschenbestand
DI Dr. Reinhard Hagen
Stark erkrankter Eschenbestand

„Besonders aggressive Pilzsporen“

Seit rund 20 Jahren befindet sich das Falsche Weiße Stengelbecherchen (Hymenoscyphus fraxineus), welches vermutlich aus Nordostasien eingeschleppt wurde, in Europa auf dem Vormarsch. Von Polen (1992) und Litauen (1996) ausgehend, breitete sich die Krankheit nahezu über das gesamte Verbreitungsareal der Gemeinen Esche aus und stellt ein schwerwiegendes ökologisches und ökonomisches Problem dar.

Die Pilzsporen seien besonders aggressiv, wie Hagen sagt. Sie verteilen sich über Regen, Wind und Wasser. Die Erkrankung ist nicht nur in Österreich Thema, sondern in ganz Zentraleuropa. Umso bedeutsamer sind die weltweiten Bemühungen der Forschung, Lösungen gegen das Eschensterben zu finden. Dafür nahm vor zwei Jahren ein Versuchsgarten in Tulln den Betrieb auf.

Thomas Geburek
BfW
Biogenetiker Thomas Geburek leitet das Projekt in Tulln

36.000 junge Eschen unter Beobachtung

Der Langzeitversuch der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) gemeinsam mit dem Bundesforschungszentrum für Wald (BFW) ist der größte derartige Versuch in Europa. Zwischen Tulln und Neuaigen wachsen derzeit mehr als 36.000 junge Eschen, die aus den Samen von 700 Mutterbäumen aus ganz Österreich herangezogen wurden. Die Samen sind anscheinend gegenüber dem Schadpilz Hymenoscyphus fraxineus, dem Erreger des Eschentriebsterbens, resistent.

Vor zwei Jahren wurde das Saatgut dazu im Versuchsgarten Tulln ausgebracht. „Wir haben in ganz Österreich weitgehend feldresistentes Material versucht zu identifizieren“, sagt Thomas Geburek, Leiter des Instituts für Waldgenetik, der das Projekt für Eschentriebsterben leitet. Das Ganze sei ein enormer logistischer Aufwand gewesen, so Geburek.

„Sex der Bäume wichtig“ für genetische Infos

„Es nutzt ja nichts, wenn wir eine gesunde Esche in Salzburg, eine in Niederösterreich und eine in Vorarlberg haben: Die können ja miteinander keinen Sex haben. Sex der Bäume ist auch wichtig, um genetische Informationen auszutauschen und auch genetisch variabel zu bleiben. Das Ziel der ganzen Sache ist, dass wir eine Erhaltungspopulation schaffen wollen, und das auch sicherlich tun werden, wo sich dann resistentes Material fortpflanzt und wir langfristig von Samenplantagen das Saatgut dann wieder zurück in den Naturschutz und vor allem auch in die Forstwirtschaft bringen“, so der Forstgenetiker.

Jeder der Keimlinge ist mit einem Strichcode gekennzeichnet, um seine Reaktion gegenüber dieser Krankheit zu dokumentieren. Durch den hohen Befallsdruck durch auch künstlich eingebrachte Pilzsporen erkranken selbst die Nachkommen gesunder Mutterbäume. Doch einige dieser jungen Eschen können den Befall gut abwehren und weisen keine oder nur sehr geringe Krankheitssymptome auf. Diese Pflanzen sollen dann langfristig weitervermehrt werden. „Wir sind interessiert, die besonders resistenten zu finden. Da bleiben dann vielleicht 200 bis 300 Bäume über, die dann in Samenplantagen untergebracht werden, um dann Saatgut zu produzieren.“

„Versuchsergebnisse ausgesprochen positiv“

„Bislang sind die Versuchsergebnisse ausgesprochen positiv. Ich bin sehr zuversichtlich, dass es uns gelingen wird, resistentes Material für Österreich zu beschaffen“, so Geburek. Zwei Jahre nach Projektbeginn seien etwa 50 Prozent der 36.000 Eschen symptomfrei. „Wir sind natürlich daran interessiert, nicht nur Eschen zu finden, die gegenüber dem Eschentriebsterben resistent sind, sondern auch, dass die Bäume möglichst gerade sind und möglichst gut wachsen“, da diese letztlich für die Forstwirtschaft zur Verfügung stehen sollen. „Dementprechend suchen wir aus dem gesunden Material auch solche aus, die besonders gut im Wachstum sind, damit sie letztlich auch das Holz produzieren können.“

Unterschiede beim Blattfall verschiedener Bäume
DI Dr. Reinhard Hagen
Unterschiede beim Blattfall verschiedener Bäume

Folgeantrag für Foschungsprojekt gestellt

„Dieses Projekt ist ja 2015 gestartet. Das ist jetzt in der ersten Phase heuer zu Ende gegangen. Wir haben vor etwa einer Woche beim Ministerium einen Folgeantrag gestellt“, sagt Geburek, der sich zuversichtlich zeigt, dass die Forscher auch in Zukunft in Tulln nach resistenten Eschen suchen.

Dass die Esche als der eigentlich zweithäufigste Laubbaum im österreichischen Ertragswald sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich eine sehr interessante Baumart ist, teilen die beiden Experten. Eine hohe Standorttoleranz macht sie ebenso interessant wie das enorme Anpassungspotenzial. Zudem zählt eine gesunde Esche zu den wertvollsten Hölzern europäischer Edellaubbaumarten.

Woran erkennt man den Pilzbefall?

„Wenn dieser Pilz die Esche im Kronenbereich befällt, sieht man die Anzeichen. Das äußert sich entweder in braunen Blättern oder Astteilen, auch schon im Frühsommer. Man sieht dann eben, dass die Krone verlichtet, dass viele Dürräste sind, die keine Blätter tragen und der Baum nicht mehr gesund ausschaut“, so Forsttechniker Hagen. Wenn eine Esche frei stehend ist, könne es durchaus sein, dass diese gar keine Symptome zeigt, weil der Pilz eben nicht vordringen konnte.

„Das Hauptthema sind Waldflächen, wo Eschen vorkommen oder bach- oder flussbegleitende Gehölzgruppen mit viel Eschen. Dort breitet sich der Pilz von einer zur anderen Esche aus. Wenn in Parkbereichen oder privaten Gartenbereichen eine einzelne Esche steht und kein Infektionsdruck vorhanden ist, dann muss dieses Symptom dort nicht vorkommen.“

Gutachter übernimmt Haftung für zwölf Monate

Privatpersonen rät der Experte jedenfalls im Zweifel zu einem Forstgutachten. „Wenn dieser Baum in seinem Garten neben einer Straße oder neben einem Nachbargrundstück steht, sollte man schon aufpassen und einen privaten Sachverständigen holen, der ein Gutachten macht und beurteilt, ob der Baum gefährlich ist.“

Durch das Gutachten übernimmt der Sachverständige ein Jahr lang die Haftung. Was den Wald betrifft, so hätten Waldbesitzer in vielen Bereichen rasch und umsichtig reagiert und Eschen schnell entfernt. „Darum fällt es vielleicht Wanderern gar nicht so auf, weil kranke Bäume rasch entnommen wurden. Wenn man durch den Wald geht, als Waldbesitzer, sieht man sehr wohl, dass die Situation noch ausgesprochen ernst ist.“