Das Ehepaar Ludwig und Maria Knapp, die 1945 ein Sägewerk in Schützenberg bei Weitra (Bezirk Gmünd) besaßen, haben 26 jüdische Zwangsarbeiter vor der Ermordung im KZ gerettet. Am Wochenende wurde zu ihren Ehren in Weitra eine Allee nach ihnen benannt.
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Erinnerung an Ehepaar, das 26 Juden rettete

Das Ehepaar Ludwig und Maria Knapp, das 1945 ein Sägewerk in Schützenberg bei Weitra (Bezirk Gmünd) besaß, hat 26 jüdische Zwangsarbeiter vor der Ermordung im KZ gerettet. Am Wochenende wurde zu ihren Ehren in Weitra eine Allee nach ihnen benannt.

Ludwig und Maria Knapp (im Bild oben) wurden im April 1945 für 26 jüdische Zwangsarbeiter zu Lebensrettern. Diese arbeiteten – wie auch französische Kriegsgefangene – im Sägewerk der Knapps. Etwa 40.000 ungarisch-jüdische Zwangsarbeiter waren kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs in Arbeitslagern auf dem Gebiet des heutigen Österreich interniert. Vor der heranrückenden Roten Armee erfolgte ihre sogenannte „Evakuierung“ in die Konzentrationslager Mauthausen und Theresienstadt. Kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs wollte die SS auch die 26 Juden, die bei den Knapps arbeiteten, in das KZ Theresienstadt abtransportieren.

„Für meinen Großvater war klar, dass er sie nicht ausliefern wird. Mit Unterstützung der französischen Kriegsgefangenen hat er die 26 Juden versteckt, in Holzstößen, in Zwischenböden, im Haus und im Heustadel“, erzählt Arthur Buchhöcker, Enkel von Maria und Ludwig Knapp. Einige versteckten sich bis zum Kriegsende am Dachboden des Wohnhauses, einige Gefangenen waren in den Wäldern. Alle 26 wurden von der SS nicht entdeckt.

Die Erinnerungen eines Überlebenden

György Karmann war elf Jahre alt, als er am 17. Juli 1944 in Weitra ankam. Seine Erinnerungen sind in dem Buch „SHATIL. Interventionen in die Erinnerungskultur des Waldviertels“ abgedruckt. Dieses Buch ist die Projektdokumentation, die im Zuge des Viertelfestival Niederösterreich 2006 entstand.

"Zuerst waren wir in einem Dachraum eines Hauses in Weitra untergebracht. Wir arbeiteten in Herrn Ludwig Knapps Sägewerk in Schützenberg, zu welchem wir täglich zu Fuß gehen mussten, was die Strapazen eines zehnstündigen Arbeitstages bei schlechter Ernährung noch vergrößerte. Um die umständliche und der Arbeitsleistung abträgliche Situation zu verbessern, ließ Herr Ludwig Knapp im Oktober direkt beim Sägewerk von den dort eingesetzten französischen Kriegsgefangenen und unter unserer Mithilfe eine Baracke bauen. Die besseren räumlichen Bedingungen und zwei mit Sägespänen beheizbare Öfen trugen nun zu einer relativ erträglichen Lebenssituation bei, ebenso wie die Versorgung mit den allernötigsten Kleidungsstücken und Holzschuhen für den bevorstehenden Winter, die Herr Knapp beschaffen konnte. Die Verpflegung mit Lebensmitteln war äußerst mangelhaft und bestand hauptsächlich aus Erdäpfeln und Rüben, sowie einer täglichen Brotration von 50 Gramm.

Mitte April 1945 war der generelle Abzug der jüdischen Zwangsarbeiter/innen aus den Einsatzorten und ihre anschließende Deportation nach Theresienstadt geplant. Allen Anordnungen zum Trotz traf Herr Ludwig Knapp die Entscheidung, die jüdischen Familien vor der Deportation zu retten. Bei der Umsetzung dieses Vorhabens unterstützten ihn die französischen Kriegsgefangenen. Herr Knapp selbst verließ Schützenberg für einige Tage, um als für die Juden Verantwortlicher der Konfrontation mit dem Abholkommando zu entgehen.

Die Franzosen versteckten uns alle, für mich und meine Familie war ein Mann namens Roger verantwortlich. (…) In der Nacht sind wir wieder nach Schützenberg zurückgekehrt. Dort haben wir am Dachboden des Hauses, wo das Stroh für die Pferde gelagert war, 3 Wochen verbracht. Wir konnten nur sitzen, aufstehen war nicht möglich, weil es so niedrig war. Roger hat uns täglich Essen gebracht und den Kübel. Niemand hat erfahren, wo wir versteckt waren. Am 9. Mai 1945 war der Weltkrieg endlich zu Ende und wir waren frei."

Das eigene Leben für das Leben von 26 Menschen riskiert

„Auf diesem Weg sind sie dem sicheren Tod im KZ Theresienstadt entkommen. Es war eine große Tat von Maria und Ludwig Knapp, und es war auch sehr gefährlich“, sagt Wolfgang Katzenschlager, Stadthistoriker von Weitra. Ludwig Knapp und seine Ehefrau riskierten mit dieser Aktion auch ihr eigenes Leben. „Mein Großvater hat gesagt, dass ihm diese Menschen anvertraut wurden. ‚Sie haben für mich gearbeitet, daher war ich für sie verantwortlich. Und damit war es klar, dass ich sie retten werde‘“, so Arthur Buchhöcker.

Das Ehepaar Ludwig und Maria Knapp, die 1945 ein Sägewerk in Schützenberg bei Weitra (Bezirk Gmünd) besaßen, haben 26 jüdische Zwangsarbeiter vor der Ermordung im KZ gerettet. Am Wochenende wurde zu ihren Ehren in Weitra eine Allee nach ihnen benannt.
privat
Die Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem

„Familie Knapp erhielt kein Geld und gab große Summen aus, um die bedürftigen Juden mit Nahrung und Kleidung zu versorgen, darunter auch diejenigen, die nicht in der Lage waren, für sie zu arbeiten. Nach der Kapitulation NS-Deutschlands am 9. Mai 1945 kamen die Arbeiter aus dem Versteck. Die Familie Knapp half ihnen weiterhin, indem sie für ihre Grundbedürfnisse aufkam und ihnen sogar Geld für die Heimfahrt gab“, kann man im Lexikon der Gerechten unter den Völkern, herausgegeben von Israel Gutman, lesen.

Am 28. April 1968 wurde das Ehepaar Knapp durch den Staat Israel geehrt und in Yad Vashem als „Gerechte unter den Völkern“ aufgenommen. Yad Vashem ist in Jerusalem die Gedenkstätte der Märtyrer und Helden des Staates Israel im Holocaust. „Ich war heuer in Jerusalem, in Yad Vashem. Ich habe mir die Gedenktafeln angeschaut und den Baum in der Allee der Gerechten, der für jede und jeden Gerechten gepflanzt wurde und wird. Es war sehr beeindruckend“, schildert Buchhöcker.

Geschichte der Knapps soll in Erinnerung bleiben

In Weitra benannte man nun, 80 Jahre nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs, eine Allee zu Ehren von Ludwig und Maria Knapp. Die 92-jährige Tochter des Ehepaares enthüllte das Straßenschild. Die Geschichte der Knapps soll auch in Weitra lebendig bleiben. „Das ist auch für die Stadtgeschichte ein ganz wichtiges Ereignis, und darauf wollen wir die Menschen immer hinweisen“, so Vizebürgermeisterin Petra Zimmermann-Moser (ÖVP). Im jüdischen Talmud heißt es: „Wer ein Leben rettet, rettet die ganze Welt.“