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Chronik

Dialog gegen Hasspostings im Internet

Hasspostings im Internet nehmen zu: 2005 gab es in Österreich 14 Anzeigen wegen hetzerischer Kommentare oder ähnlicher Postings, 2018 waren es über 1.000. Der Verein Neustart startete nun mit der Staatsanwaltschaft das Projekt „Dialog statt Hass“.

Hilfe bei Hass im Netz

Bei Hasspostings unterstützen unter anderem:

Gesellschaftliche Debatten werden immer öfter in den Sozialen Medien ausgetragen und zwar im Schutz vermeintlicher Anonymität. Personen lassen sich zu strafrechtlich relevanten Äußerungen hinreißen oder teilen entsprechende Inhalte und überschreiten damit strafrechtliche Grenzen. Die Anpassung des Paragraphen 283 StGB (Verhetzung) führte zu einem Anstieg der Verurteilungen. 2010 gab es in Österreich neun, 2017 bereits 135 Verurteilungen wegen Verhetzung.

Wer Hasspostings öffentlich macht, dem droht eine Gefängnisstrafe von bis zu drei Jahren, weiß Michaela Schnell, Sprecherin der Staatsanwaltschaft St. Pölten. „Von einem Hassposting sprechen wir etwa dann, wenn in einer breiten Öffentlichkeit, insbesondere im Bereich der Sozialen Medien, gegen eine gewisse Gruppe, die sich durch die Religionszugehörigkeit, durch das Fehlen oder Vorhandensein gewisser Merkmale der Rasse oder eine sexuelle Ausrichtung definiert, zur Gewaltausübung aufgerufen wird.“

Paragraf Auszug Verhetzung
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Neustart-Teilnehmer lernen, wie sie Kritik formulieren können, ohne gegen das Gesetz zu verstoßen

Viele wissen nicht, dass sie sich strafbar machen

„Viele Verfasser von Hasspostings wissen gar nicht, dass sie sich mit solchen Kommentaren in den Sozialen Medien strafbar machen“, sagt Alexander Grohs, Leiter des Vereins Neustart für Niederösterreich und das Burgenland, „und das ist auch der Punkt, wo wir ansetzen. Wir arbeiten nicht an der Gesinnung, sondern am Verhalten. Es geht auch nicht darum, dass man sich nicht mehr in den Sozialen Medien bewegt. Es geht darum, wie man sich dort bewegen und Kritik formulieren kann, ohne sich strafbar zu machen.“

2017 startete das Programm des Vereins Neustart, das zunächst als Modellprojekt in ausgewählten Regionen durchgeführt wurde. Seit Juli 2019 läuft es flächendeckend in Österreich. Die Klienten werden meist direkt von der Staatsanwaltschaft zugewiesen, erklärt Alexander Grohs. Dabei handelt es sich übrigens selten um Jugendliche, so der Neustart-Leiter: „Etwa 73 Prozent der Personen, die dem Programm zugewiesen wurden, sind Männer im Alter zwischen 40 und 60 Jahren. Auffällig ist auch, dass viele Personen erst seit kurzem Kontakt mit Sozialen Medien hatten und sich der Mechanismen gar nicht wirklich bewusst waren“.

Neustart-Programm als außergerichtliche Lösung

Sechs Monate lang absolvieren die Klienten beim Verein Neustart ein Programm, das sich in mehrere Module gliedert. Im Dialog mit den Neustart-Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern setzen sie sich zum Beispiel mit dem Thema Diskriminierung auseinander. Bei erfolgreichem Abschluss des Programms ersparen sich die Klienten das Gerichtsverfahren.

Seitens der Staatsanwaltschaft begrüßt man das Programm: „Wir erwarten uns eine entsprechende Sensibilisierung der betroffenen Personen, die vielleicht auf bestimmte Ereignisse überzogen reagieren. Wenn man sich mit diesen Personen auseinandersetzt, beide Seiten betrachten kann, dann ist es durchaus wünschenswert hier eine außergerichtliche Lösung zu finden“, so Michaela Schnell. Die erste Bilanz fällt positiv aus, heißt es bei Neustart. 91 Prozent der Klienten zeigen sich einsichtig und würden ein derartiges Posting, so wie sie es formuliert haben, nun nicht mehr schreiben.