Kinder gehen zur Schule
Stefan Baumann
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Verkehr

Schule will „Elterntaxis“ verbannen

Laut VCÖ sind österreichweit etwa 150.000 sogenannte Elterntaxis unterwegs. Eltern, die ihre Kinder mit dem Auto bis zur Schule fahren, provozieren damit oft ein gefährliches Verkehrschaos. Die Volksschule Purkersdorf (Bezirk St. Pölten) will den Elterntaxis ein Ende setzen.

Das Phänomen der Elterntaxis kennen viele Schulen und sie sind täglich mit den damit verbundenen Verkehrsunsicherheiten konfrontiert, wenn kurz vor Unterrichtsbeginn Autos quasi im Stakkato-Takt an- und wieder abfahren. Besonders heikel ist die Situation in Purkersdorf (Bezirk St. Pölten). Dort befindet sich Niederösterreichs Volksschule mit den meisten Schülerinnen und Schülern. Gegen 8.00 Uhr in der Früh kommen etwa 340 Kinder, außerdem etwa 40 Kinder der im selben Gebäude untergebrachten Sonderschule.

Der Elternverein der Volksschule Purkersdorf
Stefan Baumann
Der Elternverein arbeitete ein Jahr lang an einem Konzept, das Autos von der Schule fernhalten soll

Die Sackgasse im Stadtzentrum nahe des Bahnhofs wird jeden Tag zum Nadelöhr, wenn Eltern direkt vor der Schule nach einem Halteplatz suchen, um ihre Kinder aussteigen zu lassen. „Bevor sie dann wieder wegfahren können, müssen sie reversieren und das passiert dann oft auf dem Gehsteig direkt vor dem Schuleingang“, erzählt Elternvereinsobmann Andreas Steinbichler. Staus im Nahbereich der Schule, von Autos blockierte Busspuren, missachtete Verkehrszeichen und gefährliche Wendemanöver stehen damit an der Tagesordnung.

Jedes Kind soll zu Fuß in die Schule kommen wollen

Aus diesem Grund initiierte der Elternverein das Projekt „Coole gehen zur Schule“, das im letzten Jahr in Zusammenarbeit mit der Volksschule, der Stadtgemeinde Purkersdorf und den Blaulichtorganisationen entwickelt wurde und zur Entschärfung der Verkehrssituation vor der Schule beitragen soll. Das ambitionierte Ziel: Jedes Kind der Volksschule Purkersdorf soll ab diesem Schuljahr zumindest den letzten Teil seines Schulweges zu Fuß zurücklegen.

Eine für Kinder gestaltete Straßenkarte
ORF/Berger
Eine eigens produzierte Schulumgebungskarte für Kinder zeigt sichere Schulwege auf

Dazu wurden von der Polizei zwei als sicher eingestufte „Kiss and go“-Bereiche evaluiert, „also Elternhaltestellen, an denen Kinder sicher aus dem Auto austteigen können. Beide Haltestellen sind ungefähr 500 Meter von der Schule entfernt. Außerdem haben wir sogenannte Pedibusse eingerichtet, wo einige Eltern die Kinder zusammensammeln und mit ihnen gemeinsam zur Schule gehen“, erläutert Eltervertreter Steinbichler. Für die Kinder werden im Laufe des Schuljahres auch Workshops zu den Themen Verkehrssicherheit und Bewegung angeboten, Eltern werden mit Informationsveranstaltungen und eigenen Broschüren aufgeklärt. Darüber hinaus bekam jedes Kind zum Schulbeginn eine für Kinder gestaltete und handliche Übersichtskarte, auf der die sichersten Wege zur Volksschule eingezeichnet sind.

Projektstart mit großer Malaktion und Wettbewerb

Am Dienstag fand zum Auftakt des Projektes eine Aktion in der Volksschule statt, bei der die Gemeinde die Straße zur Schule sperren ließ, damit die Schülerinnen und Schüler den gesamten Straßenbereich vor der Schule mit Straßenmalkreiden gestalten konnten. „Das soll ein unübersehbares Zeichen für alle Eltern sein, dass dieser Raum unmittelbar vor der Schule den Kindern zur Verfügung stehen soll. Welcher Elternteil fährt schließlich gerne über die Kunstwerke seines Kindes?“, so der Elternvereinsobmann Steinbichler.

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Gesamte Straße vor der Schule ist bemalt
ORF/Berger
In Zukunft soll die Straße vor der Schule autofrei bleiben – dazu haben die Kinder den Asphalt bemalt
Kinder bemalen die Straße mit Kreiden
ORF/Berger
Kind malt auf der Straße
Stefan Baumann
Kinder bemalen die Straße mit Kreiden
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Zwei Mädchen mit ihren neuen Schrittzähleruhren
Stefan Baumann
Schrittzähleruhren sollen motivieren, zu Fuß in die Schule zu gehen
Kinder bekommen neue Schrittzähleruhren
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Außerdem bekam jedes Kind eine Schrittzähluhr geschenkt. Alle Klassen treten dabei im Wettbewerb gegeneinander an. Für jeden gegangenen Schulweg ist pro Kind ein Punkt zu holen. Jene Klasse mit den meisten Punkten am Ende des Schuljahres wird mit einem Preispaket belohnt. Damit wolle man die Kinder ermutigen, aus eigener Motivation zu Fuß zur Schule kommen zu wollen. „Der Effekt, auf den wir hoffen, ist, dass die Kinder ihre Eltern auffordern, sie zumindest eine Teilstrecke zu Fuß gehen zu lassen. Ich glaube, wenn die Kinder ihre Eltern erziehen, dann fruchtet der Gedanke unseres Konzeptes am besten“, so Steinbichler. Unterstützt wird die Schule bei ihren Vorhaben auch von Wirtschaftsunternehmen, die beispielsweise die Uhren, die Erstellung von Informationsmaterialien oder Aufkleber sponserten.

Schulwegmaßnahmen sind auch Klimaschutzmaßnahmen

Beraten wurde die Schule dabei im Vorfeld vom Klimabündnis Niederösterreich, das Schulen in Fragen des Mobilitätsmanagements unterstützt, erzählt Bianca Bauer: „Wir betreuen die Schule ein Jahr lang, analysieren die jeweilige Schulwegsituation und erarbeiten einen individuellen Maßnahmenplan.“ Oft könnten schon recht kleine Mittel helfen, um in der Praxis viel zu bewirken, so die Expertin. Maßnahmen für die Sicherheit der Kinder würden dabei automatisch auch der Umwelt zugutekommen: „Der Verkehr ist in Österreich der Hauptklimafaktor. Jeder Schultag, der ohne Elterntaxis absolviert wird, ist gleichzeitig auch ein Beitrag zum Klimaschutz.“

Kinder gehen mit Schultaschen am Rücken zum Schultor
Stefan Baumann
Das Ziel ab diesem Schuljahr: Jedes Kind soll zumindest das letzte Stück des Schulwegs zu Fuß gehen

Schuldirektionen erwarten Ergebnisse bis Dezember

Matthias Hesse, Direktor der Sonderschule, die unter demselben Dach wie die Volksschule untergebracht ist, sieht in dem neuen Verkehrskonzept auch Vorteile für die etwa 40 Sonderschülerinnen und Sonderschüler. „Bei Kindern mit Behinderungen etwa stellt sich die Frage des Fußwegs zur Schule oft nicht. Aber ein großer Teil unserer Kinder kommt mit einem Fahrtendienst und dieser war zuletzt massiv behindert von den Elterntaxis. Ich denke, dass es für die Sonderschülerinnen und Sonderschüler wieder leichter und sicherer wird, in die Schule zu kommen, wenn die Elterntaxis nicht die Eingänge und Autorampen blockieren“, so Hesse.

Anna Diasek, Direktorin der Volksschule, rechnet mit vielen positiven Nebeneffekten im Schulalltag. „Ich bin mir sicher, dass die Kinder aufnahmefähiger sind, wenn sie zu Fuß kommen und schon ein bisschen Zeit an der frischen Luft verbracht haben. Ich bemerke das oft, wenn ich die Kinder in der Früh begrüße. Wer zu Fuß gekommen ist, spaziert mit roten Backen und fröhlich ins Klassenzimmer.“

Sollte tatsächlich jedes Kind ein Stück zu Fuß gehen, erhöhe das außerdem die Möglichkeit der Lehrpersonen, spontan mit den Klassen ins Freie zu gehen. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass einzelne Kinder, die zu Fuß gehen, im kurzen Leiberl bei Schneefall in die Schule geschickt werden. Letztes Schuljahr ist das vorgekommen, aber da haben diese Kinder auch nur wenige Meter von der Autotüre bis zur Schultüre im Freien zurückgelegt. Die Schneeballschlachten heuer können kommen!“ Ein erstes Resümee zu etwaigen Verbesserungen möchte die Direktorin zu Weihnachten ziehen.

Stadtgemeinde unterstützt das Projekt

Bürgermeister Stefan Steinbichler (SPÖ) hat selbst ein Kind in der Volksschule und unterstützt das Projekt „sowohl als Vater, als auch als Bürgermeister“, wie er sagt. „Die Verkehrssituation vor der Schule ist wirklich eine Katastrophe. Rein von verkehrstechnischer Seite können wir diesen Missstand aufgrund der örtlichen Gegebenheiten leider nicht ändern. Daher war die Idee des Elternvereins genial.“

Vonseiten der Gemeinde habe man neuralgische Punkte erfasst, werde spezielle Aufkleber der Aktion „Coole gehen zur Schule“ finanzieren und auf den Straßen des Schulareals anbringen lassen sowie mit der Polizei den Kontakt halten, „sodass die besonders heiklen Verkehrspunkte im Umkreis der Schule auch regelmäßig gemeinsam im Auge behalten werden“, so Steinbichler. Darüber hinaus werde man bei kommenden Gemeinderatssitzungen sowie im Bauamt alle Strecken im Radius von 500 Metern um die Schule „noch einmal ganz genau in Bezug auf die Verkehrssicherheit überprüfen“.

Kindern „Erlebnis Schulweg“ zurückgeben

Der Elternverein zeigt sich optimistisch, dass die von ihm initiierten Maßnahmen vom überwiegenden Großteil aller Eltern gut angenommen werden, weil letztlich alle davon profititieren würden. „Als Kinder sind wir alle in die Schule gegangen, als Eltern bringen wir unsere Kinder heute mit dem Auto in die Schule. Der Schulweg kann so viel bieten und ich glaube, die Erlebnisse, mit Freunden gemeinsam zu gehen, vielleicht auch einmal etwas zu spät zu kommen und selbst auf die Uhr sehen zu müssen, das sollten wir unseren Kindern zurückgeben“, so Elternvereinsobmann Andreas Steinbichler gegenüber noe.ORF.at