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Seppelt: „Dürr ist Täter und Opfer zugleich“

Der deutsche Journalist und Anti-Doping-Experte Hans-Joachim „Hajo“ Seppelt hat bei einer Veranstaltung des Landesskiverbandes Niederösterreich in St. Pölten auf den „Fall Johannes Dürr“ zurückgeblickt und das gesamte Sport-System angeprangert.

Der 56-jährige Berliner – im Bild oben bei der Diskussion – beschäftigt sich seit zwölf Jahren intensiv mit dem Thema „Doping im Sport“. Zu Jahresbeginn 2019 veröffentlichte Seppelt eine ARD-Dokumentation zum Weg von Langläufer Johannes Dürr. Der Göstlinger wurde 2014 nach einem positiven Dopingtest bei Olympia in Sotschi vier Jahre gesperrt.

Vor der Heim-WM in Seefeld wollte Dürr in den Spitzensport zurück und im Zuge der Dokumentation die Doping-Problematik aufzeigen. Wenige Tage nach der Ausstrahlung wurde jedoch bekannt, dass Dürr erneut Eigenblutdoping betrieben hat. Nicht nur zu diesem Thema hatte Seppelt bei der Veranstaltung „Ski meets business“ des Landesskiverbandes Niederösterreich in St. Pölten eine klare Meinung.

Hans-Joachim Seppelt über den „Doping-Fall Johannes Dürr“: "Im Sommer 2018 habe ich Johannes Dürr kennengelernt, als er gemeinsam mit Martin Prinz, dem Autor seines Buches „Der Weg zurück“, zu mir nach Berlin gekommen ist. Die beiden haben mir ein Projekt vorgestellt und wollten sich für eine ARD-Dokumentation zur Verfügung stellen. Ich war allerdings nur an einem Psychogramm interessiert, um zu zeigen, wie man in die Dopingfalle hineinkommen kann.

Langläufer Johannes Dürr
GEPA pictures/Max Guggi
Der „Dopingfall Johannes Dürr“ beschäftigte nicht nur die Sportnation Österreich, sondern auch Hans-Joachim Seppelt

Johannes Dürr war eine interessante Person für mich und deshalb haben wir mit diesem Film begonnen. Während der Dreharbeiten hat sich ja abgezeichnet, dass es auch in Deutschland Blutdoping gibt und da war schnell klar, dass es mehr als ein Psychogramm wird, weil Dürr auch Enthüllungen parat hatte.

Als während der Ausstrahlung klar wurde, dass Dürr nach wie vor mit Doping zu tun hat, waren wir überrascht. Ich habe gedacht, dass das sehr irrsinnig ist, dass er vor unserer Kamera als vermeintlicher Dopingaussteiger auftritt und eigentlich noch immer mittendrin ist. Das zeigt auch die innere Zerrissenheit und die Schizophrenie des Systems Hochleistungssport. Ich sehe Johannes Dürr sowohl als Opfer als auch als Täter. Jeder Sportler ist ein Einzeltäter, aber Doping ist generell ein Systemproblem des Spitzensports."

…über die Rolle des Österreichischen Skiverbandes (ÖSV) beim Thema Doping: „Der ÖSV macht eine sehr gute Dopingprävention und ist in diesem Punkt sehr bemüht. Allerdingt stellt sich der Verband nicht der Dopingproblematik an sich. Es ist ja unstrittig, dass der ÖSV über viele Jahre fix angestellte oder auch freie Mitarbeiter unter Vertrag hatte, die eine Dopingvergangenheit haben. Das ist aktenkundig und deshalb halte ich es nicht für glaubwürdig, wenn die Verbandsspitze sagt, dass man davon nie etwas mitbekommen hat. Aus meiner Sicht muss man mit seinem Personal noch gewissenhafter umgehen. Da hat der ÖSV nicht angemessen und schnell genug gehandelt.“

…über sein Engagement als Anti-Dopingexperte: „Ich bin weder ein Partner des Sports und auch kein Kämpfer gegen Doping. Ich bin Journalist und dafür da, Dinge aufzuklären. Ich weiß, dass wir als ‚Nestbeschmutzer‘ gelten und als ‚Stimmungstöter‘. Aber das ist mir herzlich egal. Es ist mein Job, zu sagen, was passiert und die Sachlage zu bewerten. Genau das will das Publikum. Denn die Leute wollen Nachrichten, die der Wahrheit entsprechen. Dass wir mit unseren Enthüllungen auch Mythen zerstören, gehört dazu.“

Radrennfahrer Georg Preidler bei der Rad WM in Innsbruck 2018
APA/Herbert Neubauer
Dem Anwalt von Georg Preidler – hier ist der Radprofi beim Einzelzeitfahren bei der Straßen-Rad-Weltmeisterschaft in Innsbruck 2018 zu sehen – wurde in dieser Woche die Anklage wegen gewerbsmäßigen schweren Betrugs zugestellt

…über die Verlockung von Dopingmitteln bei Sportlern: „Irgendwann steht man einer Weggabelung. Auf der einen Seite gibt es den ehrlichen Weg. Da komme ich wahrscheinlich nicht bis ganz nach vorne, verdiene nicht die Millionen und muss irgendwann nach meiner Karriere einen normalen Beruf erlernen. Auf der anderen Seite erfährt man aber immer mehr über die Möglichkeit, mit Doping zum Erfolg zu kommen. Dann könnte es mehr Geld geben, ich bin nicht mehr auf Platz 50, sondern auf Platz eins. Ich habe mehr Sponsoren und ein gesichertes Leben. Ich kann verstehen, dass ein Athlet schwach wird. Ein Sportler ist zwar verantwortlich für sein Tun, aber er ist auch in einem System drinnen, das es ihm erst ermöglicht, darüber nachzudenken.“

…über Doping im Fußball: „Es gibt ja die verbreitete Meinung, dass Doping im Fußball nichts bringt. Das ist natürlich Blödsinn, weil es die Komponenten Kraft und Ausdauer gibt und deshalb bringt es dem Sportler auch etwas. Wenn man Fußball vor 40 Jahren mit jenem von heute vergleicht, sind das Welten. Natürlich liegt das auch am verbesserten Training, aber wenn man weiß, wie bei Marseille und Juventus Turin gearbeitet worden ist, gibt es durchaus Indizien. Im Fußball müsste man viel mehr und gründlicher recherchieren. Die ARD würde das auch gerne machen, aber es ist im Fußball unglaublich schwierig, an Informationen zu kommen.“