Eine der Trockenrasenflächen im Weinviertel
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Umwelt

Menschen aus aller Welt mähen im Weinviertel

Entlang des 12.500 Kilometer langen „Green Belt“ hat sich von Norwegen bis zur Türkei eine artenreiche Naturlandschaft entwickelt. Um die Naturschutzflächen zu erhalten, kommen Freiwillige aus aller Welt zur Landschaftspflege. Auch im Weinviertel waren acht Freiwillige beschäftigt.

Der European Green Belt stellt heute eines der bedeutendsten europäischen Naturschutzprojekte dar. Jenes Band, das sich auch entlang des Eisernen Vorhang bis zu dessen Fall gesäumt hat, dient noch heute als Lebensraum für unzählige Tier- und Pflanzenarten. Viele von ihnen finden fast ausschließlich innerhalb dieser Regionen einen geeigneten Lebensraum. Um diese speziellen Naturschutzflächen zu erhalten, unterstützt die Europäische Union deren Erhaltung und Pflege und lädt jedes Jahr zu den sogenannten Green Belt Work Camps.

Manuelle Landschaftspflege auf Freiwillige angewiesen

Auch im Weinviertel waren von 17. bis 23. September acht Freiwillige unter anderem damit beschäftigt, Amphibienzäune zu reparieren oder Trockenrasen zu mähen. Speziell die Trockenrasen gingen seit dem Aufkommen der maschinellen Landwirtschaft massiv zurück, erzählt Gabriele Pfundner vom Naturschutzbund Niederösterreich. „Unter den heute ökonomisch vorherrschenden Bedingungen haben Landwirte praktisch keine Möglichkeit mehr, diese Flächen zu erhalten, weil sie zu steil sind für schweres Gerät. Da springen die Freiwilligen vom Naturschutzbund oder vom Work Camp aus der ganzen Welt ein und helfen uns bei der manuellen Pflege.“

Fotostrecke mit 7 Bildern

Die hügelige Landschaft des nördlichen Weinviertels mit Trockenrasen im Vordergrund
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Die meist steilen Trockenrasenflächen des Weinviertels bieten seltenen Pflanzen und Tieren einen geschützten Lebensraum
Die Freiwilligengruppe
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Die acht Freiwilligen mit Gabriele Pfundner (re.) vom Naturschutzbund bei der Arbeit auf den Wiesen
Ein verbuschtes Gebiet am Rand der Trockenrasen
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Jene Flächen, die nicht von Freiwlilligen gepflegt werden, verbuschen mit der Zeit und verdrängen die besonderen Blütenwiesen der Weinviertler Klippenzone
Arbeitsgeräte im Auto
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Bepackt mit Autos voll Arbeitsgeräten ziehen die Freiwilligen von Ort zu Ort zur Landschaftspflege
Gabriele Pfundner vom Naturschutzbund mit Kreuzenzian
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Gabriele Pfundner mit einem mittlerweile selten gewordenen Kreuzenzian
Die Gruppe am Weg einen Hang hinauf zur Rasenpflege
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Die Hänge sind teilweise so steil, dass sie ausschließlich von Hand gemäht und gepflegt werden können
Verwachsene Weinstöcke erinnern an die ehemalige Nutzung
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Eine Weinrebe erinnert noch an jene Zeit, als die Flächen hier auch von traditioneller Landwirtschaft genutzt waren

Dazu verbringen acht Freiwillige eine Woche im nördlichen Weinviertel, arbeiten untertags entlang des Green Belt-Streifens in Poysdorf, Staatz, Drasenhofen, Falkenstein und Wildendürnbach (alle Bezirk Mistelbach) und erhalten im Gegenzug Kost und Logis sowie ein Kultur- und Freizeitprogramm der jeweiligen Region, in der sie arbeiten. Gemeinsam mit Freiwilligen aus den jeweiligen Gemeinden sind sie im Weinviertel auf den steilen und teils felsigen Landschaftsabschnitten unterwegs, um zu mähen und aufkeimende Büsche oder Bäume zu entfernen.

Sendungshinweis

Guten Morgen NÖ", 23.9.2019

Damit beugen sie einer Verbuschung und Verbrachung der artenreichen Trockenrasenflächen der Weinviertler Klippenzone vor. „Die Entbuschungsarbeiten sorgen dafür, dass die auf den Wiesen des nördlichen Weinviertels beheimateten Pflanzen nicht zu sehr beschattet werden. Ohne die Mahd einmal pro Jahr würden die Pflanzen hier verschwinden und mit ihnen die Tiere, die genau diese Pflanzen brauchen“, erzählt Pfundner, die im September jedes Jahr mit einer Gruppe Freiwilliger nach Poysdorf und Umgebung kommt.

Lebensraum für bedrohte Tier- und Pflanzenarten

Ein Beispiel für eine der besonders selten gewordenen Tierarten ist der Kreuzenzian-Ameisenbläuling – eine Schmetterlingsart, die sich über die Jahrtausende optimal an die Bedingungen des nördlichen Weinviertels angepasst hat und heute immer seltener wird. Um sich fortpflanzen zu können, braucht er Trockenrasenflächen, die sowohl ausreichend Blauenzian hervorbringt als auch Lebensraum für spezielle Ameisen bietet. Denn sowohl den Enzian als auch die Ameisen benötigt seine Brut, um als Raupe heranzuwachsen bzw. als Puppe durch den nächsten Winter zu kommen. Aber auch Ziesel, Smaragdeidechsen, Fischotter, Sumpfschrecken, Moorfrösche, Gottesanbeterinnen oder Eisvögel fühlen sich im nördlichen Weinviertel wohl, solange sie ausreichend geeignete Lebensräume vorfinden.

Ein Kreuzenzian-Ameisenbläuling auf einem Grashalm
Würden die Trockenrasen nicht ein Mal pro Jahr gemäht, würden selten Tierarten wie der Kreuzenzian-Ameisenbläuling oder Gottesanbeterinnen verdrängt

Unterstützt werden die Green Belt Work Camps sowohl mit Fördermitteln der Europäischen Union als auch mit Förderungen des Landes Niederösterreich. Ohne die Leistung der Freiwilligen wäre die Bewirtschaftung der Flächen dennoch nicht möglich, erzählt Pfundner. „Und wie besonders die Landschaften sind, die wir hier vor der Haustüre haben, das zeigt doch nichts besser als diejenigen, die von weit weg hierherkommen, um zu helfen.“

Internationale Gäste helfen für Kost und Logis

Am weitesten gereist ist Miguel. Der Student aus Mexiko war bis zu seinem Abflug nach Österreich noch nie in Europa. Schon immer habe er die Nähe zur Natur gesucht, erzählt er. Daher habe er sich auch zum Freiwilligendienst gemeldet: „Als Kind habe ich davon geträumt, einen großen Garten zu haben. Den habe ich bis heute nicht. Aber hier am Camp fühle ich mich wie in einem großen Garten, den ich zumindest für eine Woche bewirtschaften darf und nebenbei etwas Gutes bewirken kann.“ Die meisten aus der Gruppe sind Studentinnen und Studenten.

Neben Miguel aus Mexiko kommen die diesjährigen Helferinnen und Helfer aus Österreich, Deutschland, Italien, Aserbaidschan oder Polen. Auch aus Ghana hatte sich jemand für das Projekt im Weinviertel gemeldet. Barbara aus Polen ist mit 50 Jahren die älteste Teilnehmerin. Sie hat sich für das einwöchige Camp Urlaub genommen, um der schlechten Luft ihrer Heimatstadt Krakau zu entfliehen. „Ich bin so gerne in der Natur und hätte solche Tätigkeiten schon als junge Frau gerne gemacht. Da ich aber im Kommunismus großgeworden bin, hatte ich diese Möglichkeiten nicht und freue mich heute umso mehr darüber, Wiesen in Österreich mähen zu können und den Umweltschutz zu fördern, der hier ernster genommen wird als bei mir zu Hause.“

Das grenzüberschreitende Projekt wird vom Naturschutzbund Niederösterreich gemeinsam mit dem Service Civil International (SCI-Österreich) organisiert, das mehr als 1.000 Projekte in über 80 Ländern im Programm hat und jedes Jahr freiwillige Helferinnen und Helfer aus aller Welt für sinnvolle Tätigkeiten vermittelt.