Verfärbter Wald
ORF/Berger
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Umwelt

Klimawandel: ZAMG sucht Naturbeobachter

Die Klimaveränderung dürfte zu einer Verschiebung der Jahreszeiten führen. Die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) untersucht den Einfluss von Umweltfaktoren auf den Jahreszeitenwechsel. Eine eigens entwickelte App für Laien soll die Datenlage verbessern.

Bis heute ist nicht eindeutig geklärt, welche Umwelteinflüsse die Jahreszeiten einläuten. Sowohl die sinkenden Temperaturen als auch die abnehmende Anzahl an Sonnenstunden dürften beispielsweise jetzt im Herbst dazu führen, dass sich viele Pflanzen auf die Winterzeit vorbereiten, ihre Blätter verfärben und anschließend abfallen lassen. „Allerdings zeigen sich große Unterschiede zwischen einzelnen Pflanzen. Auch artengleiche Bäume etwa reagieren nicht immer ähnlich. Viele Rahmenbedingungen unserer Vegetation in Bezug auf die Jahreszeiten sind noch ungeklärt“, erklärt Helfried Scheifinger von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) in Wien.

Temperaturanstieg verschiebt Blütenbeginn

Was allerdings bereits dokumentiert werden konnte, sind erste Auswirkungen der Klimaveränderung. „Für uns Menschen ist ein durchschnittlicher Temperaturanstieg von einem Grad Celsius kaum wahrnehmbar. Bei Pflanzen wissen wir aber, dass bereits ein Grad Celsius mehr zu einer Verschiebung des Frühlings um sieben Tage führt. Bei zwei Grad wird der Frühling um 14 Tage früher eingeläutet“, so der Phänologe. Scheifinger und seine phänologischen Kolleginnen und Kollegen beschreiben periodisch wiederkehrenden Phänomene im Tier- und Pflanzenreich.

Um die gesammelten Ergebnisse wissenschaftlich auswerten zu können, vergleichen die Wissenschafter ihre Jahrzehnte zurückreichenden Temperaturmessungen mit Beobachtungen in der Natur – beispielsweise dem Beginn der Blüte einer Pflanze im Frühjahr, der Eintritt ihrer Fruchtreife im Sommer oder das sich stufenweise verfärbende Laub im Herbst.

Naturbeobachtungen von Laien nehmen ab

Speziell an Naturbeobachtungen mangelt es den Wissenschaftern allerdings. Daher entwickelten sie bereits vor Jahren eine Internetplattform, auf der es Naturbeobachterinnen und Naturbeobachtern aus der Bevölkerung möglich war, am eigenen Wohnort forschungsrelevante Daten zu sammeln und der ZAMG zur Verfügung zu stellen. Erweitert wurde das Programm der sogenannten Citizen Science, also der Beteiligung von Laien an wissenschaftlichen Programmen, im letzten Jahr um die App „Naturkalender“.

„Bis in die 60er-Jahre war die Wetter- und Naturbeobachtung noch sehr verbreitet in der Bevölkerung. Heute müssen wir alle technischen Möglichkeiten ausschöpfen, um an ausreichend Datenmaterial zu kommen“, so Scheifinger. Die App „Naturkalender“ ist sowohl für Android-Smartphones als auch für iPhones kostenlos erhältlich und enthält alle für die Wissenschaft relevanten Kategorien. Wer der ZAMG also Beobachtungen zur Verfügung stellen kann, findet darin sämtliche Tier- und Pflanzenarten vor, zu denen Beobachtungen vonnöten sind.

Handy mit geöffneter App vor einer Birke
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Mittels App lassen sich viele Pflanzenstadien fotografisch festhalten und einem bestimmten Ort zuordnen

„Besonders hilfreich für uns ist beispielsweise die gezielte Beobachtung einer bestimmten Pflanze, an der man zwei bis drei Mal pro Woche vorbeigeht – sei es auf dem Weg in die Arbeit oder beim Hundespaziergang. So lässt sich jedes relevante Stadium verfolgen und einem genau bestimmbaren Ort zuordnen – vom Beginn der Blüte im Frühjahr bis zum letzten abgeworfenen Blatt im Herbst“, schildert Scheifinger. Auf diese Art werden österreichweit Daten gesammelt, die der ZAMG für wissenschaftliche Zwecke zur Verfügung gestellt werden und dort verglichen werden können. Seit dem Start der App im Frühling 2018 kamen bisher 35.000 Beobachtungen einiger hundert Menschen zusammen. „Eine gute erste Summe, aber noch weit zu wenig für verlässliche Ergebnisse“, bilanziert Scheifinger.

Datensammlung zehn verschiedener Jahreszeiten

Für die Bestimmung regionaler Unterschiede sei es relevant, beispielsweise den Blütenbeginn einer Hasel in höheren Lagen im Westen Tirols mit jener in niedrigeren Lagen des Weinviertels vergleichen zu können. Von den Ergebnissen erhoffen sich die Expertinnen und Experten Aufschluss über die in der Vegetation wirkenden Mechanismen, die die Entwicklung von Tier- und Pflanzenarten im Verlauf des Jahres bestimmen.

Scheifinger spricht in diesem Zusammenhang allerdings nicht von vier, sondern von zehn Jahreszeiten, die es in Österreich zu erforschen gilt: „Der Winter als Ruhephase gilt als eine Jahreszeit. Frühling, Sommer und Herbst gliedern sich aber jeweils in eine Vorjahreszeit, eine Volljahreszeit und eine Spätjahreszeit. So ergeben sich für Tiere und Pflanzen in unseren Breiten in Summe zehn Jahreszeiten, die wir erforschen möchten.“