Flaggen Österreich EU Tschechien
ORF
CoR
Chronik

Tauziehen um EU-Regionalförderungen

Die Grenzbalken sind weg, dennoch gibt es zwischen Niederösterreich und den Nachbarländern noch Barrieren. Seit 2016 läuft nun ein Sprachprojekt der EU für Kinder mit dem Ziel, sich besser kennen zu lernen. In Brüssel wird derzeit verhandelt, ob solche Projekte weiterhin gefördert werden.

„Jak se máš?“, fragt Isabella ihre Freundin. „Danke, mir geht es gut“, antwortet Johanna mit Begeisterung. Egal ob auf Deutsch oder Tschechisch, die beiden verstehen einander. Seit drei Jahren lernen sie und ihre Freunde im Kindergarten in Langau (Bezirk Horn) nicht nur die heimische Kultur und Sprache kennen, sondern auch jene des Nachbarn. „Spielerisch und mit Spaß bei Projekten, Sprachkursen oder Ausflügen“, erzählt Gabriela Havlikova, Sprachlehrerin im Kindergarten.

Einmal pro Woche besucht Havlikova den Kindergarten in Langau. „Wir lernen vor allem Grundbegriffe, wie ‚Ich muss auf die Toilette‘ oder ‚Ich habe Hunger.‘“ Dadurch sollen sich die Kinder bei Besuchen von tschechischen Kindergärten mit den Gleichaltrigen auch ein bisschen unterhalten können. „Bei manchen funktioniert das schon ganz gut“, ist Havlikova sichtlich stolz.

Sprachoffensive Langau EU Projekt
ORF
Mit Begeisterung singen die Kinder aus Langau gemeinsam „Alle meine Entlein“ – selbstverständlich auf Tschechisch

Neue Freunde und gemeinsame Feste

„Die Kinder lernen hier sehr schnell“, freut sich auch die Leiterin des Kindergartens, Leopoldine Poindl. Neben den Sprachunterricht gibt es auch regelmäßig Besuche des Partnerkindergartens in Jihlava (Tschechien). „Die Kinder verstehen sich gut und wir haben auch mit den Kolleginnen eine gute Beziehung aufbauen können“, sagt Poindl. Zudem werden auch gemeinsam Feste gefeiert, wie etwa das Martinsfest in Langau.

In ganz Niederösterreich konnten durch das Projekt, das auch in den Volks- und Mittelschulen angeboten wird, schon 73.000 Kinder eine Fremdsprache erlernen – neben Tschechisch auch Slowakisch oder Ungarisch. Und einige fanden auch schon neue Freude. Die Sprache und die Kontakte sollen ihnen später auch im Beruf helfen.

Auf den Spuren der mittelalterlichen Gesellen

Niederösterreichs Lehrlinge dürfen sich dabei bereits beweisen und auf die Walz gehen – ganz nach der Tradition aus dem mittelalterlichen Gesellenleben als die jungen Männer auf Wanderung geschickt wurden, um neue Arbeitspraktiken und fremde Länder kennen zu lernen. Seit 2017 können die Lehrlinge vier Wochen lang unter anderem in Italien, Polen, Irland, Dänemark oder Großbritannien Berufserfahrung sammeln, aber auch andere Kulturen und Firmen kennen lernen.

Let’s Walz EU Erasmus
ORF
Neben der Berufserfahrung bleiben den Lehrlingen vor allem persönliche Kontakte ein Leben lang in Erinnerungen

Samuel Polierer aus Wilhelmsburg (Bezirk St. Pölten) erinnert sich mit großer Freude: „Es waren die besten vier Wochen meines Lebens, weil die Leute in England einfach viel netter sind.“ Maria Mößner aus Lilienfeld konnten sich damit sogar einen Traum erfüllen: „Weil ich das erste Mal mit dem Flugzeug geflogen bin und auch die Arbeitsweise hat mir teilweise besser gefallen.“ In den ersten drei Jahren nutzten bereits 350 Lehrlinge diese Chance.

160 Millionen Euro für Niederösterreich

Was die beiden Projekte verbindet? Die EU stellte für diese und viele andere Projekte in Niederösterreich jedes Jahr viel Geld zur Verfügung. Zwischen 2013 und 2020 wurden mehr als 160 Millionen Euro in Projekte in allen Bezirken investiert. Für viele Projekte war das eine wichtige Starthilfe, weiß EU-Landesrat Martin Eichtinger (ÖVP): „Wir profitieren von der Regionalpolitik der EU in hohem Maße, vor allem unsere Grenzregionen und der ländliche Raum.“

Damit Projekte wie die Sprachoffensive oder „Let’s Walz“ weiterlaufen können, setzte sich Eichtinger diese Woche in Brüssel im Zuge der Plenarsitzung des Ausschusses der Regionen einmal mehr dafür ein, dass weiterhin alle Regionen Förderungen erhalten. Denn wegen des geplanten Austritts Großbritanniens aus der EU wird das Budget für die nächsten Jahre auf jeden Fall reduziert. Im Vorjahr hatte es deshalb geheißen, dass besser entwickelte Regionen, wie Niederösterreich, künftig keine Förderungen mehr bekommen soll.

Ausschuss der Regionen EU Brüssel
CoR
Im Ausschuss der Regionen wurde am Dienstag über das EU-Budget 2021 bis 2027 diskutiert

Zugfunktion für schwache Regionen

Nach heftigen Protesten aus Niederösterreich sowie fast 300 anderen europäischen Regionen ist dieser Vorschlag nun jedoch vom Tisch. EU-Kommissar Johannes Hahn, der ab November für das Budget verantwortlich ist, versprach, dass weiterhin alle Regionen Förderungen bekommen werden: „Die historische Aufgabe der Regionalpolitik ist zwar den schwächeren Regionen zu helfen aufzuholen, doch es bedarf auch der starken Regionen, die quasi eine Zugfunktion haben.“

Mit knapp einem Drittel des gesamten EU-Budgets sei Regionalpolitik nach wie vor das „Herzstück der europäischen Politik, wenn es um die Gestaltung geht“, versichert Hahn. Das Ziel CO2-Neutralität lasse sich etwa nur in und mit den Regionen umsetzen, „und gerade hier ist Niederösterreich ein Vorbild“, hob Hahn nochmals die Bedeutung der Regionen hervor.

Zudem erklärte Hahn beim Treffen mit Eichtinger, dass Österreich die Regionalförderungen in annähernd gleichem Ausmaß wie schon bisher erhalten bleiben. Die einzige Voraussetzung dafür ist, dass nun noch die Nationalstaaten der vom Europäischen Parlament geforderten Budgeterhöhung möglichst rasch zustimmen. Darauf hoffen jedenfalls auch die Kinder in Langau, denen auch die tschechische Sprache mittlerweile sichtbar ans Herz gewachsen ist.